Bremer Frauen an der Heimatfront 1914-1918 Die Ausstellung wurde anlässlich des Gedenkens an den Beginn des Ersten Weltkriegs vom Bremer Frauenmuseum entwickelt und wurde an verschiedenen Orten mit großer Resonanz gezeigt. Texte: E.Laudowicz,R.Meyer-Braun

Heimatfront
Der Begriff "Heimatfront" wurde zu Beginn des 1.Weltkrieges von der deutschen Propaganda eingeführt. Die Frauen in der Heimat sollten sich verpflichtet fühlen, ihren Beitrag zum Kampf zu leisten. Die Damen vom Roten Kreuz verstanden das: "Unsere Männer und Söhne kämpfen draußen auf dem Felde und auf dem Meere Schulter an Schulter. Wir Frauen wollen das Gleiche in der Heimat tun", hieß es in einem Aufruf des Zentralen Hilfsausschusses vom Roten Kreuz(ZHA) in Bremen. Mobilmachung betraf nicht nur die einrückenden Krieger, sondern auch die Hausfrauen. Deren "Mobilmachung für die Kriegszeit im besonderen" lag dem Bremer Hausfrauenverein am Herzen, der durch spezielle Kochkurse und Kriegsrezepte dazu beitragen wollte. Durch vielfältiger Appelle an die Opferbereitschaft der Frauen sollte ein Gefühl der Kriegsgemeinschaft zwischen Front und Heimat entstehen.

Zentral-Hilfsausschuss vom Roten Kreuz
Der ZHA setzte sich das Ziel "Hilfe für die Brüder im Felde und ihre Angehörigen" bereit zu stellen. Der Nationale Frauen Dienst wurde in Bremen jedoch nicht gegründet, sondern die bürgerlichen Frauenorganisationen wie auch die sozialdemokratischen Frauen stellten sich ohne einen solchen Zusammenschluss dem ZHA zur Verfügung. Sie arbeiteten in allen Abteilungen auch in Leitungsfunktionen mit und sorgten mit ihrer Arbeit dafür, dass das Leben an der "Heimatfront" unter den schwierigen Bedingungen verbessert, die durchreisenden Soldaten beköstigt, die Frontsoldaten mit Kleidung und Lesestoff versehen und die Verwundeten gepflegt wurden.

Frauen im Büro des ZHA,
Staatsarchiv Bremen

Der Frauenstadtbund

Der 1910 gegründete Frauenstadtbund fungierte während des Krieges vor allem als organisierende Kraft. Er bot aber auch zahlreiche Vorträge in verschiedenen Stadtteilen zur "Ernährung während es Krieges" an und rief zu Sammlungen auf. 1915 beteiligten sich die in im zusammenge schlossenen Organisation die "Rolandnagelung"mit patriotischen Sinnsprüchen zu eröffnen.

Frauen- Erwerbs- und Ausbildungsverein
Der FEV hatte bei Kriegsbeginn über 20 Abteilungen, davon vier Schulen und fünf gemeinnützige Einrichtungen. Vom Roten Kreuz wurden im Haus des FEV in der Pelzerstraße eine Kleiderkammer und eine Nähstube eingerichtet, in der Kleidungsstücke geändert und für einen geringen Preis verkauft wurden. Die kriegsbedingte Ausweitung der sozialen Arbeit, in die viele Frauen ohne entsprechende Erfahrungen eingezogen wurden, erforderte eine fundierte Ausbildung. 1917 eröffnete der Verein die Frauendienstschule.In Kooperation mit dem Zentralen Hilfsausschuss fand in der Pelzerstraße im September 1916 eine Ausstellung statt, die zeigte, wie angesichts knapper werdender Obstbestände aus Wildfrüchten und Fallobst Gelees und Säfte hergestellt werden konnten. Die in der Schule entwickelten Rezepte für die Kriegskost wurden regelmäßig in den Tageszeitungen veröffentlicht. Als die Kohleknappheit 1917 zur Senkung des Feuerungsverbrauchs zwang, organisierte der Verein in Zusammenarbeit mit dem Hilfsausschuss Propaganda-Veranstaltungen für die Verbreitung von Kochkisten. In der vereinseigenen Garküche wurde eine Lehrwerkstatt und eine Verkaufsstelle für die Kochkisten eingerichtet In dieser Zeit leite Lucie Lindhorn den Verein, der 1917 sein 50jähriges Bestehen feierte.


