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Leinemann, Anneliese geb. Stockhinger * 3.6.1923 Bremen - 20.1.2013 Bremen

Anneliese Stockhinger wurde in Bremen geboren. Sie wuchs in der Kantstraße in einer sozialdemokratisch geprägten Familie auf. Ihr Vater Carl Stockhinger, von Beruf Schriftsetzer. Er lernte seine Frau Adele Blase vor dem Krieg inder Jungen Garde kennen, war seit 1914 Mitglied der SPD, dann kurzzeitig in der USPD, kehrte dann aber wieder zur SPD zurück und wurde nach 1945 SPD Vorsitzender in der 1. Bremischen Bürgerschaft.

Nach ihrer Schulbildung trat sie in deb Bund Deutscher Mädel(BDM) und wurde 1939 Jungmädrlscharführerin. Sie besuchte von 1939 bis 1940 die Staatliche Fachschule für Frauenberufe und danach wurde sie von 1940 bis 1942 am Seminar für Kindergärtnerinnen und Hortnerinnen zur Kindergärtnerin und Hortnerin ausgebildet. Von 1941 bis März 1942 war sie Mitglied der NSDAP. Während des Krieges arbeitete sie im Rahmen der Kinderlandverschickung in einem Kindergarten in Stettin. Nach Bremen zurückgekehrt war sie Kindergärtnerin und leitete bis 1952 eine Kindertagesstätte. Aus gesundheitlichen Gründen wechselte sie jedoch den Beruf und wurde Adrema-Druckerin (Lochkarten und Formulare) beim Steueramt, wo sie dann später als Verwaltungsangestellte beschäftigt war. Von 1958 bis 1971 war sie dort Vorsitzende des Personalrats. Sie verlobte sich 1948 mit dem Starkstrommonteur Heinz Leinemann (geb. 2.7.26), den sie am 16.4.1949 heiratete. Die Ehe war kinderlos. Ihr Mann war ebenfalls Mitglied der SPD und war im Beirat Neustadt Vorsitzender des Fachausschusses Bau und Verkehr.

Im Entnazifizierungsverfahren 194 wurde sie als "nicht betroffen" eingestuft.1 Schon 1946 war sie in die Gewerkschaft eingetreten und wurde später Sprecherin der Vertrauensleute in der ÖTV, Vorsitzende der Abteilung Bundesfinanzverwaltung. Obwohl sie in einem sozialdemokratischen Umfeld aufgewachsen war, trat sie erst 1959 in die SPD ein, nachdem Hans Koschnick sie überzeugt hatte. Sie wurde Vorsitzende der sozialdemokratischen Arbeitsgemeinschaft "Öffentlicher Dienst".

Auch im SPD-Ortsvereins Buntentor wurde sie aktiv, dessen Vorsitzende sie wurde. Außerdem war sie viele Jahre Hauptkassiererin im Vorstand des SPD-Unterbezirks West Bremen. Anneliese Leinemann wurde von ihren Parteigenossen als einer couragierte Politikerin mit Kanten und Ecken wahrgenommen, die sich in viele Gremien einbrachte. Sie war eine tatkräftige Politikerin, die sich leidenschaftlich für ihre Mitmenschen einsetzte. So auch ab 1968, als sie Schöffin am Arbeitsgericht Bremen wurde und als Mitglied der AWO ab 1966 wurde sie auch Mitglied der AWO, in deren Kreisausschuss sie mitarbeitete.

Im Beirat Neustadt engagierte sich die Neustädterin für die Belange ihres Wohnviertels, u.a. für die Einrichtung eines Wanderweges entlang der Weser. Als 1976 am Kirchweg ein großer Supermarkt eingerichtet werden sollte, votierte sie erfolgreich mit dem Argument dagegen, dass diese "die gesamte Grünkonzeption in diesem Bereich zugrunde richten würde."

Als es 1989 zu Protesten der Anwohner der Neuenlander Straße wegen der zunehmenden Lärmbelastung und Luftverschmutzung aufgrund des rasant angewachsenen Verkehrs kam, unterstützte diese und erklärte auf einer Einwohnerversammlung "Ich werde mich selber an der Spitze der Protestierende auf die auf die Straße stellen. Wir werden kein Auto durchlassen." Sie galt bei ihren Parteifreunden als streitbare Frau, die kein Blatt vor den Mund nahm.

