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Aline Charlotte von Kapff

20.7.1842 Bremen - 25.3.1936 Bremen

Kindheit und Jugend

Aline v. Kapff entstammte einem alten Adelsgeschlecht, dessen Vorfahren in Württemberg ansässig waren. Es hatte sich in Bremen niedergelassen und 1692 eine Wein-Importhandlung gegründet, die heute noch besteht und zu den ältesten Bremens zählt. Als Tochter des Kaufmanns und Inhabers der Firma Ludwig v. Kapff & Co., Johann Wilhelm André v. Kapff (1806-1875) und seiner Ehefrau Louise, geb. Storck aus Wuppertal (1812-1877), wurde Aline am 20.7.1842 in ein wohlhabendes, liberales und kunstliebendes Bremer Elternhaus geboren. Das Ehepaar hatte fünf Kinder, von denen drei früh verstarben.

Mit ihrem ungewöhnlichen Wunsch, Malerin zu werden, fand Aline bei ihren Eltern volles Verständnis und Zustimmung. Dabei dachten diese - im Gegensatz zu Amalie Murtfeldts Eltern - keineswegs an eine ernsthafte Berufsausbildung der Tochter, da ihre Zukunft durch das elterliche Vermögen abgesichert war. Sie sahen in den malerischen Ambitionen der talentierten Tochter eher eine Liebhaberei, die einem sinnvollen Zeitvertreib gelten sollte.'Nach dem Besuch einer Höheren Töchterschule wurde Aline v. Kapff Malschülerin im Atelier von Amalie Murtfeldt. Die geschätzte bremische Malerin förderte Aline und bewog ihre Schülerin, in München die Studien fortzusetzen. Die Tochter aus großbürgerlichem Hause ging, um den gesellschaftlichen Schein aufrechtzuerhalten, in Begleitung einer elterlichen Vertrauensperson nach München. Bei den geselligen Zusammenkünften, die sich dort mit Mitschülerinnen ergaben, muß Aline häufig von ihrer Begleiterin darin unterstützt worden sein, "Berge von Butterbrot" für die weniger begüterten, hungrigen Kommilitoninnen zu schmieren. Die Eindrücke und Erlebnisse, die Aline während dieser gemeinsam verbrachten Jahre mit jungen Künstlerinnen gewonnen hatte, mögen den Keim für ihr späteres soziales Engagement in ihrer Heimatstadt Bremen gelegt haben.2

Ausbildung

Während des nachfolgenden Pariser Aufenthaltes bei A. Stevens (1823-1906) und auf mehreren Kunst-und Kulturreisen nach Italien, Spanien und Afrika konnte sie ihr technisches Können vervollkommnen. Ihre Bilder hielten den strengen Auswahlkriterien der Jury der alljährlichen Pariser Kunstausstellung stand und fanden viel Anerkennung in der Pariser Kunstszene.
Aline v. Kapff entnahm die Motive für ihre Gemälde überwiegend ihrer unmittelbaren heimatlichen Umgebung. Von den zahlreichen Bildern sind vor allem ihre Fischstilleben, die "Fischverkäuferin" und die "Gemüseverkäuferin" bekannt. Viele ihrer Zeichnungen und Porträts befinden sich noch heute in Privatbesitz, andere wie die Amalie Murtfeldts im Archiv der Bremer Kunsthalle und des Focke-Museums.
> Arthur v. Fitger schrieb Aline v. Kapff "eine große Welt- und Menschenkenntnis" zu, die sie sich auf ihren Reisen angeeignet hatte.3 Sie bewies mit ihren Auslandsstudien, dass schon damals die Frau auch außerhalb der Enge des Hauses aktiv sein konnte.
Aber ihre erworbene Selbständigkeit und Unabhängigkeit führte bei aller Liberalität des Denkens dennoch nicht zur Aufgabe eines in großbürgerlich-patriarchalen Strukturen verhafteten Lebensstils. Die innere Zerrissenheit zwischen einem selbstbestimmten Leben als Künstlerin und der Anpassung an ein bürgerliches Frauenideal, wie sie von Paula Becker-Modersohn durchlitten wurde, hat Aline v. Kapff nicht erfähren. Trotz des ererbten Vermögens und ihrer unbestrittenen Begabung entschied sie sich später bewußt gegen den konfliktreichen Weg einer Malerinnenkarriere. Ihr Lebensziel sollte sich in der Förderung anderer begabter junger Künstler erfüllen.


