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Baronesse Freda Meta Helene Betsy Anrep

14.12.1901 Homeln (Omuli), Livland - 4. 9.1990 Bremen


"Freda Helene wurde auf Gut Homeln/Kreis Walk (Livland im Baltikum) geboren. Ihre Eltern waren der Rittergutsbesitzer Max von Anrep und Hedwig Isalie Lucie Erika Freiin von Grothuss."1 Sie hatte zwei Schwestern (Dina Fanny Anna u. Dagmar Hedwig und einen Bruder Helmich Konrad."Sie wurde 1908 zunächst auf dem elterlichen Gut von Privatlehrern unterrichtet und besuchte danach die Mädchen-Oberschule in Dorpat. Als Folge der russischen Revolution musste die Familie 1919 nach Deutschland fliehen.
Nach Beendigung der Schulzeit in Berlin begann Freda hier eine Ausbildung zur staatlich geprüften Säuglingspflegerin, die sie 1921 mit der Note "Sehr gut" abschloss. Um das Berufsfeld zu erweitern, folgte 1922 bis 1924 am Rote-Kreuz-Krankenhaus in Schwerin die Ausbildung zur allgemeinen Krankenschwester, ebenfalls endend mit der Examensnote "Sehr gut".
Im Frühjahr 1923 wurde sie Mitglied der DRK-Schwesternschaft Marienmutterhaus in Schwerin und arbeitete bis 1920 im Schweriner Krankenhaus, zuletzt als Oberschwester auf der chirurgischen Privatstation. Sie entschloss sich beim Norddeutschen Lloyd als Schiffskrankenschwester zu bewerben. Der Norddeutsche Lloyd hatte für drei Schiffe mit der Willehad-Schwesternschaft in Bremen (heute Bremische Schwesternschaft vom Roten Kreuz) einen Vertrag geschlossen, für diese Schiff die Schwestern zu stellen. Anfang Juli 1930 konnte sie ihre erste Reise von Bremerhaven aus auf der Columbus antreten. "Ausgerechnet auf dieser ersten Fahrt lernte Freda den Atlantik von seiner schlimmsten Seite kennen. Ich wurde so seekrank, gestand sie viele Jahre später in einem Zeitungsartikel, daß ich beschloss, wenn ich zurückkomme, bitte ich sofort Frau Oberin, sie solle mich wieder an Land einsetzen. Aber daraus wurde nichts. Die Sehnsucht, Menschen aus aller Herren Länder und andere Kontinente kennen zu lernen, war doch wohl stärker, und schon gehörte die Schiffsschwester Freda zur Gilde der seefesten "Fahrensmänner"2:"Bereits nach wenigen Fahrten stand fest, dass der Lloyd eine gute Wahl mit Schwester Freda getroffen hatte. Voll des Lobes über ihre Arbeit bestätigte Mr. Raisman Anfang Oktober 1930 der Reederei-Niederlassung in New York "the very fine and tender treatment my wife received from the ships nurse Fräulein Frieda [sic!] von Anrep, on bord the SS COLUMBUS on its trip which ended on Sept. 13. My wife was very ill and Fräulein von Anrep did everything to make her comfortable, much more so than any nurse my wife had ever had."3
In den Jahren 1934 bis 1936 war sie auf der größeren BREMEN eingesetzt wurde und es erschienen sogar drei Artikel über sie in verschiedenen Zeitungen. Anfang 1936 kehrte Freda von Anrep auf die Columbus zurück. Das Schiff war im Liniendienst zwischen Bremerhaven und New York eingesetzt. Seine letzte Reise trat das Schiff 1939 mit 575 Besatzungsmitgliedern an und nahm in New York 184 Passagiere an um mit ihnen in die Karibik zu fahren. Ende August wurde Kapitän Dähne durch ein verschlüsseltes Telegramm informiert, dass der Dampfer dem Oberkommando der Kriegsmarine unterstellt worden sei. Damit waren die Besatzungsmitglieder zu Soldaten geworden. Sie mussten die Passagiere auf schnellstem Wege ausbooten, was in Cuba geschah und sie sollten sich sofort nach Norwegen begeben. Für die lange Fahrt war aber nicht genügend Heizöl und Proviant an Bord. So begann eine abenteuerlich Fahrt durch den Golf von Mexiko, bis sie schließlich in Vera Cruz festmachen durften und dort das Gewünschte erhielten und einige Besatzungsmitglieder das Schiff verließen. Freda von Anrep schrieb an die Oberin in Bremen: "Wir liegen draußen auf Reede, sehen die Stadt von weitem. Vorläufig aber darf niemand von Bord…die Stimmung ist begreiflicherweise sehr gedrückt. Manche sagen, dass mit der Zeit Ärzte und Schwestern ausgetauscht werden, aber niemand weiß etwas Genaues…Leider habe ich kein graues Schwesternkleid mit, denn für weiße Sachen gibt es nicht genug Wasser und Seife.4