Anzeige für Kurse 1914
Der Bremer Mäßigkeitsverein
Der Verein entstand im Jahr 1891 auf Initiative Ottilie Hofmanns Dem Bremer Mäßigkeitsverein und der deutschen Ortsgruppe des Bundes abstinenter Frauen wurde aufgetragen, die Beschaffung von Mahlzeiten und Speiseanstalten für unversorgt gebliebene Frauen und Kinder in den Stadtteilen zu organisieren. Die im Besitz des Vereins befindlichen Häuser wurden für die Volksbeköstigung genutzt. Der Verein konnte noch 15 Küchen anderer Vereine für diese Aufgabe gewinnen. Außerdem oblag ihm die Kontrolle von Speise-, Brot- und Milchkarten. (1915 wurden Brotmarken eingeführt). Im ersten Kriegsjahr wurden 970.360, im gesamten Krieg annähern 9 Millionen Mahlzeiten ausgegeben. Sein Hauptziel war der Kampf gegen den Alkoholmissbrauch.


Strickstube, wie sie auch vom Verein betrieben wurde, StAB

Bremer Bund für Mutterschutz und Sexualreform
Am 11.11.1909 wurde die Ortsgruppe Bremen des Bundes für Mutterschutz und Sexualreform gegründet. Zu den Gründerinnen gehörten u.a. Adele Schmitz, Auguste Kirchhoff, Minna Bahnson und Rita Bardenheuer. Alle drei arbeiteten auch aktiv in leitenden Positionen in den verschiedenen Ausschüssen des Zentralausschuss vom Roten Kreuz mit. Die Auskunftsstelle des Vereins für Mütter, die schon 1909 eingerichtet worden war, wurde aufgrund der schwierigen Situation aufgrund geringeren Einkommens und ungeklärter rechtlicher Situationen von vielen ratsuchenden Frauen aufgesucht. Durch die Einberufung der Männer und der damit verbundenen Reduzierung ihres Einkommens wussten viele Frauen nicht, wie sie die Kosten für eine Entbindung zahlen sollten. 1914 kamen 453, 1915 schon 530 Frauen jeweils zwei- oder dreimal. Bis 1918 wurde die Auskunftsstelle von mehr als 4.099 Frauen in Anspruch genommenzialdemokraten gehörte, mit Möbeln aus ehemals von Russen bewohnten Häusern einrichteten. Nach ihrer Rückkehr sammelte die Ortsgruppe weitere Gelder für Soldatenheime.
er Verein setzte jedoch auch seine politischen Aktivitäten fort. Er teilte die allgemeine Kriegseuphorie nicht und kritisierte in seinem Jahresbericht 1917, das weiterhin "Menschen und Kulturwerte vernichtet"....und dass der Krieg das "höchste Ideal, das Muttergefühl grausam mit Füßen" trete. td>

Rita Bardenheuer

Der "Vaterländische Frauenverein"
Der Verein wurde 1866 durch die preußische Königin Augusta gegründet und von ihr sowie ihrer Nachfolgerin, der Kaiserin Auguste Viktoria, protegiert. In Bremen entstand 1870/71 ein Zweigverein.
Er sammelte für die Kriegsanleihen und für Lebensmittelspenden für Soldaten. 1917 richtete er in den von der deutschen Armee eroberten Gebieten Soldatenheime ein. Sonny von Engelbrechten und Toni Papendiek fuhren als Vertreterin des Vaterländischen Frauenvereins nach Riga, wo sie das von den Soldaten beschlagnahmte Haus, das den lettischen Sozialdemokraten gehörte, mit Möbeln aus ehemals von Russen bewohnten Häusern einrichteten. Nach ihrer Rückkehr sammelte die Ortsgruppe weitere Gelder für Soldatenheime.