Gesellschaftliches Leben

Die Kindheits- und Jugendjahre hatte Aline v. Kaptf in dem auf Wunsch des Vaters 1850 erbauten privaten Domizil in der Wachtstraße 43 verbracht.4 Dieser im neugotischen Stil errichtete, mit vielen Zinnen und Türmen versehene Repräsentativbau lag direkt an der Weserbrücke. Das imposante Gebäude, das im Zweiten Weltkrieg völlig zerstört wurde, erbte ihr Bruder Paul Ludwig, der bereits seit 1863 alleiniger Inhaber der Firma in der Martinistraße 48 war.
Aline hingegen erbte das elterliche Landhaus an der Schwachhauser Heerstraße 64, das sie nach eigenen Plänen umbauen ließ.5 Dieses wurde nicht nur ihr ständiger Wohnsitz, sondern bald Mittelpunkt und Inbegriff der bremischen großbürgerlichen Gastlichkeit der Jahrhundertwende schlechthin. Als ledige und weitgereiste Frau konnte sie nun in ihrer Eigenschaft als Kunstkennerin und -liebhaberin für bedürftige Künstlerinnen wirken. Die Kostümbälle, Teenachmittage. Musikabende und Wohltätigkeitsbasare, auf denen sich viele namhafte befreundete Literaten, Künstler und Kunstliebhaber trafen, waren stets sehr begehrt. Nicht nur bei der jungen Generation, die dem Kreis der " Goldenen Wolke" angehörte, genoss die geliebte "Tante Aline" großes Ansehen; auch Menschen, die wieder aufgerichtet werden mußten, fanden regelmäßig ein offenes Ohr bei der liberalen Mäzenin, für die es keine Standesunterschiede gab.
Magdalene Pauli, "Wolkenkind" und häufiger Gast bei ihr, schilderte, daß Aline v. Kapff es meisterhaft verstand, als "große Gönnerin bremischen Zuschnitts (...) Kunst und Gesellschaft auf bezaubernde Art miteinander zu verbinden."6 Aber es war ihre Nichte Agnes v. Kapff(1880-1969)7,die den "Wolkenkindern" selbst angehörte und ihnen den Zugang zu den geistreichen Gesellschaften im Salon ihrer Tante ebnete. Selbst literarisch und musisch aktiv, nahmen die jungen Paare gern mit eigenen Aufführungen an den Festlichkeiten in der Schwachhauser Heerstraße teil.

