Gisela Müller-Wolff
2.2.1922 Swinemünde - 22. 11 2000 Bremen
Gisela Wolff studierte nach dem Abitur von 1940 bis 1944
Nationalökonomie an den Universitäten Greifswald, Heidelberg und Breslau und schloss das Studium als Diplom-Volkswirtin ab.
Durch den Krieg kam sie nach Berlin und war in mehreren Betrieben tätig und dort
heiratete sie erstmals. 1947 trat sie in die SPD ein. 1951 zog sie nach Bremen.
Sie heiratete Wolfgang Müller und nahm den Namen Müller-Wolff an. Das Ehepaar hat
eine Tochter.
Sie wurde Regierungsrätin, später Oberregierungsrätin,
Leiterin der Preisbildungsstelle beim Senator für Wirtschaft und Außenhandel.
1953 wurde sie Vorsitzende des Bremer Frauenausschuss, Nachfolgerin Anna Stieglers, die auf eine weitere Kandidatur verzichtet hatte.
1955 wurde sie als SPD-Abgeordnete in die Bürgerschaft gewählt, der sie bis 1971
angehörte.
Im Jahr 1957 war sie kommissarische Leiterin des Amtes für Leibesübungen,
bis im Februar 1958 Hans Koschnick das Amt des Bürgermeisters übernahm. Schon früh begann sie sich
auch für die Interessen von Frauen einzusetzen und engagierte sich im Frauenarbeitskreis
der SPD, wo sie auch Kritikerin von Anna Stiegler war, deren frauenpolitischer Kurs
ihrer Meinung nach nicht mehr zeitgemäß war.
Als 1959 der im Verbraucherausschuss unter ihrem Vorsitz sich mit den rapide
angestiegenen Lebensmittelpreisen befasst und Kritik an den Verbrauchern laut wurde,
wies sie dies entschieden zurück uns sagte. "Von der Hausfrau kann man keine
Heldentaten erwarten." Bei der Diskussion um die Veränderung des Ladenschlussgesetzes
setzte sie sich für eine Beibehaltung kurzer samstäglicher Öffnungszeiten ein.
1960 wurde sie Nachfolgerin Anna Stieglers als Vorsitzende im Bremer Frauenausschuss.
Sie hatte auch im Frauenarbeitskreis der SPD mitgearbeitet, in dem es zu Diskussionen
um den Politikstiel Anna Stieglers kam. Gisela Wolff gehörte zu einer neuen Generation von
Sozialdemokratinnen: akademisch gebildet, modisch und selbstbewusst, die sich von eine
andere Form politischen Handelns praktizieren wollten.In ihrer Antrittsrede appellierte
sie an die Bremer Frauenverbände auf, alles in ihrer Macht stehende zu tun,
Frauen für die Beteiligung an öffentlichen Angelegenheiten zu mobilisieren. Die Bremer Nachrichten bescheinigten ihr,
dass sie zu den Frauen gehöre, "die wissen was sie wollen. Und was sie will, weiß sie
zudem mit Schwung, zuweilen auch mit leicht ironischer Angriffslust vorzutragen,
so als Abgeordnete in der Bürgerschaftsfraktion. Da sie darüber nie vergisst,
dass eine Frau im politischen Leben versuchen sollte, nicht nur mit Argumenten,
sondern auch durch Charme zu überzeugen, ist ihr Wirken in den 'öffentlichen Dingen'
dazu angetan, auch vorurteilsvolle Meinungen über politische Frauen' ins Wanken zu bringen."
(BN 24.5.1960)
Der ihr bescheinigte Schwung und starke Wille führte in ihrer politischen Karriere häufiger
zu Angriffen gegen sie. 1963 äußerte der damalige Wirtschaftssenator Eggers Zweifel
an ihrer politischen Zuverlässigkeit augrund von Reisen in die damalige Sowjetzone.
Diese Reisen allerdings hatten rein privaten Charakter, denn sie besuchte ihre dort
lebende Schwester. Sie beschwerte sich beim Senat und auch bei der SPD-Führung. Erst
durch Druck von Bürgermeister Kaisen sah sich der Senator gezwungen, in einer Erklärung klarzustellen, dass diese Zweifel grundlos seien.
Am 9. Oktober 1967 wurde sie auf Wunsch von Bürgermeister Hans Koschnick stellvertretende
Vorsitzende der SPD-Bürgerschaftsfraktion, Vorsitzender war Richard Boljahn, der in die öffentliche Kritik geraten war. Von der stellvertretenden Vorsitzenden
erwartete Koschnick auch eine gewisse Kontrolle des eigenmächtig agierenden Boljahn, denn Gisela Müller-Wolff war eine energische Frau,
die sich nicht scheute, deutlich ihre Meinung zu sagen.
Sie war Mitglied der Finanzdeputation und im Haushaltsausschuss. Als Finanzsenator Speckmann 1968
im Rahmen der Haushaltsreform den Vorschlag äußerte, den Haushaltsetat nur noch im Finanzressort
zu behandeln, wandte sie sich entschieden dagegen, weil dies zu einer Beschneidung der Rechte der Deputation führen würde.
Als im Dezember 1968 die Bürgerschaft über die Finanzen debattierte, betonte sie dies noch einmal nachdrücklich. Angesichts
wachsender Diskussionen über die Eigenständigkeit Bremens setzte sie sich in ihren Ausführungen energisch für die Selbständigkeit ein, betonte aber die Notwendigkeit der Sicherung der Finanzkraft des Landes.
