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Meta Henriette Sattler
geb. 11.3.1867 in Bremen, gest. 15.3.1958 in Bremen

 
A1s drittes Kind und älteste Tochter W.F.Sattlers und seiner -Ehefrau, Sophie Marie Wilckens, bin ich am 11.3.1867 in Bremen geboren. Meine Eltern wohnten damals zur Miete in dem Hause Bleicherstraße 30 ..., dessen Rückseite unserer Wohnung gegenüberlag. Diese war so geräumig und die wirtschaftlichen Verhältnisse andererseits so bescheiden, daß mein Vater als "Ordentlicher Lehrer an der Hauptschule" in den ersten Jahren Pensionäre ins Haus nahm, meist Söhne von im Ausland lebenden Vätern... Auch an Haus und Garten habe ich nur eine dunkle Erinnerung: der untere Hausflur war mit Schiefersteinen belegt, der Garten brachte u.a. Kaiserpilze hervor, die Luft innen und außen verriet die Nähe der St. Pauli-Brauerei. Die Kinder aus dem Hause, Brand, schätzten wir als Spielgefährten nicht sonderlich. Wir nannten sie Mile "schmierig", mußten sie aber im späteren Leben als elegante Frau und Mutter von drei hübschen Töchtern.an der Schwachhauser Chaussee wiedersehen. In der Bleicherstraße war am 23.6.1863 mein Bruder Heinrich, am 14.4.1865 Sigmund und am 2.6.1869 Paul und meine Schwester Charlotte am 4.8.1871 geboren. Sigmund ist daselbst am 19.8.1867 an einem Herzleiden, Paul am 11.2.1872 an "Kopfkrankheit" verstorben, den ich als besonders kräftig und fröhlich erinnere. Nach dem Tode meines Großvaters, Dr. med. Henrich Wilckens im Jahre 1874, kaufte mein Vater das Haus Mathidenstraße 3 ... Dort wurde am 25.2.1874 meine jüngste Schwester Helene geboren.
Das Haus hatte je vier geräumige Zimmer im Erdgeschoß und ersten Stockwerk sowie ein großes heizbares und zwei nicht heizbare im zweiten Stock. Im Souterrain außer Küche, Wasch- und Plättstube zwei Speise- und einen großen Feuerungskeller; zudem eine Badestube. Es gehörten dazu ein kleinerer Vor- und ein 30 Meter langer Hintergarten mit Äpfeln, Birnen und sauren Kirschen sowie vielen hochstämmigen Rosen, Erdbeeren und Himbeerbüschen, eine durch Esche und Haselnuß gebildete Laube, zwei größere Rasenplatze mit Blumenbeeten. Er war unser aller Freude und Lieblingsaufenhalt in der guten Jahreszeit. [...]
In unserem Garten war uns Kindern auch eine Ecke eingeräumt,in der Henrich früh einen kleinen Springbrunnen mit Glasröhren eingerichtet hatte, während wir Schwestern uns mehr auf die Zucht von Kresse legten, die wir für 5-10 Pfennig unserer Mutter zum Abebrot verkaufen konnten. Später nahm sich besonders Lottie des Pflanzens von Sommerblumen an, die meist am Sonnabend vor Pfingsten in Form von Samen und kleinen Pflanzen auf dem Markt eingekauft wurden. Mit dem Erwerb einer Mähmaschine kam eine neue Beschäftigung im Garten auf, die anfangs von unserem Vater, später von Töchtern ausgeübt worden ist.