Im November berichtete sie in einem weiteren Brief über die prekäre Situation an Bord: "Nun sind wir schon ¼ Jahr hier, 2 Stunden vor Vera Cruz, denn die Columbus ist zu groß, um in den Hafen hineinzugehen und vor dem Hafen kann er wegen der zu dieser Jahreszeit herrschenden Stürme nicht liegen.Das Postboot fährt dreimal die Woche und ab und zu gibt es Urlaub…..
Wie nun unser Leben verläuft? Sehr, sehr anders als vorher natürlich, aber auch ohne Patienten kann eine DRK-Schwester sich nützlich machen. Ich kann wohl sagen, dass diese drei Monate für mich besser als irgendeine Haushaltsschule gewesen sind. Denn seitdem unsere Chinesen in der Wäscherei streiken, muß jeder seine Wäsche selbst waschen und bügeln, und das ist für viele Männer nicht ganz leicht. Trotzdem stehen auch unsere Ärzte mit mir zusammen am Waschfass, worin wir mit Regenwasser, welches wir auf Deck sammeln, unsere Wäsche waschen. Auch nähen, flicken, stopfen muss man für viele, und für mich selbst habe ich sogar ein Kleid genäht. Es geht eben alles, wenn man muss.
Arbeiten ist das einzige, was einen vom Grübeln abhält. Ist man zusammen. dreht sich alles um die eine Frage: Wann werden wir wieder zu Hause sein? Es gibt natürlich viele Schwierigkeiten, an die man nie gedacht hat, die sich aber bei einer Internierung von 600 Menschen ohne nennenswerte Arbeit ergeben. Viel echte Kameradschaft findet man oft, wo man sie nicht vermutet hat, aber auch vieles wenig Schöne tritt zu Tage. Es heißt eben durchhalten." .
Sie erhielt Post von der Frau des deutschen Handelsattachés - einer Bremerin.
Erst Anfang Dezember konnte Kapitän Dähne so viel Treibstoff einkaufen, dass die Weiterfahrt möglich war. Er hielt aber die Überfahrt zu riskant und schlug vor, dass Schiff zu verkaufen, erhielt jedoch die Order im Falle einer Kollision mit dem Feind das Schiff so schnell wie möglich zu evakuieren und es anschließend zu versenken, denn in die Hände des Feindes darf der Stolz des Norddeutschen Lloyd auf keinen Fall gelangen. Für einen solchen Fall musste alles vorbereitet werden. Der Schiffsname wurde entfernt, die Aufbauten grau gestrichen, ein Notfallplan ausgearbeitet und häufig geprobt. Ein Trupp von Maschinisten und Ingenieuren war dafür verantwortlich, auf den Befehl "Schiff versenken" die Seeventile zu öffnen. Ein weiteres Kommando hat die Aufgabe, die Columbus in Brand zu setzen. "Ehe wir losfuhren, wurden die Frauen gefragt(Unter den 640 Männern an Bord waren 12 Frauen.), ob sie mitwollten (ich nicht, da der Kapitän es bei mir als selbstverständlich annahm).
Am 14. Dezember fuhren wir los, grau angestrichen ohne Licht. Wir schliefen in Kleidern, rechts die Schwimmweste, links eine zusam-mengerollte Decke. Es war ein genauer Wachdienst ausgearbeitet worden. Im C-Deck schliefen nur noch die Ingenieure, der Arzt der Heilgehilfe und ich, alle übrigen auf Matratzen auf dem Bootsdeck"6 Die Passage durch die Florida Straße gelang, doch am 19. Dezember ereilt sie das Schicksal, nachmittags nähert sich der englische britische Zerstörer Hyperion:" Als ich auf dem Bootsdeck ankomme, stehen an meinem Boot schon alle. Ich sehe ein Schiff kommen und frage leise:ist das ein Engländer?‚ich glaube ja' antwortet man mir….Da dröhnt ein Kanonenschuss, und nun weiß ich es: Es ist ein Engländer. Alles einsteigen! Nur ruhig bleiben, denke ich."7.