Eine recht ernsthafte Episode, die von Magdalene Pauli zu Beginn der 50er Jahre in der "Goldenen Wolke" überliefert wurde, soll einen Eindruck von der engen Verbundenheit dieser intellektuellen Freunde und ihrer Ausstrahlung auf das Bremer Kunstleben des frühen 20. Jahrhunderts vermitteln. Tante Aline, mit ihrem gewichtigen Urteil, war an jenem denkwürdigen Tag ebenfalls anwesend: " (...). Und so ist es vielleicht, wie oft auch das Streiten um seine Ankäufe ihn auf den Plan rief, ein Tag, ein Hauptkampftag für Gustav Pauli, der schönste in seiner ganzen Wirkungszeit för Bremen gewesen. Das war am 29. März 1912. Es war noch Frieden, aber Kunstkrieg in Bremen. Und es ging um Paulis Ehre. Darum waren von den Parteien die Fronten mit allen Verbündeten verstärkt. Mein Mann erfuhr da, wie nie zuvor, daß der Geist der 'Goldenen Wolke' nicht nur ein Geist echter Freundschaft, sondern einer Gesinnung war, die zu ihm stand und für ihn zeugte und für die Zukunft entschied."7 Als der Vorsitzende des Kunstvereins Carl Schütte in erregtem Gespräch mit Pauli zusammen die große Treppe im Kunstverein herunterkam, (...) "hatten unten der Wolkenkreis und alle unsere Freunde gestanden, die in Aufregung waren über die von Dr. Eggers - einem sich als orthodoxen Kunstauguren in die Brust werfenden Bremer Rechtsanwalt - ins 'Casino' einberufene Protestversammlung. Sie wollten noch einmal die von Gustav Pauli angekauften und jetzt beanstandeten Gemälde, an deren Wert für die Galerie und an deren Echtheit man zweifelte, begutachten. Das waren die französischen Impressionisten und das Mohnfeld von van Gogh. Sie waren von überall her nach Bremen gereist, die Maler Konrad v. Kardorff, Rudolf Tewes, selbst unser 'Tatje', Alexander v. Salzmann, die Kunstsachverständigen von Weltnamen, Julius Meier-Graefe aus Berlin und Alfred Lichtwark aus Hamburg, die Dichter Rudolf Alexander Schröder und Alfred'Heymel, und alle unsere Wolkenmitglieder waren da: Dr. Robert Voigt und Lina, Clara Heye, Agnes Boecker von Kapff aus Paris und ihre Tante Aline, deren Stimme so viel in Bremen galt, (...). Die Protestversammlung klang aus in einen Beifallssturm für den Leiter der Bremer Kunsthalle. (...) Was mit einem 'Lesekränzchen' begonnen hatte, allerdings schon unter dem verwegenen Gedanken, 'das geistige Niveau der Gesellschaft zu heben' hatte die ganze Atmosphäre einer Stadt mit frischem Atem erfüllt. "8

soziales und politisches Engagement

Neben zahlreichen gesellschaftlichen Verpflichtungen engagierte sich Aline v. Kapff außerdem, ebenso wie Auguste Kirchhoff, Lissy Susemihl-Gildemeister, Emmy Kuhlenkampff u.a. Frauen des bremischen Großbürgertums in mehreren caritaven Vereinen. Aline v. Kapff wurde Ehrenvorsitzende im "Verein Mütter- und Säuglingsheim", der 1906 von Auguste Kirchhoff gegründet wurde. Während Auguste Kirchhoff den l.Vorsitz in diesem Verein bereits nach zwei Jahren niedergelegt hatte, um sich politischen Aufgaben zuzuwenden,9 bewegte sich Aline v. Kapff weiterhin ausschließlich auf caritativem Terrain. Sie wurde Fürsprecherin dieses Vereins für Mütter mit unehelichen Kindern, für die sie gegen heftige Reaktionen der Nachbarn in der Kirchbachstr. 206 ein Wohnhaus gemietet hatte. Der Bremer Senat wies damals die eingereichte Beschwerde der empörten Anwohner gegen jene neue Einrichtung entschieden zurück10 und den ledigen Müttern konnte vor und nach der Entbindung die so dringend benötigte Unterkunft und Unterstützung gewährt werden.