Die Mathildenstraße war bei unserem Einzug noch nicht voll bebaut.Jenseits der Feldstraße befanden sich sogar Jahre lang noch Kornfelder. So hatten Verwandte meiner Mutter denn auch darüber geklagt, daß wir "so weit wegzögen". Sie war damals und blieb auch immer eine ruhige, vornehme Straße mit Einfamilienhäusern verschiedener Größe auch tatsächlich nur eine Familie beherbergten, was sich, wie ich glaube, erst vom zweiten Weltkrieg an geändert hat. In der ersten Zeit bestand der Wagenverkehr nur aus solchen der Milch-, Gemüse- und Obsthändler, der Schlachter und der Fisch- und Granatfrauen, deren letztere übrigens in der Mehrzahl zu Fuß gingen, die Körbe am Arm. Um die Mittags- und Besuchszeit durchführen. Um die Mittags- und Besuchzeit durchfuhren private Equipagen sowie ein- und zweispännige Ärztewagen sie, u.a. der vom Dr. B. Pauli, der Tag für Tag bei unserem Gegenüber, Dr. Johs Ulrichs . Halt machte, und von dem erzählt wurde, daß er einen eigenen Windfangfangöffner besaß und so lange durch das Haus wanderte, bis er eins oder mehrere Kinder gefunden und sich nach Ansehen der herausgestreckten Zunge überzeugt hatte, daß keins krank sei... In den glücklichen Vorkriegszeiten wurde die frische Vollmilch dreimal am r Tag vom städtischen Milchviehhalter den Kunden vors Haus gefahren: um 6 Uhr, um l Uhr und gegen Abend, so daß z. B. nach Belieben Mittags auch noch "Übermilch" genommen werden konnte. Ebenso hängte die Brotfrau die frischen Zwiebäcke rechtzeitig zum Frühstück an die Souterraintür, ohne daß sie und die dort aufgestellte Milch durch Diebe gefährdet gewesen wären. Allgemein bezahlte man diese und andere Waren, auch den Krämer, wöchentlich oder monatlich,-und zwar in meiner Kinderzeit durch eins der "Mädchen" in den Abendstunden, wobei diese, besonders bei größeren sonstigen (Handwerker-) Rechnungen ein Trinkgeld erwarten konnten. Um gerecht zu sein, wurden diese bei meiner Mutter abgegeben, in eine besondere Sparbüchse getan und bei Auszahlung des Lohnes - also damals halbjährlich - gleichmäßig unter die Betreffenden verteilt
Dieser für heutige Begriffe ganz unglaublich üppige Zustand blieb bis nach meiner Konfirmation. Danach wurde das Nähmädchen abgeschafft, aber alle Wäsche aus dem Haus gegeben, zu Hauer in Gröpelingen. Lange Jahre hatten wir unsere Mädchen aus den Familien Beckmann und Fennekohl aus Aumund, die sich später alle recht gut verheirateten. [...]
Auf dem schönen, sich bis Achterdieck erstreckenden Landgut Fritze habe ich des öfteren als Kind gewohnt und Freundschaft mit dem gleichaltrigen Carl geschlossen. In seiner Gesellschaft habe ich auch den Ausflug durch die lange "Allee" mit dem Rückweg über Sebaldsbrück unternommen, so daß wir zu spät zu Tisch erschienen, was uns eine scharfe Rüge seines gütigen, aber überpünktliche Vaters eintrug. Im Gegensatz zu meiner impulsiven warmherzige Mutter hatte "Tante" Willy Fritze ein kühles, gemessenes Wesen, so daß bei ihrem Gutenacht-Kuß mir immer im Vergleich mit zu Hause, etwas wehmütig zu Mute wurde. Andererseits verdankte ich Tante Willy als ca. 10jährige das einzige weiße (Wasch-) Kleid mit Stickerei, da ich im übrigen nur bunte Kattunkleider trug, die nach der gleichen Modell im Hause gearbeitet wurden. Einzelne Ausnahme! waren die von meinen Kusinen, Helene und Henny Pavenstedt, ab gesetzten. Unsere Kleidung folgte, zu meinem damaligen Leidwesen, nicht der üblichen Mode. Wir hatten zu jedem Kleid eine "Tunica-d.h. einen Schoß mit einem Gürtel, so daß es wie eine verlängerte Taille wirkte und bei der kindlichen Figur viel kleidsamer wirkte als die sackartigen Kleider meiner Schulgefährtinnen und sonstigen Altersgenossinnen. Die Fotos aus jener Zeit haben mich später darüber aufgeklärt - aber in den betreffenden Jahren habe ich es doch einigermaßen beschämend gefunden, daß ich so "besonders" aussah. Ebenso brachte ich den sogenannten Schmutz-Ärmeln, die wir in der Schule tragen mußten, damit wir beim Schreiben unsere Kleider schonten, keine Liebe entgegen. Nur daß wir bei diesem Gebot als Leidensgefährten die Schwestern Sengstack hatten, tröstete mich einigermaßen.