Auf ihre Initiative hin wurde im Jahr 1987 in der Neustadt ein Weg nach Helene Kaisen benannt und die Bremer Naturfreunde, zu deren Gründungsmitgliedern Helene Schweida(später Kaisen) gehört hatte) eine Kastanie an diesem Weg ihr zu Ehren gepflanzt.

Von 22.10.1971 bis zum 1991 war sie Bürgerschaftsabgeordnete für die SPD und 1987 wurde sie sogar Vizepräsidentin der Bürgerschaft und blieb es bis 1991. Sie engagierte sich im Rahmen ihrer parlamentarische Arbeit in mehren Deputationen: in der für Bau und Raumordnung, für öffentliches Recht, für Inneres und dem Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschuss. Sie war Aufsichtratsmitglied der Grundstücksgesellschaft "Weser". Im Rahmen ihrer Tätigkeit in Deputation für Bau und Raumordnung setzte sie sich für die Einrichtung einer Fachhochschule für Verwaltung im Gebäude der Hochschule für Nautik am Werderufer ein.

In den achtziger Jahren wandte sie sich in der Bürgerschaft entschieden gegen Versuche der FDP, das Personalvertretungsrecht zu ändern, da dies ihrer Meinung nach eine Einschränkung der Rechte der Personalvertreter bedeutet hätte. Wenn es notwendig wurde, kämpfte sie aber auch für Einsparungen. So wandte sie sich 1977 gegen die Absicht der CDU die Beihilfeverordnung unverändert zu lassen und 1978 plädierte sie für eine Einschränkung der Nebentätigkeiten bei Beamten .

Sie war auch in der Deputation für öffentliches Recht, der Deputation für Inneres und wurde 1987 nach ihrer Wahl zur Vizepräsidentin der Bürgerschaft Vorsitzende des Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschusses. Als Ende der 80er Jahre rechtsradikale Gruppen wieder aktiver wurden, warnte sie in der Bürgerschaft vor einer Unterschätzung deren Aktivitäten und sie trat 1987 nach dem Einzug der NPD und der FAP in die Bürgerschaft auch für das Verbot der FAP ein. Bei der Diskussion im über die geplante Volkszählung im März 1987 im Parlament trat sie vehement für deren Durchführung ein, weil die Daten auch für den Länderfinanzausgleich benötigt würden. (WK 27.3.87). Als im selben Jahr eine Bürgerschaftsdelegation in die neue Partnerstadt Rostock reiste, war sie mit dabei.

Anneliese Leinemann, die auch dem Marktausschuss angehört hatte, liebte den Weihnachtsmarkt und den Bremer Freimarkt, sie war zeitweise sogar Geschäftsführerin der Schausteller GmbH. Als 2003 die Erweiterung des Weihnachtsmarktes diskutiert wurde, sprach sie sich dagegen aus, weil sie befürchtete, damit werde er an Attraktivität verlieren. Sie lud auch die Schaustellerfamilien in ihr Haus ein und bewirtete sie.

Anlässlich ihre 70. Geburtstages würdigte der damalige Bürgerschaftspräsident Dieter Klink sie als eine Politikerin "die aus ihren Gefühlen... nie einen Hehl gemacht und dadurch stets durch Glaubwürdigkeit überzeugt" habe, ihr Markenzeichen sei "die kalkulierte Unruhe, ihr Motto immer noch: aufregen und anregen, aber nie langweilen" gewesen.

Nachdem sie im November 1991 nach 20 Jahre aus dem Parlament ausschied, sagte sie über ihrer politisches Engagement: "Ich wollte eigentlich nicht in die Politik, aber dann hat sie mir doch immer Spaß gemacht." (BN 30.9.91) Im Ruhestand verfolgte sie noch viele Interessen: sie lernte Englisch und Italienisch, machte mit ihrem Mann bis zu seinem Tod am 10.2.2000 noch jährlich Campingurlaub in Italien und reiste nach seinem Tod sogar noch nach New York.


Quellen:
Anmerkung: 1 Die NS-Vergangenheit früherer Mitglieder der bremischen Bürgerschaft, S. 86 Handbücher 8,9,10,11 der Bremischen Bürgerschaft
Weser-Kurier vom 10.11.71, 1.12.76, 26.5.77, 18.2.78, 11.5.78, 15.6.78, 22.10.78, 16.10.81, 25.6.82, 30.9.1931
Bremer Nachrichten 26.11.1963, 3.6.1993, 5.6.2003,
Information der Bremischen Bürgerschaft vom 1.6.1993
Bildquelle: Archiv Bremische Bürgerschaft

Autorin: Edith Laudowicz