Plakat von Magda Koll

Mitarbeit der Bremer Sozialdemokratinnen im Zentralen Hilfsausschuss vom Roten Kreuz"
Das Umschwenken der SPD-Führung von der Antikriegshaltung der großen Versammlungen noch am 28. Juli 1914 - in Bremen wie im ganzen Reich - zur Bewilligung der Kriegskredite am 4. August durch die SPD-Reichstagsfraktion machte auch vielen Bremer Sozialdemokratinnen zu schaffen. Trotz Kritik an dieser Politik waren sie aber bereit, ihren Beitrag an der Heimatfront, das hieß in der Kriegsfürsorge, zu leisten. Obgleich die Zusammenarbeit mit den verschiedenen "vaterländisch" eingestellten Frauenvereinen im Zentralen Hilfsausschuss vom Roten Kreuz allgemein unter SPD-Mitgliedern umstritten war, machten Bremer Genossinnen mit, weil sie gerade die Unterstützung der notleidenden Arbeiterfamilien für ihre Pflicht hielten; "denn die bürgerlichen Damen gefallen sich gar zu gern in der Rolle des herablassenden Wohltäters" (Luise Zietz). Die Bremer Sozialdemokratin Hanne Harder beschreibt ihre Tätigkeit so: "… bin ich aber auch ehrenamtliche Jugendpflegerin, Leiterin der hauswirtschaftlichen Beratungsstelle, Leiterin der Kochkistenzentrale, Vorstandsmitglied des Bundes für Mutterschutz …"


Hanne Harder
"Ich hätte so gern Mehl, Fett und Butter"
An bedürftige Familien wurden verbilligte Lebensmittel abgegeben, dennoch reichte die staatliche Unterstützung für Kriegerfrauen und deren Kinder immer weniger aus. Sie konnten sich mit Berechtigungsausweis Speisereste aus Kasernen abholen. Hagebutten statt Beeren nehmen für Marmelade, Obstkerne sammeln zur Gewinnung von Öl, Küchenabfälle verwerten. Es wurden Kriegskochkurse angeboten, Spezialrezepte in der Presse veröffentlicht, öffentliche Vorträge unter Titeln wie "Krieg und Küche" gehalten.




Kartoffelpflanzaktion im Industriehafen

"Gebt mir für meine Kinder Brot" - Lebensmittelkrawalle und Proteste
Je länger der Krieg dauerte, desto mehr verschlechterte sich die Versorgungslage der Bevölkerung. In langen Warteschlangen - im Volksmund "Polonäsen" genannt - mussten Frauen und auch Kinder stundenlang anstehen, um ein Stück Fleisch, Schmalz oder Brot zu ergattern. Wenn das Angebot nicht für alle reichte, zogen viele mit leeren Händen ab. Die Empörung über diese miserablen Zustände machte sich in Schimpfen und Drohungen Luft. Auch vor gelegentlichen Plünderungen schreckten die Menschen nicht mehr zurück. Am 16. April 1916 forderten vor der Brotmarkenausgabestelle Elisabethstraße in Walle etwa 400 Frauen und Jugendliche zusätzliche Brotmarken. Sie wurden von der Polizei gewaltsam auseinandergetrieben. Voller Wut schrie eine Frau die Polizisten an: "Gebt mir für meine Kinder Brot, hier bleibe ich stehen und gehe keinen Schritt weiter." Und als der verbale Protest nichts nutzte, stürmten etwa 100 Frauen und Kinder in einen Bäckerladen in der Utbremer Straße, aus dem sie nur mit Gewalt herausgeholt werden konnten."