Die Einfachheit meiner Kleidung wie überhaupt unseres Lebens geschah aus Grundsätzen der Sparsamkeit wie auch der Erziehung. Bei meinen jüngeren Schwestern waren sie schon nicht mehr so ausgeprägt. Eins ihrer Merkmale war auch, daß ich bei den sogenannten "Schlußstunden" der Schule, wobei nicht nur die Zeugnisse verteilt, sondern auch Lieder gesungen und Gedichte aufgesagt wurden, nicht wie die andern mein Sonntagskleid anziehen durfte, sondern nur eine reine Schürze vor das tägliche gebunden bekam... Dies und manche andere ähnliche Äußerungen absichtlich strengerer Erziehung haben mich zwar nicht für mein ganzes Leben verbittert oder glücklich gemacht, ich sehe aber als eine ihrer Folgen eine gewisse Verselbständigung meines Charakters an, die sich durch die Abwehr spöttischen oder nur kritischen Bemerkungen nicht bloß meiner Altersgenossinnen herausbildete. Dazu gehörte auch eine gewisse Beschränkung im Besuch von Kindergesellschaften. Ich mußte sie zu einer bestimmten Stunde verlassen, selbst wenn die übrigen noch dablieben. So erinnere ich mich einer, die in dem Garten der Familie Beyer an der Munte im Sommer stattfand, wo ich in der Dämmerung allein durch die in damaliger Zeit noch unbebaute Parkallee bis zum "genannten "Kuhschäfer" gehen mußte. Dort traf ich meinen mir entgegengeschickten Bruder Henrich. Als Kind empfindet man solche Ausnahmebehandlung als recht peinlich. Ebenso war mir unverständlich, warum mir nicht erlaubt wurde, eine geschlossene Gesellschaft,kinderwärts "Kränzchen" genannt, mit gleichaltrigen Mädchen zu haben. Von meinen Eltern wurde als Grund darauf hingewiesen, daß ich ja meine beiden Schwestern als Gefährtinnen habe. Dabei war 'Lottie fast 4 1/2, Helene fast 7 Jahre jünger als ich, ihre Liebhabereien und Interessen im Kindheitsalter entsprechend verschieden von den meinigen. Beiden wurde übrigens später der Beitritt zu einer "Geschlossenen" erlaubt.
Soviel ich erinnere, durfte ich während meiner Schulzeit einmal eine größere Kindergesellschaft geben. Sie fand im "Schweizerhaus" an der Schwachhauser Chaussee (seit 1914: Heerstraße) statt, das in einem Garten mit hohen Bäumen, Schaukeln, Rundlauf etc. lag, da, wo später die Lortzingstraße durchgebrochen, das Haus von Prof. Gross auf der einen und von Konditor Bleeker auf der anderen Seite errichtet worden ist. Als ich 1910 meine erste eigene Wohnung in der Donandtstraße 36 einrichtete, konnte ich noch mit meiner Hilfskraft Hermine Ahrens in der Veranda des "Schweizerhauses" zu Mittag essen. Bei Kindergesellschaften gab es damals in der Regel Schokolade und Butterkuchen; als Abendbrot Rotwein und Wasser (gewärmt) und belegte Butterbrote; am beliebtesten waren harte Eier mit Sardellen und Schweizerkäse. Den überflüssigen Zwischengang von kaltem Pudding mit Fruchtsauce habe ich bei mir nicht mitgemacht.
