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Ingrid Waldau - Andersen
29.Dezember 1936 - 12.4.2018


Ingrid Waldau war die Tochter von Thea Waldau, geb. Meyer (1.2.1910- 23.11.1990) und des Oberbauleiters Ernst Waldau. Er war sehr theaterbegeistert und organisierte Märchenaufführungen beim Turn- und Sportverein in Gröpelingen. 1928 war er Mitglied einer Gruppe, die den Gröpelinger Theaterverein gründete.1930 hatte er 160 aktive Mitglieder und benannte sich in Bremer Volksspielkunst-Gemeinschaft um. Seine Aufführungen fanden im "Kaffeehaus Gröpelingen" statt, 1931 im "Café zur Post" in Walle. Im darauf folgenden Jahr entstand die Waller Speeldeel als Untergruppe in der Volksspielkunst-Gemeinschaft. Das Theater zog in das "Café Lehmkuhl" um, 1939 nannte sie sich Niederdeutsche Bühne Bremen, die nun komplett in niederdeutscher Sprache spielte. Hier trat auch ihre Mutter in vielen Rollen auf,die dort noch im hohen Alter als Souffleuse im arbeitete. In diesem Jahr stand auch Ingrid Waldau kurz vor ihrem dritten Geburtstag zum ersten Mal dort auf der Bühne: Für ihren Auftritt in "Fro Marieken" musste die Dreijährige extra Plattdeutsch lernen, denn bei den Waldaus sprach niemand Platt."Und weil ich ja noch nicht lesen konnte, hat man mir den Text mit zwei Mann eingebleut."1

Das Waldau-Theater im und nach dem Krieg

1944 wurde die Schließung des Theaters angeordnet und bei Bombenangriffen auf das Bremer Hafengebiet ging der gesamte Dekorationsfundus des Theaters verloren. Am 10.Mai 1946 erhielt die Theatergruppe eine Spiellizenz von der amerikanischen Militärregierung und spielte in Schulen, Turnhallen und im Decla-Kinotheater.Ein Neubau wurde notwendig.Ihr Vater übernahm die Planung und Organisation des Baus. Die notwendigen Baumaterialien wurden aus zerstörten Gebäuden besorgt. Das Ensemble sammelte insgesamt über 18.000 Steine 1947 wurde das Theater unter der Leitung ihres Vaters, nun Niederdeutsche Theater e.V. genannt, mit dem Stück "De ruge Hoff" von Fritz Stavenhagen eingeweiht.550 Zuschauer sahen die Aufführung.
Bevor sie sich als Schauspielerin auf die Bühne wagte,absolvierte sie das Gymnasiums und die Höhere Handelsschule mit dem Ziel, Auslandskorrespondentin für Englisch und Französisch zu werden, nahm aber nebenbei auch noch Schauspielunterricht und trat erstmals 1949 in dem Weihnachtsmärchen von Friedrich Meyer-Brink "Jan Blasewink" auf. Allerdings musste sie sich die niederdeutsche Sprache aneignen. 1955 spielte sie die Hauptrolle in dem Stück "Das Hörrohr" gemeinsam mit Manfred Ebel, den sie heiratete.1 1956 spielte sie in dem Lustspiel von Fritz Wempner "Keen Utkommen mit Inkamen" in einer tragenden Rolle. Von da an trat sie dann regelmäßig in der Waller Bühne auf.In den weiteren Rollen spielte sie häufig die junge Liebhaberin, später die Rolle der Fanny in der Marius-Trilogie von Pagnol mit großem Erfolg. Die Schaupielerei war dennoch zunächst nicht ihr Hauptberuf, sie leitete das künstlerische Betriebsbüro.

