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Elsa Deppe,geb. Rüdiger
225.12. 1911 - 31.1.2007


Elsas Eltern Otto Rüdiger(12.12.1891-28.3.1963) und ihre Mutter Dorothee, geb. Schreiber (23.6.1891-29.12.1984)waren Mitglieder der SPD und ihre Tochter half schon im Alter von sieben und acht Jahren ihrem Vater beim Verteilen von Einladungen für Parteiversammlungen. "Es war oft schon dunkel. Man konnte fast immer so in die unverschlossenen Häuser kommen.
Ich weiß noch, wie toll ich es fand, als mein Vater (Hauseigentümer) eine Glocke an die Haustür machte, die bei jedem Öffnen schellte. Dann aber erst das Abschließen der Haustür und die Drehklingel mit dem Schild 'Unten l x oben 2 x klingeln.' Das war eine große Neuigkeit. Für uns Kinder eher ärgerlich, da wir nicht mehr so nach Belieben ein- und ausgehen konnten. Als Kind einen eigenen Hausschlüssel? Daran dachte man nicht einmal. Heimlich ließ man die Haustür oft 'vorstehen'. Das gab dann aber meistens Arger mit Mutter. Man vor überhaupt immer von irgend jemand gesehen oder gehört worden, wenn man mal nicht ganz den Ge- und Verboten der Erwachsenen entsprach. Die Mütter kannten sich untereinander mehr oder weniger. Sie halfen sich in der Not. Die Väter ebenso, und besonders die Handwerker mit Werkzeug oder Ratschlägen oder auch mit tatkräftiger Hilfe"1

Schulzeit in der Versuchsschule

Wandbild in der Schule und Zeichnung von Elsa Deppe-Feuer

Elsa besuchte von 1920 - 1926 die Versuchsschule Helgolander Straße. Nachdem 1919 der Bremer Senat beschlossen hatte, die Einheitsschule anzustreben, stellten 18 Lehrer einen Antrag bei der Schulbehörde, eine derartige Schule gründen zu dürfen, Das pädagogische Konzept beinhaltete, anstelle eines Frontalunterrichts mit Frage und Anwort sollte das freie Lehrgespräch eingeführt werden," an die Stelle des referierenden Vortrags des Lehrers sollte die künstlerische Gestaltung, die erst den Kindern den Unterrichtsstoff zum Erlebnis werden lässt, und an die Stelle der nach wissenschaftlichen , aber oft sehr unkindlichen Gesichtspunkten aufgebauten Stofffolge in der Schule soll bei uns vorwiegend das in der Klasse erwachte Interesse den Fortgang des Unterrichts bestimmen. Vor allem aber möchten wir durch die Schulung der produktiven Kräfte im Kinde unsere Schule vor Aufgaben stellen, die vielseitiger als bisher üblich und auch möglich war - alle in der Klasse sich zeigenden besonderen anlagen pflegen. Das Leitungsprinzip der Schule sollte die kollektive Leitung sein, jedoch nicht alle Lehrer stimmten diesem Prinzip zu. Die Schule an der Helgolander (später Schleswiger Straße) war die erste Schule dieser Art nicht nur in Bremen, sondern in ganz Deutschland."
Dass Elsa nach Beendigung ihrer Schulzeit noch weiterhin der Gruppe Schuljugend ihrer vormaligen Schule angehörte und als Rezitatorin auf Sitzungen der SPD Frauengruppen- und SPD trat auftrat, ist sicher diesem Schulkonzept geschuldet.

Wohnen im Arbeiterviertel

Ihre Familie lebte in einem genossenschaftlichen Wohnblock, der nicht besonders komfortabel war, denn es gab kein Badezimmer. Elsa beschrieb später die deshalb nötigen "Waschrituale"2
"Es war ein Glück, daß in der Schule eine Badegelegenheit war. Da ging es dann in einem bestimmten Zeit-Turnus geschlossen unter die großen Duschen. Zu Hause? Die Badewanne? Eine große Zinkwanne kam in die Küche. Dann wurde ein Kind nach dem anderen reingerufen vom Spiel, in die Wanne und abgeseift. Danach ging es gleich ins Bett. Die kleine Wäsche war: ein Handtuch aufs "Leckbrett" (Abstellfläche für das gespülte Geschirr neben dem Spülbecken) und draufsetzen. Die Füße in die Schüssel im Gossenstein. So wurde man, so gut es ging, abgewaschen. Ganz groß war das Baden in der Waschküche, wenn große Wäsche war. Der Kälte wegen war das aber nur im Sommer möglich." Gespielt wurde im Freien, da die häuslichen Verhältnisse gar nichts anderes zuließen."2

