Biografien|

 
 

 



UrsulaKerstein,geb. Fascher
4.2.1931 Bremen - 10.11.2013 Bremen


Ursula Fascher war eines von fünf Kindern aus der Ehe des kaufmännischen Angestellten Friedrich Fascher und der Musikpädagogin Edith, geb. Borm. Sie besuchte die Waldorfschule, an der ihre Mutter als Pianistin und Lehrerin für Eurythmie tätig war. Danach studierte sie Sozialpädagogik."Nach meiner Schul- und Ausbildung war ich zehn Jahre in Einrichtungen von Waldorfschulen."1 Sie war in erster Ehe mit dem Lehrer Kurt Lampe verheiratet mit dem sie einen Sohn hatte. Das Paar trennte sich jedoch und sie heiratete den Architekten Thomas Kerstein. In dieser Ehe wurde eine Tochter geboren.

erste politische Aktivitäten

"Nachdem mein Mann Thomas und ich in den Schnoor gezogen waren, trat ich der SPD bei (1966), um im Ortsverein Altstadt mitarbeiten zu können an Themen, die mich beschäftigten. Dann begann der klassische Marsch durch die Institutionen, und ich hatte viele spannende Arbeitsfelder."2

Sie engagierte sich in der Initiative gegen das Kernkraftwerk Unterweser in Esensham. "Das war harte Arbeit, die aber nicht den gewünschten Erfolg brachte. Esenshamm und andere Atomkraftwerke wurden gebaut und die Gefahren der radioaktiven Verseuchung allseits verdrängt."3 1973 engagierte sie sich in der Bürgerintiative gegen die geplante sogenannte "Mozarttrasse" durch das Bremer Viertel, ein Vorhaben, das den Charakter des Viertels völlig zerstört hätte. Vorgesehen war eine Schneise vom Rembertiring durch das Ostertor in Höhe Mozartstraße. Die Straße sollte von dort weiter über eine neue Weserbrücke zum Buntentor verlaufen. Um die Modernität der Stadt noch zu betonen, war vorgesehen, dass Hochhäuser mit über 20 Stockwerken die Strecke säumen. 2009 erhielt der Arbeitskreis Ostertorsanierung die "Bremer Auszeichnung für Baukultur". Mit diesem Preis ehrten der Bremer Senator für Umwelt, Bau, Verkehr und Europa und das Bremer Zentrum für Baukultur Bürger, "die sich durch ihr Engagement für das historische Stadtbild, für die städtebauliche und baukünstlerische Entwicklung und für die Vermittlung baukünstlerischer Werte - insbesondere in Bremen - verdient gemacht haben". Unter den 13 geehrten Persönlichkeiten waren Ursel Kerstein und ihr Ehemann Thomas Kerstein.
Sie engagierte sich im Viertel auch für Spielmöglichkeiten für Kinder: Das Gelände gegenüber vom Theater am Goetheplatz, am Rande der Wallanlagen, fanden sie und ihre Parteifreunde ideal für die Gründung eines Abenteuerspielplatzes, denn so einer sollte es werden. 'Wir hatten mit großen Widerständen seitens der CDU zu kämpfen, schließlich ging es um die geheiligten Wallanlagen', erinnert sich Ursel Kerstein."3 Mit ihrem Mann schaute sie sich in Berlin nach geeigneten Vorbildern um und schauten sich verschiedene Abenteuerspielplätze an.Mit Unterstützung des Gartenbauamtes und dank ihrer guten Kontakte zu den Behörden, wurde der Spielplatz Robinsönchen 1971 gegründet.


