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Annemarie Mevissen,

24.10.1927 Bremen - 3.7.2006 Bremen


Annemarie Mevissen war die war die Tochter des Bäckers Wilhelm und Gesine Schmidt, geb.Tiedemann. Nach dem Besuch der Volksschule wechselte sie zur Deutschen Oberschule für Mädchen an die Karlsraße.
"Schon 1933 wollte die damals Achtzehnjährige in die SPD eintreten und notfalls, nach dem zu erwartenden Verbot der Partei, illegal weiterarbeiten. Ihr Vater, Wilhelm Schmidt, verfügte über eine 50jährige politische Erfahrung und sah deutlich, wozu die Nazis fähig sein würden. Er hinderte seine Tochter an einem sinnlosen Opfer.

Ehefrau und Mutter und Abgeordnete

Nach Kriegsende knüpfte die junge Ehefrau und Mutter wieder an ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Sozialistischen Arbeiterjugend an. Die der SPD nahestehenden "Kinderfreunde" wurden zu ihrem Hauptwirkungskreis. Wilhelm Schmidt führte Annemarie und Werner Mevissen außerdem in den "Ristedter Kreis" ein. Dieser war eine informell arbeitende Gruppe von Sozialdemokraten in Führungspositionen der bremischen Verwaltung, die starken Einfluss auf die Konzeption des Wiederaufbaus hatten.
So bedurfte Annemarie Mevissen keiner Parteifunktion, um sich für ein öffentliches Mandat zu profilieren. Ihre Fähigkeiten waren den Nachkriegsgründern der Bremer SPD bekannt, sie war seit 1946 SPD-Mitglied und bekam 1947 einen sicheren Platz auf der Kandidatenliste für die erste - nach Inkrafttreten der neuen Landesverfassung - zu wählende Bürgerschaft. Aus der erfolgreichen Abgeordnetentätigkeit ergab sich dann fast zwangsläufig 1951 ihre Wahl in den Senat. .

Annemarie Mevissen und Hans Koschnik

Umzug nach Oberneuland

Durch den Umzug der Familie Mevissen von Oberneuland in die Hamburger Straße wurden Annemarie und ich Mitglieder des gleichen SPD-Distrikts, nämlich des Distrikts Ostertor. Das mag wohl um 1948 gewesen sein. In meinen Erinnerungen an Distriktsversammlungen und fröhliche Feste fehlt ihr Bild völlig. Umso deutlicher und strahlender ist es präsent beim Erinnern an vorweihnachtliche Feiern des Bezirks: eine attraktive junge Frau, die als Rednerin bildhaft und klar mit angenehmer Stimme sprach und aktuelle Probleme an zeitlosen grundsätzlichen Zielen und Werten zu messen verstand. Oft flossen dabei Erlebnisse aus ihrer Familie in die frei vorgetragenen Gedankengänge ein, und sie erzählte von menschlichen Begegnungen, die sie beeindruckt oder angeregt hatten. .
Wir bewunderten sie und waren stolz darauf, dass sie eine der Unseren war. niemand kam auf die Idee, ihre Worte in Zweifel zu ziehen oder ihre Arbeit zu kritisieren. Die Zeit des Wieder- und Neuaufbaus war nicht die Zeit für eine Demontage des "Establishments". Auch erwartete niemand, dass sie zusätzlich zu Familie und staatlichem Amt an der normalen Parteiarbeit im Distrikt teilnahm. Die Basisarbeit diente damals noch nicht der Befruchtung der Fraktion und des Senats. Sie war eher ein Instrument zur Vermittlung von Regierungs und Parlamentspolitik an die Bevölkerung. .
Von den Jungsozialisten wurde sie gemeinsam mit Hermann Wolters als eine Art "Ehren-Juso" betrachtet. Fast gehörte sie ja während der fünfziger Jahre altersmäßig noch zu uns. Auf jeden Fall aber fühlten wir uns ihr stärker verbunden als den Genossen, die schon vor 1955 in politischen Ämtern waren. Und schließlich wußten wir doch, dass sie in ihrem "Teekreis" ganz bewusst Jüngere zu fordern und fördern versuchte. 1955 zog Familie Mevissen wieder in die Nähe des Elternhauses nach Oberneuland. In der ersten Phase war das Verhältnis von Annemarie Mevissen zu ihrem SPD-Distrikt zwar nur locker aber absolut spannungsfrei. Sie kam lediglich, wenn sie gebraucht wurde. Respekt und Bewunderung waren ihr immer gewiss.
In der zweiten Phase war ihr Einsatz im Ortsverein stärker. Ihr sehr hohes öffentliches Ansehen wurde in Wahlkämpfen und auch sonst so oft wie möglich für die Partei eingesetzt. An den Diskussionen in Mitgliederversammlungen beteiligte sie sich engagiert, denn die Ortsvereine und Delegiertengremien hatten sich angewöhnt, Beschlüsse zur Arbeit von Bürgerschaftsfraktion und Senat zu fassen und deren Beachtung zu erwarten. Also war es für Abgeordnete und Senatoren notwendig, durch Argumente und Informationen auf diese Beschlüsse Einfluß zu nehmen. Die autoritätskritischen Ansätze der nachwachsenden und vom 68er Zeitgeist geprägten Genossinnen und Genossen gefielen Annemarie Mevissen nicht sehr. Umgekehrt mißfiel diesen die Position der Senatorin, auf manchem politischen Feld, so beispielsweise auf dem der Universitätsgründung. .
Es war eine kuriose Situation: Einerseits war der Ortsverein dringend auf die prominente Genossin angewiesen, denn sie war beliebt und populär und wurde es von Jahr zu Jahr mehr. Andererseits sahen viele Genossen, die sich selbst als "Linke" verstanden, sie fast als politische Gegnerin. .
Bei der Nominierung der Kandidaten für die Bürgerschaftswahl 1971 leuchtete ein erstes Alarmsignal auf: 64 an-wesende Mitglieder konnten am 8. Dezember 1970 beliebig viele Namensvorschläge an die Mandatskommission geben, die dann später die Kandidatenliste aufzustellen hatte. Notwendig dafür war lediglich die Zustimmung von mehr als der Hälfte der Anwesenden. Man rechnete mit fünfzig bis sechzig Stimmen für Annemarie Mevissen und an einem sicheren Listenplatz für die Bürgermeisterin gab es sowieso keinen Zweifel. Tatsächlich erhielt sie im Ortsverein nur 57 Stimmen, also nur vier mehr als erforderlich. .
Annemarie Mevissen empfand wohl schon damals, da ja der veränderte Stil innerparteilicher Konfliktbewältigung ihre Freude an den Herausforderungen des Amtes zu ersticken drohte. Eiserne Disziplin verbot ihr aber den Rückzug ins Private. Erst der sechzigste Geburtstag schien ihr nach 25 Senatsjahren als ein geeigneter Zeitpunkt für diesen innerlich längst ersehnten Schritt. Auch diesen ließ sie zunächst verstreichen, weil Hans Koschnick an ihr Pflichtbewußtsein appelliete.Ihren Rücktritt verkündete sie an dem Tag, an welchem die Presse über die Liste der SPD-Kandidaten für die Wahl 1975 berichtete. Ein Zufall?" .
Autor: Fichtner, Otto/Kraul Herbert:Annemarie Mevissen, Ein Porträt zum 80. Geburtstag, Bremen 2004, leicht gekürzt.