Sie kritisierte Mängel in der Verwaltung und forderte mehr Mobilität und Elastizität der Beamten. Sie setzte sich deshalb für mehr Möglichkeiten zur fachlichen Vervollkommnung ein. Ein weiteres Anliegen war ihr die Verbesserung des Bildungswesens durch mehr Schulen und den Ausbau der Fachschulen zu einem Fachhochschulwesen. Sie engagierte sich auch für die Einführung eines Petitionsausschusses,
den sie als eine wichtige demokratische Errungenschaft bezeichnete.
In ihre Amtszeit fiel die Entscheidung zur Gründung der Universität 1971, was sie sehr begrüßte.
Allerdings wurde sie erneut in eine öffentliche Auseinandersetzung verwickelt: Nach rücktritt
des Gründungsdausschusses der Universität hatte sie in der Bürgerschaft gesagt,
dass die Bürgerschaftsfraktion der SPD die Stelle des Leiters der Hochschulabteilung gern
mit einem erfahrenen Praktiker besetzt sähe, der auch die Gewähr dafür biete, den Haushaltsplan einzuhalten.
Daraufhin warf ihr Professor Fellmann in einem Leserbrief im Weser-Kurier einen "bedenkenlosen Kampfstil" vor und ein politisches Handeln dass von "Gewissenlosigkeit" geprägt sei.
Sie ließ diesen Vorwurf nicht auf sich sitzen und strengte einen Prozess gegen Fellmann an. Landgerichtsdirektor Ganten stellte in der Verhandlung fest:
"Der Ausdruck ‚Gewissenlosigkeit' habe ein ‚grobes Unwerturteil' zum Inhalt und sei der schwerste Vorwurf,
den man einem Abgeordneten machen könne." Fellmann musste eine öffentliche Ehrenerklärung abgeben.
Ein wichtiges Ereignis waren jedoch auch die sog. "Straßenbahnunruhen", bei denen Schüler gegen die Tariferhöhungen der Straßenbahn protestierten und es zu
Auseinandersetzungen mit der Polizei kam. Um die Ereignisse aufzuklären, wurde ein
Untersuchungsausschuss eingesetzt und acht Monate später debattierte die Bürgerschaft einen ganzen Tag über den Bericht des Ausschusses.
Es wurde festgestellt, dass der Präsident des Senats seine Koordinierungsaufgaben nur unzureichend
wahrgenommen hätte und auch der Polizeipräsident wurde kritisiert.
Gisela Müller-Wolff wies diese Kritik zurück erklärte zu den Feststellungen: "Wir alle sind damals nicht Herr der Situation gewesen, deshalb sollten wir die Verantwortung nicht auf einzelne abwälzen."
Sie räumte jedoch ein, dass die Abwesenheit Koschnicks wegen eines auswärtigen Termins ein schwerer Fehler gewesen sei, der allerdings aus der Routine, in der die politische Arbeit häufig gerate, zu erklären sei.
Bis zum 21.1.1971 war sie stellvertretende Fraktionsvorsitzende, bis sie den Rücktritt erklärte. Anlass war eine Auseinandersetzung um eine Rede, die Gustav Böhrnsen in der Bürgerschaft gehalten hatte,
die von ihr verfasst worden war. Es ging um eine Grundstücksaffäre, in die das SPD-Mitglied,der Makler Lohmann und Richard Boljahn
verwickelt waren. Von den Jungsozialisten wurde ihr vorgeworfen, pateinterne Angelegenheiten an die Öffentlichkeit getragen zu haben.
1971 kam es erneut zu Meinungsverschienheiten wegen einer "Kandidaten-Wunschliste"
des engeren Fraktionsvorstands, dem sie angehörte. S
Sie war auf Wunsch des damaligen Unterbezirksvorsitzenden von ihr weitergeleitet worden, was Gustav Böhrnsen aber bestritt.
den Unterbezirksvorstand weitergeleitet worden war. Diese Liste sei auf Wunsch des
Sie fühlte sich wegen der "gegen sie in der Öffentlichkeit erhobener diffamierender Äußerungen vom übrigen Vorstand in Stich gelassen" . Sie verwies zudem darauf, dass sie bereits 1970 schon angekündigt habe, aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr kandidieren zu wollen und trat zurück.
Nach ihrer Bürgerschaftszeit war sie ab 1971 als Regierungsdire ktorin wieder beim Wirtschaftssenator tätig. Sie widmete sich ihrem Enkel und unternahm viele Reisen. Als sie im November 2000 starb, würdigte sie die SPD lediglich in einer äußerst sparsam formulierten Todesanzeige, die ihr ein profundes Wissen, Respekt und Anerkennung attestierte. Sie wurde im privaten Kreis beigesetzt.
Literatur und Quellen:
Czichon Günther/Blase Wilhelm/Franke HorstWerner/Koschnick Hans/Müller-Wolff, Gisela, ,
Kleine Geschichte von Schwachhausen, Bremen 1967
DER SPIEGEL 23/1962
Schwarzwälder, Herbert: Das Große Bremen-Lexikon, Edition Temmen, Bremen 2003
Weserkurier vom: 2.3.53, 20.8.55, 23.12.57,13.11.59,8.5.67, 21.7.68, 26.9.68,6.12.68, 27.3.69,17.7.69, 19.7.69, 20.1.1971, 30.11.2000
Bremer Nachrichten 24.5.1963, 24.7.63, 8.5.67, 23.1.71,
Personalakte Müller-Wolff, Staatsarchiv Bremen
wikipedia: Gisela Müller-Wolff
Autorin:Edith Laudowicz
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