Lebensmittelknappheit und Lebensmittelwucher
Die Versorgung mit Lebensmitteln war während des Ersten Weltkrieges im gesamten Reich katastrophal. Hauptgrund neben mangelnder Vorsorge war die britische Handelsblockade. Schon in den ersten Tagen kam es auch in Bremen zu Panikkäufen. Das führte sofort zu Preiserhöhungen. "Lebensmittelwucher ist verabscheuungswürdiger als Geldwucher, zumal in Kriegszeiten", schalt der Konsumverein "Vorwärts". Obwohl die Lebensmittelkommission Höchstpreise für Grundnahrungsmittel festsetzte, erhöhten sich die Lebensmittelkosten zwischen 1914 und 1918 dennoch um das Dreifache Regulierung der Verteilung der immer knapper werdenden Waren wurden ab August 1915 Lebensmittelmarken eingeführt.. Wohlhabende Kreise konnten die Preise immer noch bezahlen und sich knappe Waren auf dem Schwarzmarkt besorgen. Die Schlangen vor den Geschäften wurden immer länger, die Verbitterung weiter Kreise besonders über die Ungerechtigkeit der Verteilung stieg. "Die Reichen haben alles eingekauft, und wir Armen müssen hungern und frieren", hieß es in einer Eingabe an den Senat. Über "schamlose Bereicherung mancher" und "gewissenloses Spekulantentum" wurde geklagt.




Käuferschlange


"In besonderem Maß besteht die Verpflichtung zur Arbeit für Kriegerfrauen"
Auch wenn Frauen anders als nicht eingezogene Männer zum Dienst in Landwirtschaft, Verwaltung und Industrie gesetzlich nicht verpflichtet waren, so wurde doch erheblicher Druck auf sie ausgeübt. So hieß es in dem Aufruf an die Bremerinnen, sich zum städtischen Gemüsebau zu melden, unmissverständlich: "In besonderem Maß besteht die Verpflichtung zur Arbeit für Kriegerfrauen und andere Angehörige von Kriegsteilnehmern, die Unterstützung beziehen." Für den Fall, dass Frauen sich weigerten, eine Arbeit aufzunehmen, obgleich sie dazu in der Lage waren, wurde sogar mit Entzug der staatlichen Unterstützung gedroht. Dabei bezog man sich auf einen Erlass des Reichskanzlers von Mitte Februar 1917. Darin hieß es: "Ein solches Verhalten kann in den jetzigen Zeiten, wo es im Interesse des wirtschaftlichen Durchhaltens auf jede einzelne Arbeitskraft ankommt, nicht gebilligt werden". Verweigerte Frauen eine Arbeitsaufnahme bedürften sie offenbar "dann auch nicht der Familienunterstützung zum Durchkommen". Frauen produzierten Granaten an Drehbänken, arbeiteten an Bohr- und Schleifmaschinen, verluden Erze und schleppten Säcke auf der Norddeutschen Hütte in Oslebshausen.


Frauen in der Rüstungsindustrie


"Wir Frauen.. ..protestieren gegen den Wahnsinn und die Greuel des Krieges"
Die Einbindung der Frauenverbände in die soziale Hilfsarbeit führte jedoch nicht bei allen Organisationen zur Aufgabe ihrer politischen Forderungen, die sie schon vor Kriegsbeginn artikuliert hatten. Obwohl jegliche Äußerungen gegen den Krieg vehementen Attacken und auch politischer Zensur ausgesetzt waren, ließen sich einige Frauen nicht von ihrem Engagement gegen den Krieg und für gleiche Rechte von Frauen abhalten. Als 1915 ein Internationaler Frauenfriedenskongress vom 28. bis 30. April in Den Haag geplant wurde, erklärte der Vorstand des Bundes Deutscher Frauenvereine eine Beteiligung für unvereinbar mit der vaterländischen Gesinnung und der nationalen Verpflichtung der deutschen Frauenbewegung. Auguste Kirchhoff und Adele Schmitz ließen sich davon nicht beirren und reisten nach Den Haag zum Kongress, wohin mehr als 1100 Frauen aus 12 Ländern unter schwierigsten Bedingungen angereist waren. In der Abschlusserklärung heißt es: "Wir Frauen... protestieren gegen den Wahnsinn und die Greuel des Krieges, der nutzlos Menschenopfer fordert und vielhundertjährige Kulturarbeit der Menschheit zerstört."


Auguste Kirchhoff (StaB)