Freizeit


"Im Freien spielten wir vor allem auf der 'Pferdestraße'. Wir wohnten in einer kleinen Nebenstraße mit 2-Familienhäusern. Da kam ganz selten ein Fuhrwerk durch. An bestimmten Tagen der Bäcker mit Pferd und Wagen. So war das Spielen für uns gefahrlos. Da gab es dann 'Kriegsspiele' in allen Variationen: Mit 'Hinken', mit 'Rei- henlaufen', mit 'Hilfe' usw. Das Versteckspielen möglichst, wenn es schummerte. Das Ballspiel: Probeball entweder gegen eine Wand oder frei. Sehr bewundert wurde das Spiel mit 2 und 3 Bällen (jonglieren). Beliebt war das 'Der, die, das-Ballspiel' oder das \'Namensspiel'. Das 'Hinke Pinke'-Hüpf spiel mit kleinen Scherben oder sogar mit einer kleinen Kette. Dann die Singspiele: 'Wir fahren heut nach Holland', 'Mutter, Mutter, wie viel Schritte darf ich?', 'Plumpsack geht um'. Es gehörte uns die ganze Straße und es waren selten Anwohner, die uns das streitig machten. Für das 'Hinke Pinke'-Spiel wußte man, bei welchem Haus man besser kei-ne Zahlen aufs Trottoir schrieb. Tauspringen, allein mit Springtau, oder quer über die 5:Straße mit einem Tau oder mit zwei Tauen . Murmelspiel. Auch auf der Fahrstraße. zwischen dem Kopfsteinpflaster hatte man seinen ganz bestimmten 'Pott', mit dem man sich Glück erhoffte. Die Achterstraße längs der Bahnlinie war ein großer Gras-und Sandstreifen. Dahin ging es mit Puppenwagen zum 'Mutter und Kind'- Spiel und 'Wohnungen bauen' in den Sandkuhlen.
Im Haus wurde man natürlich sehr dazu angehalten: 'Seid ruhig.' Da galt es dann, am Kuchentisch zu spielen (sofern Mutter den Tisch nicht brauchte bei der Arbeit). Die 'Oblaten-Spiele'. Mit 'Ziehbuch', 'Tauschen' und 'Abklatschen'. Die Ankleidepuppen Dafür wurde neue Garderobe selbst entworfen, angemalt und ausgeschnitten. Die Mädchen spielten natürlich mit ihren Puppen. Puppenbetten aus Schuhkartons. Es -wurde sehr viel improvisiert. Zigarrenkisten eines bestimmten Formats waren sehr ;
begehrt, um in kleine Herde umgemalt zu werden. Ich entsinne mich, daß ich zeitweise ganz gern auch am Tisch Bilder legte, aus den kleinen Holznägeln, die mein Vater' beim Schuhbesohlen (in der Küche) verarbeitete."

Der Konsum


Selbstverständlich für viele Arbeiterhaushalte war das Einkaufen im Konsum, so auch bei Deppes: "Es war ja auch der Konsum der arbeitenden Bevölkerung. Die Mitglieder kannten sich untereinander und man kannte die Verkäufer und Verkäuferinnen und den Lagerleiter.
der im Konsum ausgegeben. Es gab dort ja auch Feuerung zu kaufen, oder verschiedene Textilien. Da wir ja auch Fleisch und Brot ausschließlich im Konsum kauften, war das Abbacken von Kuchen beim Bäcker nicht gut möglich. So brachten wird dann unseren Klabenteig stets bis zur Holsteiner Straße, wo die Konsumbäckerei war. Zur Wäschemangel ('Rolle') ging man auch zum Konsum. Die Rolle stand im Flur und man konnte sich den Schlüssel beim Lagerleiter erbitten."

Ausbildung

Dass sie einmal eine Ausbildung machen würde, das war ihr klar. Ein Berufsleben wie ihre Mutter, die als Hausmädchen von früh bis spät gearbeitet hatte, wollte sie auf keinen Fall. Aus den Gesprächen ihre Eltern über den beruflichen Alltag nahm sie ihre spätere Ausbidlung mit, dass man sich unbedingt gewerkschaftlich organisieren müsse. Nach Ende der Schulzeit machte sie eine Ausbildung zur Kinderpflegerin und war von 1928 bis 1934 in diesem Beruf tätig. 1931 trat sie in die SAP ein. Sie gehörte auch dem Arbeitersportverein an.
Sie heiratete 1933 Friedrich (gen.Fritz) Deppe und das Paar bekam zwei Töchter: Anne und Suse und einen Sohn.1945 trat sie in die SPD ein, auch ihr Mann war Mitglied der SPD und zog nach dem Krieg in die erste Bürgerschaft ein. Die Familie hatte enge Kontakte zu Hans Koschnik und Annemarie Mevissen. 1951 rezitierte sie anlässlich der Feier der SPD Frauen zum 40. Jahrestag des Internationalen Frauentages im oberen Rathaussaal.
1950 besuchte das Ehepaar eine Heimerzieherschule und sie zogen 1954 nach Borgfeld auf das Gelände der Hans Wendt-Stiftung, wo zwei sog. Pflegenester auf Anregung Annemarie Mevissens eingerichtet wurden.Ihre eigenen Kinder wurden gemeinsam mit zehn Pflegekindern erzogen. Diese Pflegenester existierten bis 1967. 1957 und 1958 gehörte siedem Ortsbeirat Borgfeld an.Aus Protest gegen die Zustimmung der SPD zur Stationierung atomarer Waffen 1958 trat sie aus der SPD aus. Zuletzt wohnten sie in der Helgolander Straße.Im Jahr 2005 starb ihr Mann, sie selbst zwei Jahre später und wurde auf dem Waller Friedhof begraben.



Quelle:Bremer Arbeiterbewegung 1918 - 1045 Troz alledem, Bremen,Katalog zur gleichnamigen Ausstellung, Berlin 1983, S. 126-132
Weser-Kurier4.11.2008, 16.2.2012
Weinsheimer, Lilo:Erst randaliert, und dann der Schwester Schlaflied gesungen - "Pflegenester" mit quicklebendigem Familienleben,Weser-Kurier 28.5.55 Bildquellen:farbige Bilder: Schulmuseum Bremen
schwarz-weisse Bilder: Arbeiterbewegung
Autorin: Edith Laudowicz