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Martha Goldberg, geb.Sussmann
4.8.1873 in Schwerin -. 10.11.1938 in Bremen-Lesum

 

Martha war die Tochter des angesehenen Kaufmanns Adolph Sussmann (geb.1828) und seiner Ehefrau Bertha, geborene Ahrens (1928-vor 1900). Sie hatte zwei Brüder (Julius und Leopold).1895 heiratete sie in Schwerin den in Soltau geborenen Arzt Adolph Goldberg (auch Adolf Goldberg, 1860-1938) und zog zu ihm nach Bremen in die Gemeinde Lesum. Das Ehepaar bekam drei Kinder: Gertrud Alice (geb. 1897) und die Zwillinge Käthe und Kurt (1899), die in Lesum eine unbeschwerte Kindheit erlebten. Das Ehepaar beschäftigte Haus- und Kindermädchen, und die Kinder erhielten Hausunterricht. Die Familie war in Lesum sehr anerkannt."Ihrer patriotischen Gesinnung folgend, unterschrieb Martha Goldberg im 1. Weltkrieg die Spendenaufrufe des "Flottenbundes Deutscher Frauen für Vegesack und Kreis Blumenthal".
In Bremen Burgdamm betrieb ihr Mann seit 1888 eine Arztpraxis. Er war als Geburtshelfer sehr anerkannt. 1918 war ihm der Titel "Sanitätsrat" verliehen worden. Schon um die Jahrhundertwende engagierte er sich für verarmte kinderreiche Familien. Sie unterstützte ihren Mann in der Praxis als Sprechstundenhilfe, Sekretärin und Buchhalterin. Häufig begleitete sie ihn bei Krankenbesuchen. Wie ihr Mann kümmerte auch sie sich um Bedürftige - überwiegend Arbeiter der Wollkämmerei und Wollwäscherei und ihre Familien. Sie bereitete zu Hause warme Speisen vor, die zu armen Patienten gebracht wurden. Als ihre Tochter Gertrud älter wurde, unterstützte sie ihre Mutter dabei. Während der Zeit der Weimarer Republik - insbesondere in der Zeit der Massenarbeitslosigkeit setzte die Familie ihre Unterstützung bedürftige Familien fort.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wirkte sich die antijüdischen Hetze gegen sie aus: Immer weniger Patienten suchten aus Angst vor den Nazis die Praxis auf. Ihre Tochter Gertrud Alice, die Krankenschwester geworden war, wanderte mit ihrem Ehemann Hans Friedmann nach Uruguay aus. 1937 emigrierte ihre Tochter Käthe nach Südafrika, Die Eltern folgten ihren Töchtern nicht, sie fühlten sich nicht gefährdet. 1938 wurde ihrem Mann die Approbation entzogen und er musste die Arztpraxis schließen. Das Ehepaar zog sich mehr und mehr zurück.
Als am 9.11.1938 die SA in ganz Deutschland Synagogen anzündete, jüdische Männer verhaftete und viele Frauen und Männer ermordete. Auf Befehl des Lesumer SA-Führers machte sich "gegen 5.00 Uhr morgens … Trupp auf zu der … Gemeinde Burgdamm - sieben SA-Manner aus Lesum im durchaus fortgeschrittenen Alter zwischen 38 und 59 Jahren, auf Befehl ihrer wesentlich jüngeren SA-Vorgesetzten. Unterwegs in der Dunkelheit wurde gemunkelt, der in der Bremerhavener Heerstrase wohnende Sanitatsrat Dr. Goldberg solle im Rahmen einer "Judenaktion" erschossen werden. Drei Mann verschafften sich schliesslich durch Klingeln und Klopfen Einlass, da die Mitbewohnerin an einen Notfall für den Arzt dachten und die Eindringlinge auch wie befohlen in Zivil erschienen waren.
Als die Eheleute im Nachtzeug an der Schlafzimmertür erschienen, ging der Anführer zurück auf die Strasse und befahl die vier anderen SA-Leute ins Haus. Während diese sich in der Wohnung aufstellten, begaben sich die anderen drei ins Schlafzimmer des Ehepaares. Hier schoss einer - 53 Jahre alt und von Beruf Schiffsingenieur - ohne weitere Worte auf den Arzt, der hilflos dastand, streifte aber nur sein Bein. "Da zeigte der alte Mann auf sein Herz und forderte den Schützen auf, dorthin zu schiessen. Der tat das, und Dr.Goldberg fiel tot zu Boden. Auch Frau Goldberg sagte noch: .Wenn Sie schon schiessen, dann schiessen Sie richtig', bevor sie von gleicher Hand wie ihr Mann getötet wurde."1
Nach Kriegsende wurde 1948 gegen Köster und Frühling u.a. ein Prozess geführt, in dem Köster zu lebenslanger Haft, Röschmann zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt wurden. Kösters Strafe wurde in einer Revisionsverhandlung auf 15 Jahre reduziert und er konnte schon 1953 das Gefängnis vorzeitig entlassen, ebenso profitierte der Mörder Fritz Röschmann von der Milde der Richter: Er wurde nur zu vier Jahren Gefängnis verurteilt, da das Gericht in der Tat das Mordmerkmal "Überlegung" (heute: Vorsatz) nicht erkennen konnte. Auf dem Mahnmal am Landherrenamt wird an sie und drei weitere Ermordete des Nationalsozialismus erinnert.
Im Bremer Stadtteil Burglesum ist ein Platz mit einem Gedenkstein als "Goldberg-Platz" benannt.
An der Bremerhavener Heerstraße 18, wo das Wohnhaus mit der Arztpraxis stand, liegen zwei "Stolpersteine".
Das Kindertagesheim der jüdischen Gemeinde im Bremer Stadtteil Schwachhausen trägt den Namen Martha Goldberg.



Literatur und Quellen:
Anmerkung 1:Bruss, Regina:Die Bremer Juden unter dem Nationalsozialismus,Bremen, 1983,Staats- und Universitätsbibliothek Bremen Digitale Sammlungen
Der Senator für Justiz und Verfassung der Freien Hansestadt Bremen (Hg.):"Reichskristsallnacht" in Bremen, Bremen 1988
Aly,Götz (Hrsg.): Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden, München 2009
Lührs, Wilhelm: Das Pogrom vom 9./10.November 1938, Bremen 1988, S.56,58.
Rübsam,Rolf: Sie lebten unter uns, Bremen 1988
Drechsel,Wiltrud Ulrike/Röpcke, Andreas Hrsg:"Denacification" Zur Entnazifizierung in Bremen, Bremen, S.119-132.


Autorin: Edith Laudowicz