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Inge Breidbach,geb. Becker

7.6.1928 Hamburg - 11.11.2014 Bremen

Inge Becker war die Tochter des Anstreichers Otto Becker und seiner Frau Ida, geb. Ludwig, die 1924 geheiratet hatten. Da ihr Vater 1932 in Bremen eine Stelle als Schaufensterdekorateur erhielt, zog die Familie nach Bremen, wo sie in Oberneuland am Weißdornpfad ein Grundstück kaufen konnten. Ihr Vater baute dort ein Haus. In dieser damals noch sehr ländlichen Gegend wuchs sie auf. 1935 wurde sie in der Dorfschule Oberneuland eingeschult, später besuchte sie die Volksschule Oberneuland. Während des 2.Weltkriegs wurde ihre Schule - wie viele andere in Bremen auch - geschlossen und die Schülerinnen wurden im Rahmen der Kinderlandverschickung in von Bomben weniger bedrohte Landesteile geschickt. Sie erlebte insgesamt drei Verschickungen: 1941 ging es nach Dittigheim, wo sie auf einem Bauernhof wohnte, 1945 nach Füssen-Faulenbach, wenig später nach Appen an der deutsch-dänischen Grenze. Sie kehrte noch vor Kriegsende zurück und besuchte die Haushaltsschule des Frauen-Erwerbs- und Ausbildungsvereins (FEAV) in der Pelzerstr. Allerdings wurde der Unterricht wegen Bombenalarms mehrfach unterbrochen.
1945 arbeitete sie zunächst beim Arbeitsamt in der Registrierung arbeitsloser Jugendlicher. 1946 wurde sie Mitglied der KPD und der Gewerkschaft ÖTV. Auf einem Bildungsabend der KPD lernte sie 1947 Herbert Breidbach kennen, der während der Kriegsgefangenschaft in der Sowjetunion durch die Antifa-Schulung Kommunist geworden war. 1948 wurden sie ein Paar und verlobten sich im Dezember 1949. Inge zog zu Herbert und seiner Familie. Er war hauptamtlich bei der KPD angestellt und in dieser Zeit mit der Vorbereitung des Deutschlandtreffens der Jugend und Studenten Pfingsten 19501 beschäftigt. Zu dieser Zeit hatte bereits der
Kalte Krieg begonnen und es war " immer schwieriger geworden, in die DDR zu reisen. So werden die Bremer Jugendlichen in vier Gruppen eingeteilt und … über die Grenze geschleust."2 Sie zogen dicht an der Grenze die Notbremse des Zuges und liefen über Stoppelfelder in die DDR."3
1951 heirateten Inge und Herbert B. Ein Jahr später konnten sie in das wiederhergestellte Haus der Eltern Herberts in der Hermannstraße 88 einziehen. Inge nahm 1953 ein halbes Jahr an einer Schulung in der DDR teil, er blieb sogar ein ganzes Jahr. Im Mai 1954 wurde ihr Sohn Michael geboren. Sie gab ihre Tätigkeit beim Arbeitsamt auf, er war weiterhin als Instrukteur bei der KPD beschäftigt. Es kursierten Gerüchte über ein Verbot der KPD. Allerdings gab es in Bremen keine Verhaftungen wie schon in anderen Teilen der Bundesrepublik. Mit dem Verbot der KPD am 17.8.1956 wurde die Situation der Familie schwierig. Inge war schwanger (ihr Sohn Peter wurde am 12.12.1956 geboren), die politische Arbeit musste nun illegal fortgeführt werden, legale Materialien konnten jedoch noch bis 1959 verteilt werden, da es in der Bürgerschaft noch vier Abgeordnete der KPD als Unabhängige Sozialisten gab. "Das Bundesverfassungsgericht hatte nämlich bei dem Verbot die Frage, wie man mit den noch bestehenden Mandaten umgehen sollte, keine Stellung bezogen. Dies führte in Bremen zu einer bundesweit einmaligen Entwicklung." Die Bürgerschaft beschloss, die Frage des Verbleibs der KPD-Mitglieder durch den Staatsgerichthof klären zu lassen, dieser beschloss, dass Wilhelm Meyer-Buer, Heinrich Dittrich, Hermann Gautier und Maria Krüger nur ihre Sitze im Landtag verloren, nicht aber in der Stadtbürgerschaft. Dies und ihre zahlreichen Kontakte zu Sozialdemokraten führten dazu, dass die Verfolgung in Bremen nicht so vehement war wie in anderen Bundesländern. Um den Lebensunterhalt der Familie zu sichern, arbeitete Herbert B. kurzzeitig in der illegalen Leitung der KPD, danach in verschiedenen Betrieben als Bauzeichner, ging dann aber 1961 zur Parteihochschule nach Moskau. Sie musste sich nun allein um die beiden Kinder kümmern, einmal besuchte sie ihn in Moskau. Während der Zeit des Verbots hielt sie Kontakt zu den KPD-Mitgliedern im Stadtteil. Sie beteiligte sich auch an der Vorbereitung der Volksbefragung gegen die atomare Aufrüstung. Diese verbot das Bundesverfassungsgericht am 30. Juli 1958 als verfassungswidrig.