Das neue Theater in der Waller Heerstrasse war das erste Theater nach dem Krieg, das mit einer modernen Bühne einen regulären Betrieb durchführen konnte. Allerdings war die finanzielle Lage von Anfang an schwierig: Ingrid Waldau schilderte die Situation in einem Vortrag 1990 anlässlich der Mitgliederversammlung des Instituts für niederdeutsche Sprache. Das Theater hatte zwar 130 Mitarbeiter, jedoch waren davon nur 42 fest angestellt. "Bedingt dadurch, dass kein Schauspieler von der Gage Leben kann, die wir ihm zahlen, er also gezwungen ist, seinen Lebensunterhalt in einem anderen Beruf zu verdienen, können wir auch nicht über ihn verfügen - Wir können nicht wie andere professionelle Theater unsere Besetzungen nach Überlegungen aus künstlerischer Sicht vornehmen. Da muss geschoben und verschoben werden."2
Ihr Vater war der Auffassung, dass das "Theater ewig daran kranken würde, ein Zwitter zu sein" dies bestätigte Ingrid Waldau in ihrem Vortrag:"Recht hat er…wir können von uns weder sagen, dass wir ein vollprofessionelles Theater sind, noch dass wir eine Laienbühne sind."3 Im Mittelpunkt standen die Aufführungen niederdeutscher Theaterstücke. Allerdings war es nicht ganz einfach, neue Stücke zu finden: "Es dürfte allgemein bekannt sein, dass es an original niederdeutschen geschriebenen guten Stücken für unsere Bühnen mangelt, und es sind selbst bei gutem Willen nicht genügend ausfindig zu, mit denen man jede Saison einen kompletten und akzeptablen Spielplan füllen kann."4
Die Publikumsgewinnung erfolgte durch besondere Maßnahmen: So wurde die Initiative "Ein Dorf geht aus" gestartet und Sonderzüge brachten die die Zuschauer aus fast allen Umland-Gemeinden zur offiziell "Theaterbahnhof" genannten Waller Bahnstation, von wo aus sie das Theater leicht erreichten.

Ab 1951 wurden im Niederdeutschen Theater Stücke für Kinder aufgeführt, alljährlich zu Weihnachten besuchten die Klassen vieler Schulen die Aufführungen. Am Theater wurde zudem eine Vielzahl von Veranstaltungen durchgeführt. Jährlich 10 Inszenierungen im normalen Abendspielplan, zwei Studioproduktionen (die von Radio Bremen gesendet wurden), drei Programme im und zwei Kinderstücke pro Spielzeit. Im gleichen Jahr konnte die hauseigene Schauspielschule eröffnet werden und ein neues modernes Bühnen- und Nebenbühnenhaus mit Werkstätten,der Malersaal und eine Künstlergarderoben sowie ein neues Seitenfoyer konnte nach einem An- und Umbau genutzt werden.

neue Leiterin des Hauses

Im Jahre 1979 legte Ernst Waldau, sein Amt als Intendant aus gesundheitlichen Gründen nieder.Sein Nachfolger wurde Walter Ernst. Am 20. April 1982 starb ihr Vater. 1984 wurde das Theater ihm zu Ehren in Ernst-Waldau-Theater umbenannt.1986 legte Walter Ernst sein Amt nieder. An seiner Stelle übernahm Ingrid Waldau-Andersen die Leitung des Ernst-Waldau-Theaters. Mit dem Eintrag in das Handelsregister 1992 lautete der offizielle Name des Theaters: "Niederdeutsches Ernst-Waldau-Theater gem.GmbH". Sie setzte sich auch mit der Frage auseinander, welchen Stellenwert ein niederdeutsches Theater heute noch habe und bemühte sich um Stoffe, die nicht das übliche Klischee bedienen - Klamaukstüccke,in denen dumme Bauerntölpel, Stotterer oder Trinker der Lächerlichkeit ausgesetzt sind. "5 Ihr war es wichtig, neue geistreicher Komik zur Aufführung zu bringen. Neben vielen Broadway-Komödien setzt ihre halbprofessionelle Bühne auch literarische Stoffe in Szene.So z.B. Inszenierung von "Herr Biedermann un de Füürpüüsters" in der Übertragung von Berni Kelb, der sich keineswegs darauf beschränkte, den Schulklassiker einfach nur platt nachzuspielen.
Eine besondere niederdeutsche Spielweise gibt es nicht", sagt Ingrid Waldau-Andersen, deren Spielplangestaltung von Orthodoxen bereits als Verrat an der plattdeutschen Sprache gebrandmarkt wurde. Auch bei den "Füürpüüsters" wird nicht nur Platt gesprochen. Der Chor der Feuerwehrmänner deklamiert seinen Text auf Hochdeutsch. In den alten Plattdeutsch-Klassikern dagegen reden nur die "Bösen" so - die Vornehmtuer, Rechtsverdreher und Heiratsschwindler, die die kleine Welt der Bodenständigen von außen bedrohen."6

