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Käte van Tricht

11.10 1909 Berlin - 13.7.1996 Bremen


Käte van Tricht stammte aus einer kurzen Beziehung ihrer Mutter Meta, geb. Asendorf, die sich nach dem frühen Tod ihres Mannes als Vermieterin durchschlug. 1910 heiratete die Mutter Paul van Tricht aus Gravenhage/Holland, der Käte zwei Jahre später den Namen gab - das jedoch erfuhr sie erst viel später. Sie besuchte von 1916 - 1927 das Lyzeum Janson. Käte van Tricht lernte mit sechs Jahren Klavier spielen und durfte im Alter von acht Jahren im Domchor singen. Aber sie war keine gute Schülerin, sie musste klassische Musik spielen, liebte aber lustige Lieder und Tanzmusik. Um sich das Geld für ihre Ausbildung zu verdienen, begleitete sie Filme und Ballettaufführungen mit Musik. 1927 begann sie eine Ausbildung am Musikseminar in Bremen mit den Fächer Orgeln und Klavier, lernte aber auch Cembalo.

1930 legte sie in Bremen eine staatliche Musiklehrer-Prüfung für Klavier und Orgel ab. Ihre erste Organistinnen-Stelle bekam sie an der Waller Kirche. 1930 wurde sie Continuo-Spielerin des Domkantors Richard Liesche. Käte van Tricht war eine der ersten, die sich als weibliche Organistin emanzipierte. 1933 wurde die Zweite Organistenstelle am St. Petri Dom ausgeschrieben, auf die sich Käte van Tricht erfolgreich bewarb.
1934 fand in Bremen das 26. Deutsche Bachfest statt, bei dem sie eine gefeierte Nachwuchsensation für Cembalo und Orgel war. Um ihre Ausbildung zu vervollkommnen, ging sie 1935 mit einem Stipendium der Bremischen Landeskirche für neun Monate ans Leipziger Konservatorium. Dort erlernte sie bei Karl Straube die für eine Organistin notwendigen Kenntnisse, bei Carl Adolf Martienssen studierte sie Piano und Gesang und bei Fritz Polster. Ihre Prüfungen als Kantorin und Organistin allerdings absolvierte sie in Berlin, weil dort der theoretische Teil in den Prüfungen kleiner war.

Ihre weitere künstlerische Laufbahn wurde durch die politischen Ereignisse schwer beeinträchtigt, denn es stellte sich heraus, dass van Tricht nicht ihrer leiblicher Vater, sondern ihr Namensgeber war. Ihr leiblicher Vater, über den die Mutter nicht gesprochen hatte, war nicht rein "arischer" Abstammung. Damit waren Stellungen, bei denen sie eine "arische" Herkunft nachweisen musste, nicht mehr möglich. Deshalb konnte sie Bremen nicht verlassen und übernahm 1943 zusätzlich Korrepetitionsaufgaben am Bremer Theater bei Fritz Rieger, der ihr auch weiterhin in ihrer schwierigen Situation half. 1944 versuchte Sie als Klavierspielerin für die Tänzerin Gret Palucca in Dresden zu arbeiten, was misslang.Sie wurde mehrmals zur musikalischen Betreuung als Sängerin und Pianistin hinter die Fronten nach Frankreich, Holland, Belgien, Italien, Russland geschickt. Im Rahmen einer solchen Wehrmachtsbetreuung lernte sie ihren späteren Mann kennen. Zweimal wurde sie während des Krieges denunziert, es kam aber aufgrund der Bombenagriffe dann zu keiner weiteren Verfolgung. Einen Versuch, sie als sog. "Halbjüdin" zu Ende des Weltkriegs noch zur Zwangsarbeit einzusetzen, konnte durch die Hilfe Riegers verhindert werden.

"Aus persönlichen und politischen Gründen drängte es mich in den Jahren der Nazi-Herrschaft immer mehr, meine Anstellung als Bremer Domorganistin aufzugeben, um selbständig im freien Beruf Sängerin zu werden. So kam ich als Gesangsschülerin zu Prof. Willy an die Stuttgarter Hochschule,"4 erzählte sie später. Allerdings konnte sie die gewünschte Laufbahn nicht einschlagen, sondern blieb Orgelpianistin.