Im Freien (Kuhhirten u. a.) spielten wir am liebsten; dritten Abschlag; Hai up de Brück, hai up de Brück, den Letzten wült wi fangen de bliwt'r achter hangen; Sitzenkriegen; Blindekuh; Kämmerchen' vermieten und andere. Im Hause: Fischer im Dunkeln; Stiller (oder lauter) Heinrich, Turnen mit Kabumsschießen; Ticken mit Pfeffernüssen, Verkleiden und Aufrühren; Konkurrenz-Raten; Schreibspiele. Wie, wo, warum liebst du es; Personenraten u.a. ausgesprochene Jungens-Belustigungen waren: Kloppball und Drachen steigen "besonders jenseits der Weser, auf dem unbebauten "Werder-, ehe dort die sehr ertragreichen Parzellen angelegt waren. Vielfach lehrten die Väter den sachgemäß den Wind ausnutzenden Sport, und ich ging gern mit, so daß ich wußte, was es heißt: mehr Bott geben, d.h. mehr Bindfaden abwickeln usw. Wenn ich die Einfachheit unserer Lebensweise erwähnt habe, wurde doch keineswegs gespart an unserer körperlichen Ertüchtigung u.a. durch Abhärtung und durch Gesundheitspflege. Als Arzttochter beobachtete Mama gewissenhaft unsere Haltung, prüfte immer wieder, ob sich nicht etwa Rückgratverkrümmung anbahne - so mußte Lottie zeitweise mindestens 1 Stunde täglich auf einer auf dem Fußboden ausgebreiteten Matratze auf dem Rücken liegen etc. Im Einverständnis mit Dr. Louis Stadler, der bei Mama immer nur "unser Doktor" hieß, sich Chirurg nannte, aber eine große allgemeine Praxis betrieb, wurden wir früh an kaltes abendliches "Abpulschen" gewöhnt. Wir schliefen im ungeheizten Zimmer und ich später stets bei offenem Fenster, so daß Schwamm und Waschwasser manches Mal gefroren waren.
Als sich bei mir in den Entwicklungsjahren kleine (körperliche) Beschwerden einstellten, richtete Mama, nach ärztlicher Verordnung, mit anderen Müttern einen Kursus für Schwimmunterricht in der Weser bei Olmes ein, den Frau Precht erteilte. Diese wurde später Schwimmlehrerin in der neuen Badeanstalt am Breitenweg, deren großes Bassin zu bestimmten Zeiten weibliche Badegäste benutzen durften. Erst als durch einen Bazar die Mittel für ein zweites Bassin aufgebracht waren, konnte man die störenden Beschränkungen für uns Frauen aufheben.

Schwimmbad am Breitenweg

Ein unvorhergesehens Hindernis Verzögerte den Beginn des Unterrichts: die bei von Hüschler & Streckenwals bestellten Badeanzüge waren nicht da. - Alles, einschließlich einiger Mütter, wartete voller Aufregung. Schließlich wandte sich Mama zu mir und meinte, ich solle "vernünftig" sein und nackt, wie ich war, meine Zelle verlassen, um als erste von Frau Precht an die "Angel" genommen zu werden. Das war mir natürlich ein so peinlicher Gedanke - in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts schwärmte man noch nicht für Nacktkultur -, daß ich mich lange sträubte und schließlich nur widerstrebend einwilligte ... da, gerade als ich mich dem Publikum im Evakostüm zeigen wollte, erschienen die ersehnten weißen, mit Blau besetzten Anzüge, und so konnte denn das Schicksal seinen vorgegebenen Lauf nehmen. Außer der in bescheidenen Grenzen sich haltenden Ausübung dieses Sports nahm ich längere Zeit auch an Turnstunden teil, die nachmittags außerhalb der Schule und der dort gepflegten Gymnastik in der Turnhalle am Häfen gegeben wurden von Herrn Böttcher, die mir sehr viel Vergnügen am Rundlauf und als eine der Besten beim Hoch- und Weitsprung brachten.
Auch an Tanzstunden durfte ich teilnehmen: erstmalig bei der früheren Ballettmeisterin, Frau Vogel, in ihrer Wohnung a. d. Brake. Sie selbst bezeichnete sie als "Anstands-stunden. Unser Kursus war eingerichtet für drei Töchter von George Lürmann, Rutenstraße, mit je zwei von deren Altersgenossinnen. Ich war damals ca. 10 -11 Jahre alt und hatte als 13- oder l4jährige nochmals "Tanzstunde", und zwar bei August Casorti, einem alten, musikalischen ... Franzosen, der schon die Generation meiner Mutter m derselben edlen Kunst unterrichtet hatte. Die Stunden fanden statt am Altenwall 6, in den schönen Räumen des Knoopschen, später Gildemeisterschen Hauses ... C. war ein Original, Junggeselle, neckte uns gern mit den zu unserer Stunde zugelassenen gleichaltrigen Jungens (von ihm "Maikäfer" genannt). Ich mußte des öfteren wegen meines kurzen Halses von ihm hören: "Mata, Mata, wenn ick ätte dein Als, ick war lange gegangen in der Wesär." Wenn ich heute an mein damaliges Tanzkleid denke: dunkelbraun, Wolle mit roten Streifen, garniert mit dickem braunen Plüschkragen und gleichen Manschetten, so überkommt mich lebhafte Sehnsucht nach einem kühlen Weserbad ... Am Ende der Tanzstunden machte ich mit Henrich einen Abtanz- oder Kinderball für "Fifi" und "Ebi" Nebelthau in ihrem elterlichen Hause, Kohlhökerstraße mit, im weißen Waschkleid mit großer roter Schleife im offenen Haar.