Stationen ihres Lebens: .
1928 - 1933 nach der Volksschule Besuch der Oberschule Karlstraße.
1932 gemeinsam mit dem Bruder Hans Mitgliedschaft in der SAJ - Gruppenleiterin.
1934-1936 Umzug der Familie nach Oberneuland, Abitur, Ausbildung als Buchhändlerin, da ihr ein Studium verboten war.
1936-1944 Tätigkeit in Leipzig, Göttingen und Marburg, 1943 Heirat mi Werner Mevissen.
1945 - 1947 Rückkehr nach Bremen, Geburt der Tochter Ulrike, 1947 Mitarbeit im Bremer Frauenausschuss Wahl in die Bürgerschaft, wo sie jüngstes Mitglied ist
1948 - 1951 Geburt des Sohnes Edmund, 19.11.51 Wahl in den Senat, 1949 Wahl in den Rundfunkrat.
1952- 1956 Ernennung zur Jugendsenatorin, 1955 Wiederwahl,1956 Wahl in den Programmbeirat der ARD


Mitglied des Hauptausschuss des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge.
1957-1959 Wahl zur Sportsenatorin - erste deutsche Frau in diesem Amt.

1959-1063 Senatorin für Wohlfahrt, Jugend und Sport.
1965-1971 Wiederwahl und am 28.11.1967 Ernennung zur Bürgermeisterin.
1971-1975 Wiederwahl zur Bürgermeisterin 5.12.71,, 15.02.2975 scheidet aus dem Amt aus und zieht sich aus der Politik zurück.Am 4.1.1978 stirbt ihr Ehemann.
1985 -2006
Nach ihrer politischen Tätigkeit engagiert sie sich im Verein Park Ichon Oberneuland, widmet sie sich nun der Malerei und veröffentlicht zahlreiche Bücher. .
Im Oktober 2005 wurde ihr für ihre Verdienste um Bremen vom Senat die Ehrenbürgerschaft der Freien Hansestadt Bremen verliehen. Im Sommer darauf starb sie im 92.Lebensjahr. Ihr Grab befindet sich auf dem Riensberger Friedhof.

Literatur und Quellen: Fichtner, Otto/Kraul, Herbert (Hrsg.): Annemarie Mevissen, Bremen 1994.
Mevissen, Annemarie: Erlebtes aus der Politik, Bremen 1984.
Meyer-Braun, Renate: Frau Bürgermeister Annemarie Mevissen, Bremen 2011.
StAB 7, 212-1 bis -9, Nachlass Mevissen.
Am 12.11.2014 wurde nach vielen Bemühungen lediglich der Weg Weg vom Staatsarchiv zum Schüsselkorb nach ihr benannt. Alle Bemühungen, eine wichtige Straße nach ihr zu benennen, wurden mit dem Verweis auf mögliche Komplikationen wegen entstehender Kosten für Firmen abgelehnt.