1948 heiratete sie Wolf Siegert. "Nachdem sie zwei Söhne zur Welt gebracht hatte, begann Käte van Trichts eigentliche Karriere als reisende Organistin, die sie durch Europa und nach Übersee führte. Zahlreiche Rundfunk- und Schallplattenaufnahmen bezeugen ihre künstlerischen Aktivitäten. Sie wandte sich besonders der "symphonischen" Orgelmusik der französischen Schule zu, stand ihr doch eine dafür geeignete Sauer-Orgel im Bremer Dom von Anfang an zur Verfügung. Ihren frühen Ambitionen auf leichtere Musik verwirklichte sie als Lied- und Chanson-Sängerin und im Blumenthaler Stummfilmkino improvisierte sie Filmmusik."4
Ihr letzte Konzert gab sie am 18.Juni 1995. "Es war für mich ein Höhepunkt meines Musikerlebens, da ich am Ende des Orgelabends an einem sehr guten Flügel spielen durfte. Ein langes Leben habe ich gehadert, daß ich immer wieder an der Orgel hängen blieb, da ich doch viel lieber die Theaterlaufbahn oder ein Leben als Pianistin erhofft hatte. Von Geburt an waren meine Hände mit verkürzten Sehnen für einen Erfolg als Pianistin ungeeignet. Eine schwere Jugend und der Kampf ums Überleben in der Nazizeit hatten mir die Kehle zugeschnürt. Ich spürte beim letzten Orgel- und Klavierabend in der Matthäuskirche eine menschliche Verbindung mit den um mich sitzenden Zuhörern, wie ich sie an einem Orgelspieltisch nicht erleben kann"5
1984 wurde Käte van Tricht die Senatsmedaille für Kunst und Wissenschaft verliehen.
"Ich habe viel kämpfen müssen und oft verloren, selten gewonnen - nun darf ich schlafen," hieß es in ihrer Todesanzeige im Juli 1996.



Autorin:Edith Laudowicz


Quellen: Primadonna an der Orgel, Manfred Züghardt, Weser-Kurier 21.10.2009
Erinnerungen, http://www.internationale-orgelkonzerte-stuttgart.de/erinnerungenu.htm
Friedemann Winklhofer: "Nur einmal richtig glücklich sein." Käte van Tricht (1909-1996): Erste deutsche Konzertorganistin und 40 Jahre Domorganistin in Bremen. In: Organ - Journal für die Orgel. 2 (1999), S. 22-28.
1.Meine Bindung an Stuttgart, Bremen 1995, Weser-Kurier 21,9.2009
2.Blum Klaus, Lebenslauf von Käte van Tricht auf der Webseite des Labels Musikproduktion Dabringhaus & Grimm, www.mdg.de/data/artist.php?id=26
3.Züghardt, Manfred: Weser-Kurier, 21.10.2009
4.Blum Klaus, a.a.O.
5. Meine Bindung an...a.a.O.

Diskographie

Johann Sebastian Bach: Orgelwerke, gespielt nach der Ausgabe von Karl Straube (Sauer-Orgel, Dom St. Petri, Bremen). 1 CD. Musikproduktion Dabringhaus & Grimm, 1987.
Werke von Franz Liszt und Max Reger (Sauer-Orgel, Dom St. Petri, Bremen). 1 CD. Musikproduktion Dabringhaus & Grimm, 1989.
Johann Sebastian Bach: Goldbergvariationen BWV 988 (Van Vulpen-Orgel, Dom St. Petri, Bremen). 1 CD. Musikproduktion Dabringhaus & Grimm, 1992.
Hommage an Käte van Tricht (Orgeln des St. Petri-Doms, Bremen). 2 CDs. Musikproduktion Dabringhaus & Grimm, 1999.
Literatur
Allers, Hans-Adolf: "Käte van Tricht", Vereinigung für Bremische Kirchengeschichte (Hrsg.)In: Lebensgeschichten: Schicksale Bremer Christen jüdischer Abstammung nach 1933, Hospitum Ecclessiae Vol. 23, 2009