Umbauten und Konflikte

Im Januar 1991 konnte sie nach mehreren in den vorangegangenen Jahren durchgeführten Umbauten einen Neubau des Theaters einweihen und im selben Jahr gründete sich auch ein Freundeskreis für das Niederdeutsche Theater. Ziel des Vereins war, das Theater im Westen der Stadt zu erhalten, es künstlerisch zu beraten und finanziell zu unterstützen. Im selben Jahr kam es zu Auseinandersetzungen zwischen ihr und den Schauspielern und einem Regisseur, die das schlechte Arbeitsklima kritisierten und ihr vorwarfen, immer weiter von den ursprünglichen Zielen des Theaters abzurücken 7 -. Diese Debatte entwickelte sich vor dem Hintergrund sinkender Zuschauerzahlen. 1993 wurde deutlich, dass mehr als 1 Millionen Schulden entstanden waren. Die damalige Kultursenatorin Helga Trüpel forderte deshalb neue konzeptionelle Überlegungen ein und machte weitere Subventionen davon abhängig, dass pro Spielzeit nur noch ein hochdeutsches Stück gegeben wurde. Auf Weisung des Senats musste die Schauspielschule des Hauses, an der Akteure professionell ausgebildet wurden, auch geschlossen werden. Ende November 1998 mitten in der Weihnachtsspielzeit brannte das Bühnenhaus ab.
Alle Kulissen, Kostüme und Requisiten wurden ein Raub der Flammen, der den Spielbetrieb für fast zwei Monate lahmlegte. "Damit die Kinder nicht auf ihr Weihnachtsmärchen verzichten mussten, wurde die Aufführung des Stücks Schneewittchen und die sieben Zwerge während dieser Zeit in die Messehalle 4.1 auf der Bremer Bürgerweide verlegt. Unter der Schirmherrschaft des damaligen Bremer Bürgermeisters Dr. Henning Scherf kam es zu einem Spendenaufruf zum Wiederaufbau des Theaters. Bereits zum darauffolgenden Silvesterabend konnte auf der Bühne wieder Theater gespielt werden."7 Im Mai 1999 spielte sie eine Hauptrolle in Barry Creytons "Doppelfehler und 2002 in der Tragigkomödie von Konrad Hansen "Plünnerball".
"Anlässlich des 250. Jahrestages der Geburt Johann Wolfgang von Goethes führte das Waldau Theater "Faust" sowohl in hoch - als auch in niederdeutsch auf.Im Jahr 2000 wurde im erstmals ein Musical aufgeführt, die "Rocky Horror Picture Show von Richard O'Brien. Dieses rettete jedoch das Theater nicht vor der Insolvenz: "In Zusammenarbeit mit der Kulturmanagement-Bremen (KMB) wurde ein Sanierungskonzept entwickelt, das den Fortbestand des Hauses vorerst sicherte."8
Hieer finden Sie einen sarkastischen Artikel über die schwierige Situation im Theater.

Die Insolvenz und danach


Die finanzielle Situation verbesserte sich jedoch nicht grundlegend. 2004 musste das Waldau-Theater Insolvenz anmelden, von der Behörde gab es keine Unterstützung mehr und ihre eigenen Bemühungen, mit zahlreichen Benefizabenden zu entgehen, scheiterten. Dies war ein schwerer Schlag für Ingrid Waldau . Sie fuhr nach dem Ende des Theaters, in dem sie praktisch aufwuchs und gelebt hat, nach Alaska. Während ihres Aufenthalts bemühte sich Martina Rüggebrecht um eine neue Spielstätte und bekam die Zusage, in Verden zukünftig die Stadthallenbühne bespielen zu dürfen und nach ihrer Rückkehr entstand der Waldau-Theaterverein Verden, 140 Aufführungen pro Jahr für Erwachsene und Kinder wurden vereinbart und Sponsoren und Spender sicherten die Anschubfinanzierung.8. Die Premiere von "Was zählt ist die Familie" in Februar 2005 wurde ein großer Erfolg - die Schauspieler wurden enthusiastisch gefeiert.
Sie war äußerst rührig, spielte auf verschiedenen Bühnen auf dem Bremer Theaterschiff und im Packhaustheater, im Februar 2006 in Worpswede in der ausverkauften Musichall in Elaine Knox Stück" Ganze Kerle". Außerdem war sie an verschiedenen Orten mit Lesungen zu hören: im November 2008 las sie im Ohlenhofquartier aus Karl Lerbs "Roland". Sie trat auch weiterhin in Bremen auf: Im November 2005 anlässlich der 600 Jahr Feier mit Poesie von Walter Arthur Kreye im Bremer Ratskeller.
In dem Stück "Der Kontrabass" von Patrick Süskind spielte sie auf dem Theaterschiff im April 2006 in dem Stück von Patrick Süsskind "Kontrabass". Im Mai 2014 war sie in der Komödie "Landeier - Bauer sucht Frau" in der Alten Molkerei in Worpswede engagiert,2016 war sie auf dem Theaterschiff "Otello darf nicht platzen" zu sehen. Dann musste sie aufgrund einer schweren Krankheit ihre Karriere auf der Bühne beenden.