Abgeordnete der Bürgerschaft


Vom 13. Oktober 1975 bis zum 31. Dezember 1981 war sie SPD-Abgeordnete in der Bremischen Bürgerschaft und war in den Deputationen für Sozialhilfe, für Rechtspflege und Strafvollzug und für Umweltschutz aktiv. Sie engagierte sich auch gegen den Bau des Atomkraftwerks Esensham. 1976 arbeitete sie zunächst als Sozialarbeiterin Vereins "Bremische Straffälligenbetreuung" und wurde 1982 dessen Geschäftsführerin. Der Verein hatte das Ziel straffällig gewordenen eine schnelle und unbürokratischen Hilfe für Hilfe zu gewähren und Haftentlassene und deren Angehörige zu unterstützen." Sie war der Meinung, dass Strafe die Menschen nicht wesentlich ändere, sondern, man müsse die Lebensverhältnisse der Menschen ändern. Dies war auch ihr Anliegen bei ihrer Tätigkeit im Amtsgericht als Schöffin. Ab 1982 gehörte sie dem Vorstand dieses Vereins an und nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt der Landesfrauenbeauftragten war 1994 war sie dessen Vorsitzende. All diese Tätigkeiten "waren nur dank meines Mannes Thomas möglich, denn wir haben einen Rollentausch gemacht und er hat Kinder und Haushalt versorgt "4

Engagement für Frauen


1981 wurde Ursel Kerstein zur ersten Landesbeauftragten für Frauen gewählt, am 1.Januar 1982 begann sie ihre Arbeit." In einem Interview schildert sie die Anfänge der Arbeit: "Zunächst habe ich Räume gesucht und im ehemaligen amerikanischen Konsulat am Kennedyplatz gefunden. Dann habe ich Stellen für Mitarbeiterinnen ausgeschrieben und ausgewählt. Meine Sorge, es würde sich niemand an die Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau wenden, war unbegründet. Es ging sofort richtig los mit Anfragen und Fällen. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir beispielsweise eine Firma, die eine Ausschreibung machte, wobei der Erstplatzierte eine Frau zum Saubermachen gewinnen konnte. Oder dass nur die beschäftigten Männer bei der Bremer Straßenbahn Freikarten für die Ehefrauen bekamen und bei den Stadtwerken heimlich bei Einstellungen Schwangerschaftstests gemacht wurden."5


1981 wurde Ursel Kerstein zur ersten Landesbeauftragten für Frauen gewählt, am 1.Januar 1982 begann sie ihre Arbeit. In einem Interview schildert sie die Anfänge der Arbeit: "Zunächst habe ich Räume gesucht und im ehemaligen amerikanischen Konsulat am Kennedyplatz gefunden. Dann habe ich Stellen für Mitarbeiterinnen ausgeschrieben und ausgewählt. Meine Sorge, es würde sich niemand an die Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau wenden, war unbegründet. Es ging sofort richtig los mit Anfragen und Fällen. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir beispielsweise eine Firma, die eine Ausschreibung machte, wobei der Erstplatzierte eine Frau zum Saubermachen gewinnen konnte. Oder dass nur die beschäftigten Männer bei der Bremer Straßenbahn Freikarten für die Ehefrauen bekamen und bei den Stadtwerken heimlich bei Einstellungen Schwangerschaftstests gemacht wurden."6 Im Unterschied zu anderen Bundesländern war und ist die bremische Zentralstelle für die Gleichberechtigung der Frau" nicht eine untergeordnete Behörde. Ursel Kerstein setzte durch, dass die ZGF damals direkt bei der Senatskanzlei angesiedelt war, sie nahm an den Sitzungen des Bremer Senats beratend teil. Eine Studie der ZGF zur "Gewalt gegen Frauen" führte zur Einführung eines Sonderdezernats bei der bremischen Staatsanwaltschaft. In ihre Amtszeit wurde am 20. November 1990 das Landesgleichstellungsgesetzes verabschiedet, das verpflichtend Frauenförderpläne vorschreibt und bei Ausschreibungen für den öffentlichen Dienst vorsieht, dass Frauen vorrangig zu berücksichtigen sind, wenn sie die gleiche Qualifikation aufweisen wie Männer.
Sie trug dazu, das Beschäftigungsverbot für Frauen bei der Polizei zu aufzuheben und setzte durch, dass Frauen auf dem Bau arbeiten können. Das Argument, dass es für sie keine Umkleidemöglichkeiten gäbe, ließ sie nicht gelten und sorgte für Abhilfe. Eine kritische Analyse von Rollenbildern in Schulbüchern - Fritzchen hämmert, Anna zählt Kleidungsstücke - kam ebenso aus ihrem Haus wie der Impuls für die Mädchen-Aktionstage, den späteren "Girls' Day".7