Hier können Sie weiterlesen, wie sie das Radfahren und Schlittschuhlaufen erlernte.
Auch an Tanzstunden durfte ich teilnehmen: erstmalig bei der früheren Ballettmeisterin, Frau Vogel, in ihrer Wohnung a. d. Brake. Sie selbst bezeichnete sie als "Anstandsstunden. Unser Kursus war eingerichtet für drei Töchter von George Lürmann, Rutenstraße, mit je zwei von deren Altersgenossinnen. Ich war damals ca. 10 -11 Jahre alt und hatte als 13- oder l4jährige nochmals "Tanzstunde", und zwar bei August Casorti, einem alten, musikalischen ... Franzosen, der schon die Generation meiner Mutter m derselben edlen Kunst unterrichtet hatte. Die Stunden fanden statt am Altenwall 6, in den schönen Räumen des Knoopschen, später Gildemeisterschen Hauses ... C. war ein Original, Junggeselle, neckte uns gern mit den zu unserer Stunde zugelassenen gleichaltrigen Jungens (von ihm "Maikäfer" genannt). Ich mußte des öfteren wegen meines kurzen Halses von ihm hören: "Mata, Mata, wenn ick ätte dein Als, ick war lange gegangen in der Wesär." Wenn ich heute an mein damaliges Tanzkleid denke: dunkelbraun, Wolle mit roten Streifen, garniert mit dickem braunen Plüschkragen und gleichen Manschetten, so überkommt mich lebhafte Sehnsucht nach einem kühlen Weserbad ... Am Ende der Tanzstunden machte ich mit Henrich einen Abtanz- oder Kinderball für "Fifi" und "Ebi" Nebelthau in ihrem elterlichen Hause, Kohlhökerstraße mit, im weißen Waschkleid mit großer roter Schleife im offenen Haar.
Schon in den Kinderjahren lief ich Schlittschuh, zuerst auf dem Schott- und Ostertors-, später auch auf dem Bischofstorgraben. Der als der feinste" galt. Die Bahn war nicht durch Steine u.a. beschädigt, die Jahr für Jahr von Schulkindern darauf geworfen wurden. Doch es gab häßliche Rillen, die einen leicht zu Fall brachten, ebenso wie die Keten von wilden "Butjers" auf Schnellläufern nach Schulschluß, der Schrecken aller sittsamen kleinen Mädchen. Ein besonderes Malheur erlebte ich beim Nachhauseweg mit Henny Warneken, als ich plötzlich von der Treppe am Hohenpfad mit einem Bein in einem durch Wasser gefülltes Loch versank und trotz größter Eile zu Hause in steifgefrorener Kleidung anlangte. Die Folge war Erkältung, acht Tage Schulversäumnis und Tadel, weil ich Henny W. - warum eigentlich? - auf die Seele gebunden hatte, nichts von meinem kalten Bad zu sagen. - Besser lief es sich später auf dem Hollersee im Bürgerpark, wo es sogar Abends; Fackel-Beleuchtung, Musik und heißes Eierbier gab. Ich bin nie eine besonders gute Läuferin, auch nicht hervorragend sicher gewesen, doch habe ich andererseits Ausdauer gehab: und so meine Gefährten wenigstens nicht gestört. Auch war ich kein Spielverderber, wenn man auf dem Rückweg bei Mutter Murken in Lilienthal oder in Kuhsiel einkehrte, um sich mit einem heißen Trunk für das letzte Stück zu stärken. Damals sah man gelegentlichsuf der weiten, weißem Fläche die Gebrüder Willy und Henrich Focke mit ihrem Eissegel, von denen Henrich sich später als Flugzeug-Konstrukteur und Erfinder des Hubschraubers einen Namen gemacht hat.