Darüber hinaus gehörte Aline v. Kapff im Ersten Weltkrieg dem "Flottenbund deutscher Frauen"an. Sie nahm hier zwar "eine patriotische Position im Dienste des Vaterlandes" ein. Dieses Engagement war jedoch ausdrücklich auf humanitäre Hilfe, z.B. auf die Unterstützung von Lazaretten und Invaliden- und Altersheimen für Marinesoldaten und ihre Angehörigen beschränkt. Gleichzeitig war es ihre pazifistische Grundhaltung, die sie davon abhielt, einen Aufruf Bremer Frauen gegen die Teilnahme deutscher Frauen 1915 am Haager Friedenskongress, an dem auch Auguste Kirchhoff teilnahm, zu unterschreiben. Lissy Susemihl-Gildemeister hingegen, "ebenfalls Mitglied des Flottenbundes", zählte zu den Mitinitiatorinnen dieses Aufrufes."11 Der l. Weltkrieg und die Inflation von 1923 veränderten die Lebenssituation von Ahne v. Kapff - wie die vieler anderer vermögender Frauen - entscheidend. Die Firma des Bruders war zusammengebrochen und das Familienvermögen dahingeschmolzen. Aline v. Kapff verließ ihr herrschaftliches Domizil in der Schwachhauser Heerstr. 64 und zog in den bescheideneren benachbarten Besitz Nr. 62 ein. Hier wurde es stiller um sie. In ihrer Zurückgezogenheit bedrückte sie weniger ihr eigenes Schicksal als vielmehr die Tatsache, daß sie nun nicht mehr andere Menschen fördern und unterstützen konnte.12
Aus Anlass ihres 90. Geburtstages würdigte Rudolf Alexander Schröder (1878-1962) die Jubilarin, indem er ihr erfülltes Leben in zwei Leben einteilte: In "ein so langes, so vorbildliches 'Künstler' - und in ein fast ebenso langes, ebenso vorbildliches 'Bürger'-Leben "und erwähnte, daß ihr die Kunst nicht "zu einem, das Leben völlig ausfallenden 'Beruf geworden sei, sondern daß ihr das 'gelebte' Leben im Grunde eine wichtigere und nähere Herzensangelegenheit war als das "gemalte"'. " Ihr großes soziales Engagement während ihrer zweiten Lebenshälfte mag ihr genügend Erfüllung bedeutet und ihre in jungen Jahren getroffene Entscheidung gerechtfertigt haben.
Aline v. Kapff starb 1936 mit 94 Jahren als eine in weiten Kreisen bekannte und geschätzte Persönlichkeit. Über ihrem Familiengrab, in dem auch ihre Nichte Agnes Boecker v. Kapff beigesetzt ist, erhebt sich ein ca. 4 m hoher schlichter Obelisk mit Familienwappen.

Bleistiftzeichnung


Anmerkungen:
l. Vgl. Cyrus, Hannelore: Denn ich will aus mir machen das Feinste - Malerinnen und Schriftstellerinnen im 19. Jahrhundert, Bremen 1987, S. 26
2. ebda. S. 72
3. Staatsarchiv Bremen 7.79-5
4. vergl. Schwarzwälder, Herbert: Geschichte der Freien Hansestadt Bremen,(5 Bde.)Von der Franzosenzeit bis zum Ersten Weltkrieg 1810-1918, Bd. 2, Bremen 1995, S. 253
5. vergl. Staatsarchiv Bremen, Maus, Mappe Aline v. Kapff
6. Berck, Marga: Die goldene Wolke, Bremen 1954, S. 29
7. vgl. Anm.: Agnes Boecker v. Kapff war mit dem Bankier Ernst Boecker v. Kapff verheiratet und ging nach der Hochzeit mit ihm nach Paris.
8. Berck, Marga: Die goldene...,a.a.O., S. 83 ff
9. Cyrus, Hannelore: Die Pazifistin Auguste Kirchhoff (1867-1940), in: Renate Meyer-Braun (Hg.), Frauen-Geschichte-Bremen, Schriftenreihe der Wissenschaftlichen Einheit Frauenstudien und Frauenforschung an der Hochschule Bremen,Bd.3,1991,S.34
10. Staatsarchiv Bremen 2-V2.N.462
11. vgl. Cyrus, Hannelore: Denn ich will..., a.a.O., S. 80
12. Vgl. Staatsarchiv, Maus, Mappe Alinev. Kapff
13. Weser-Zeitung 19.7.1932

Autorin: Ute Domdey
dieser Text ist der Broschüre "Riensberger Gräber erzählen - aus dem Leben Bremer Frauen" entnommen, Hrsg. Bremer Frauen Museum Bremen 1997

Ausstellungen: Kunsthalle Bremen 1937 Société des Artistes français, Paris 1883 (Fischstillleben)

Anlässlich eines Familientages der Familie von Kapff 2017 wurde am Kippenbergymnasium eine Gedenktafel für Aline von Kapff . .an diesem Ort stand früher das vonden Eltern geerbte Stadtvilladie sie nach eigenen Plänen hatte umbauen lassen.