Beim Verlassen der Columbus

Kaum hatten sie das Schiff verlassen, stiegen dort schon große Flammen auf - auf Befehl in Brand gesetzt vom Feuerstoßtrupp der eigenen Mannschaft. Der amerikanische Kreuzer Tuscaloosa, der sie die ganze Strecke über begleitet hatte, nahm sie auf und brachte sie nach New York auf die Einwandererinsel Ellis Island, wo die Frauen getrennt von den Männern untergebracht wurden. Sie musste dort vier Wochen bleiben und mehrere Verhöre über sich ergehen lassen. "Über diese Zeit auf Ellis Island möchte ich nicht viel sagen, es war die schwerste Zeit des letzten halben Jahres, und wir haben aufgeatmet, als es hieß Deutschland zahlt unsere Rückreise."8 Nachdem es zunächst geheißen hatte, sie müssten über San Francisco-Japan-Sibirien reisen, konnte sie den Dampfer "Rex" besteigen, der sie nach Genua brachte, von wo sie nach Bremen reiste. Sie hatte durch die Ereignisse ihren ganzen Besitz verloren, hatte aber den Bericht des Kapitäns Dähne über die Ereignisse , der sie ihr in der Annahme mitgegeben hatte, dass eine Frau weniger kontrolliert wird, unversehrt mitbringen können. Sie selbst verfasste auf Veranlassung ihrer Vorgesetzten ein Jahr später einen Bericht, für den sie vermutlich auch eigene Aufzeichnungen noch aus Vera Cruz verwendete, denn Ereignisse werden detailliert geschildert. .


Nach ihrer Rückkehr wurde sie an verschiedenen Orten und auf Lazarettschiffen zur Betreuung Verwundeter eingesetzt, darunter auch auf der Wilhelm Gustloff, die sie aber vier Wochen vor ihrer Versenkung verließ, weil sie in ein Marine-Lazarett nach Frederikshavn in Dänemark geschickt wurde, wo sie bis Kriegsende blieb. Ihr Wunsch noch einmal Schwester auf einem großen Schiff zu sein, wurde 1951 wahr: Zunächst fuhr sie unter ausländischer Flagge unter Mitwirkung des Norddeutschen Lloyd auf Auswandererschiffen nach Kanada und Australien, 1954, als es deutschen Schiffen wieder möglich war, unter eigener Flagge zu fahren, war sie auf der Gripsholm(ab 1955 Berlin) im Liniendienst zwischen Bremerhaven und New York eingesetzt. 1958 lernte sie auf einer Reise Theodor Heuss kennen, der mit einem Besatzungsmitglied sprechen wollte. Er war von ihr so beeindruckt, dass er sich für eine Ehrung einsetzte und sie erhielt 1959 das Ehrenzeichen des Deutschen Roten Kreuzes, die ihr auf der Bremen nach ihrer Rückkehr aus New York verliehen wurde. Sie fuhr noch bis 1967 auf der Europa im Liniendienst. .
Ihre letzten Lebensjahre verbrachte sie in Bremen. Sie wurde auf dem Huckelrieder Friedhof begraben.


Anmerkungen:
1.https://www.geni.com/people/Freda-Helene-von-Anrep/6000000017624122653
2.Juchter, Friedrich: S.199
3.ebda. S.199
4.ebda, S.205
5.ebda. S.207, aus einem Brief, den sie an ihre Oberin am 20.11.1939 schrieb
6.ebda. S.210
7.ebda. S.225
Literatur und Quellen: Juchter Friedrich: Langsam sinkt das Schiff, Die letzte Fahrt der Columbus 1939, Nach Aufzeichnungen der Schiffsschwester Freda von Anrep, Sonderdruck aus Jahrbuch der Männer vom Morgenstern Bd. 84 (2005) Bremerhaven 2006 Autorin: Edith Laudowicz