Als neueste "Leibesübung" kam im Frühjahr 1897 Radfahren. Nur wenige weibliche Wesen in Bremen hatten sich daran gewagt, darunter Anna Hagens und Tante Aline v. Kapff, die anfangs von jedem entgegenkommenden Fuhrwerk ihren "Kaisersprung" machte , d.h. vom Sattel nach vorn herunterhüpfte und dann", mit beiden Füßen über dem Rad auf dem Boden stehend, wartete, bis die Gefahr- vorüber war. Sie machte aber doch trotz ihrer rund 55 Jahre und der erwähnten Unsicherheit Ausflüge mit dem Richterehepaar Funk und Frau Senator Schacht. [...]
1897 kamen nur noch Räder in der jetzt üblichen Form in Frage, über meinen Wunsch zu radeln, stellten sich Bedenken bei Papa engegen, wegen zu gewissen Zeiten auftretender Unterleibsschmerzen.. Da griff nach ärztlicher Befragung... Mamas mütterliche amerikanische Freundin... wieder mal als gute Fee in mein Leben ein und schenkte mir ein "österreichisches Waffenrad", sogar mit einem Christie Sattel, dessen Federn die Stöße beim Fahren mildern sollten. Wer war glücklicher als ich! Ich ertrug es selbst, daß Papa bei unseren Begegnungen mißbilligend zur Seite sah... doch schon nach kurzer:- Zeit hatte er sich so weit mit dem Radfahren ausgesöhnt, daß er o- Lottie und Helene je ein deutsches Rad schenkte und uns niemals Schwierigkeiten machte, wenn wir Ausflüge machen wollten, sondern sie sogar gütig erleichterter t...] Um als Radler zugelassen zu werden, mußte man 1897 eine Prüfung" dergestalt ablegen, daß man vor den Augen eines Sachverveständigen auf- und absteigen und als Schlußeffekt um die am Rande des Hollersees stehenden Bäume mittlerer Dicke eine "Acht" fahren mußte Als mir dies gelungen, auch eine dunkelblaue Stoffhose und einn dito Rock von der Hausschneiderin angefertigt war, reiste ich owohlgemut zum l. Mai mitsamt dem Rade zu meinem üblichen dreimonatigen italienischen Kursus nach Jena ab. [...] In dem langen Zeitraum meines Radfahrens war amüsant der Wechsel in der Kleidung: Während anfangs eine Stoffhose und ein besonderer Kleiderrock, weit und mit der Möglichkeit, ihn so zu befestigen , daß er nicht hochfliegen konnte und die Beine sichtbar werden ließ, getragen wurden, wurde bei zunehmender Benutzung auf Berufswegen von einer besonderen Kostümierung abgesehen, und in den knappen Jahren nach dem ersten Weltkrieg und später zeigten sich die Beine der weiblichen Radlerinnen bis zu den Knien p über diese hinauf, ganz unbekümmert.
Meta wurde zunächst Kindergärtnerin. Nach dem Tode ihrer Mutter mußte sie jedoch ihre Ausbildung abbrechen und den Haushalt ihres Vaters führen. 1897 - nach einer kurzen Berufspraxis als Sprachlehrerin - wurde sie zur Geschäftsführerin der Auskunftsstelle für Wohltätigkeit. Meta Henriette Sattler wirkte bis zu ihrem Tode maßgeblich in vielen sozialen Organisationen mit, besonders engagierte sie sich für die Auskunftsstelle für Wohltätigkeit, deren stellvertretende Vorsitzende sie war.

Literatur und Quellen:
Meta Henriette Sattler - Lebenserinnerungen, S.1ff.: entnommen König, Johann Günther: Kinner mit'n Willen kriegt was auf vör de Billen - Bremer Kindheiten, Bremen 1998, S. 110-115, Original: Focke-Museum Bremen


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