Anlässlich Ihres Todes würdigte Bürgermeister Jens Böhrnsen sie: "Mich hat die Nachricht vom plötzlichen Tod dieser großartigen Frau sehr betroffen. Wir verlieren mit Ursula Kerstein eine gradlinige, ebenso kämpferische wie unbeugsame Politikerin und eine beeindruckende Persönlichkeit, die sich bis zuletzt in den Dienst der Menschen stellte. Unvergessen ist nicht nur ihr Engagement im Kampf gegen die Mozarttrasse, sondern auch ihr mutiges und wegweisendes Vorangehen vor nunmehr 30 Jahren, um die Gleichberechtigung der Frau durchzusetzen. Sie war bundesweit die erste Frauenbeauftragte. Ursula Kerstein bleibt uns unvergessen. Wir werden ihr ein ehrendes Andenken bewahren."´


Anmerkungen:
1.WK 24.3.2011
2.ebda
3.Ehl Bastienne : Robinsönchens Eltern. In: Weser-Kurier digital. 4. November 2010, abgerufen am 15. August 2018
4.Interview von Karin Osmers mit Ursel Kerstein: "Atomkraftwerke gehören abgeschaltet", Weser Kurier digital, 24. März 2011, abgerufen am 10. August 2018
5.Ulrike Hauffe über Ursel Kerstein:"Sie sorgte bundesweit für Furore", WK 16.11.2013, abgerufen am 15. August 2018 6.ebda
7.ebda
Quellen: Gestorben: Ursula Kerstein. In: Der Spiegel Nr. 47/2013. 18. November 2013, S. 159 Monika Felsing: Das Erbe der Mozarttrasse. In: Weser-Kurier digital. 8. März 2012, abgerufen am 15. August 2018.
Pressemitteilung. Bremer Zentrum für Baukultur, abgerufen am 15. August 2018.
Gesetz über die Errichtung der Bremischen Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau. In: Brem.GBl. 1980. 30. Dezember 1980, S. 399, abgerufen am 15. August 2017.
Errichtung der Bremischen Zentralstelle zur Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau; hier: Vorschlag des Senats an die Bürgerschaft (Landtag) zur Wahl der Landesbeauftragten. In: Plenarprotokoll 10/51. Bremische Bürgerschaft (Landtag), 9. Dezember 1981, S. 3902–3915, abgerufen am 15. August 2017 (PDF; 5,5 MB).
Gesetz zur Gleichstellung von Frau und Mann im öffentlichen Dienst des Landes Bremen (Landesgleichstellungsgesetz). In: Brem.GBl. 1990. 29. November 1990, S. 433, abgerufen am 15. August 2018. Pressestelle des Senats: Bremische Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau,"Großes geleistet": Landesfrauenbeauftragte Ulrike Hauffe zum Tod von Ursel Kerstein 12.11.2013
Renate Meyer-Braun: Ursula Kerstein, Historisches-Kalenderblatt-der-spd-land-bremen.de
Begrüßungsrede Ursel Kerstein - Verein Bremische Straffaelligenhilfe,23.11.2012
Auf einen Espresso" mit Ursel Kerstein vom Bremer Verein für Straffälligenhilfe,Interrview von Ilka Lankowski, Kreiszeitung Syke 15.02.2013 Nachruf Ursula Kerstein:Veröffentlicht in Nordse-Zeitung am 13. November 2013
Autorin:Edith Laudowicz