Sie war über Jahre hinweg auch Sprecherin in zahlreichen von Radio Bremen/NDR produzierten Hörspielen:
1961 Freespraken, Ulenspegel 1961;1980: Die Karfreitagsflut 1745 ,1981 Rum ut Jamaica;1990: Hamlet in Lammerbeck,Pflegefall Kastendiek und Bischoff ... (Folge 52);1997 : De Dach, as de Castor keem; IC 527 Acht geven, 1995 Jan un Lene, Katzendreck; Kastendiek und Bischoff , 1996 Nix geiht mehr;1998 Muh, 1999 Een heel netten Avend, 2001 De Penner un de Präsiden, Woans Martha denn doch na Huus keem;2002 Havanna, Havanna, Zigarren, Zigarren,2003; Septembergewitter; 2006 Dood in't Watt, Ünner den Melkwoold; 2011 Australien;
Auch in einigen Fernsehproduktionen war sie zu sehen.
Das Gebäude des Waldau-Theaters wurde 2006 von Thomas Blaeschke, dem Intendanten der 1997 gegründeten Bremer Musical Company, gekauft und mit seiner Gruppe weiterhin bespielt. Neben den Musicals der Company auch weiterhin Boulevardkomödien, Klassiker und aktuelle Komödien niederdeutscher Autoren gespielt. Anstelle der Weihnachtsmärchen wurden nun Weihnachtsmusicals aufgeführt. Jedoch hatte 2009 das Theater immer noch Schulden in sechsstelliger Höhe. Am 1. Juni 2011 meldete die "Waldau Theater - Theater der Kulturen gemeinnützige GmbH" Konkurs an. Das Gebäude des Waldau Theaters wird weiterhin für kulturelle Veranstaltungen genutzt.

Publikationen:
Hurra, een Jung : Schwank in 3 Akten = (Hurra, ein Junge) / von Franz Arnold und Ernst Bach. Niederdt. Fassung: Ingrid Waldau-Andersen, 1998 De Meisterboxer : Schwank in 3 Akten / von Otto Schwartz und Carl Mathern. Niederdt. Bearb. von Ingrid Waldau-Andersen, 1999 WaldauIngrid/Kruse Michael : Mein Waldau-Theater. Schünemann, Bremen 2008
Anmerkungen: 1.WK 23./24.81 allerdings nahm sie nicht seinen Namen an und das Paar trennte sich offenbar später, Näheres konnte nicht ermittelt werden
2.Ein Mundarttheater in der Grossstadt - Das Ernst Waldau-Theater,Verlag Schuster, Leer 1990, S.3
3.ebda S.9
4.ebda
6.WK 1.7.91
7.Waldau-Theater;http://www.linkfang.de/wiki/Waldau-Theater
8.ebda
Quellen:
Weser-Kurier Regional, 20.112005
Weser-Kurier -Verden Stadt und Land 19.11.2004 , 21.2.2005, 3.10.2005, 30.4.2006
Weser-Kurier 23./24.81, 6.2.1995,20.11. 2004,6.2.2005,19.11.2006, Stadteilkurier 5.11.2008, 18.2.2013 S.4.
deacademic.com/dic.nsf/dewiki/1482689
Hörspieldatenbank Radio Bremen https://hspdat.to
Welt Online: Trauriges Jubiläum im Bremer Waldau-Theater,16. August 2008
Schulden und ein Blick nach vorn. taz.13. Oktober 2009
http://www.linkfang.de/wiki/Waldau-Theater Weitere_Erfolge_und_der_Untergang_.281981.E2.80.932005.29
Weser-Kurier: 5.11.2008 Weser-Kurier - Verden Stadt und Land 19.11.2004,21.2.2005,3.10.2005, 30.4.2006,
TAZ 13,10.2009 Schulden und ein Blick nach vorn
Bildquellen; Weser Kurier 6.2.1995, 10.4,2918-Frank Thomas Koch Autorin: Edith Laudowicz