Ab 1968 war sie Elternsprecherin an der Schule Kornstraße und später Mitglied im Zentralen Elternbeirat und im Ausschuss für Realschulen.
1968 wurden Inge B. und ihr Mann Mitglied der neugegründeten DKP, in der Herbert 1969 Bezirksvorsitzender wurde. 1975 traf die Familie ein schwerer Schlag: ihr Sohn Peter kam bei einem Motorradunfall ums Leben.
Sie engagierte sich neben ihrer politischen Arbeit in der Gruppe Buntentor der DKP vor allem in kommunalpolitischen Fragen. Sie war aktiv in der Bürgerinitiative gegen den Fluglärm und wurde 1979 zur Kassenführerin des Vereins gewählt. Auch engagierte sie sich in der Initiative zur Umbenennung der Langemarckstraße. Regen Anteil nahm sie an den Beiratssitzungen Neustadt und setzte sich dafür ein, dass die Anfragen der Bürger nicht erst am Schluss der Sitzungen behandelt wurden. 1986 setzte sie sich gemeinsam mit Pastor Gerlach von der Zionsgemeinde für die Aufstellung eines Gedenksteins für die Opfer des Luftangriffes im Juni 1943 in den Neustadtswallanlagen ein. Wenngleich die Politik in ihrem Leben eine zentrale Bedeutung einnahm, so ging das Ehepaar auch seinen kulturellen Interessen nach. Sie liebten das Theater und besuchten Konzerte und Ausstellungen.
Ab Anfang der 70er Jahre kam es im Zusammenhang mit dem atomaren Unfall in Tschernobyl innerhalb der DKP zu Auseinandersetzungen über den durch die Parteiführung mitgetragenen Vertuschungskurs der sowjetischen Regierung. Aber auch die kritiklose Haltung der Parteiführung zur DDR-Regierung und der rigorose Zentralismus führten zu immer größerer Kritik innerhalb der DKP. Es kam zu harten Konfrontationen in vielen politischen Fragen. Die Kritiker wurden von Inge und Herbert Breidbach hart bekämpft. 1989 wurde im Rahmen einer Landesmitgliederversammlung der Antrag gestellt, die DKP-Bremen aufzulösen. Inge und Herbert waren dagegen. Nach dieser Versammlung traten viele Mitglieder aus der DKP aus, Inge und Herbert B. blieben jedoch noch bis 2002 Mitglieder.
Auch nach ihrem Austritt aus der DKP blieb sie politisch aktiv. Sie setzte sich für eine Gedenktafel für die aus der Neustadt stammenden ermordeten Juden in der Nähe des Centaurenbrunnens ein, da dieser in der Nazizeit ein Sammelplatz für die Juden, die deportiert wurden, gewesen war.
2007 sammelte sie Unterschriften für ein Verbot der NPD und auch in dem VVN - Bund der Antifaschisten engagierte sie sich. Sie führte in der Neustadt antifaschistische Stadtrundgänge durch, wobei sie auch über die Opfer sprach, die durch des NS-Regime ermordet wurden, an die die "Stolpersteine" erinnern. An den Sitzungen des Beirats Neustadt nahm sie als sachkundige Bürgerin regelmäßig teil. Als es um die Straßenbenennung auf dem Stadtwerder ging, schlug sie eine Reihe von Frauennamen vor, der Beirat jedoch beschloss, statt Namen alte Ortsbezeichnung zu nehmen.
Sie setzte sich für Spielmöglichkeiten der Kinder ihrer Nachbarn ein. Kurz vor ihrem Tod berichtete sie im Plenum des Bremer Aktionsbündnisses "Menschenrecht auf Wohnen" über die zunehmenden "Mietsteigerungen, Umwandlung in Eigentumswohnungen, die auch immer teurer werden und zur Verdrängung der alt eingesessenen Einwohnerinnen führen, weil viele sich diese Miet- und Baupreise nicht mehr leisten können."5 Noch am Morgen ihres Todes sammelte sie Unterschriften, um zu erreichen, dass der Leerstand von zwei Häusern in ihrer Straße beendet wird.
Angesichts ihres Engagements war es nicht verwunderlich, dass zu ihrer Beerdigung mehr als 200 Menschen aus sehr unterschiedlichen gesellschaftlichen Kreisen ihr die letzte Ehre erwiesen. Der Stadtteilbeirat würdigte sie auf der ersten Sitzung nach ihrem Tod.

Literatur und Quellen:
Barloschky, Joachim: Trauerrede; Zum Tod von Inge Breidbach, Abschied am 17.11.2014 in der Kapelle des Huckelrieder Friedhofs
Bönner-Zollenkopf, Marlies: Die Breidbachs, Bremen 2012
Bunke, Hendrike: Die KPD in Bremen 1945, Bremen 1968
http://www.weserreporter.de/artikelid1300_erinnerung-lebendig-halten.html, Zugriff 23.11.2013
Protokoll der öffentlichen Sitzung Nr. 46/11 - 15 des Beirates Neustadt am Donnerstag , den 20.11.2014
Weser-Kurier: 24.12.2009, 20.9.2012, 22.2.2010, 20.11.2014
Autorin: Edith Laudowicz