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Erika Opelt Stoevesandt geb.Nessenius
16.1.1919 in Wilhelmshaven - 3.3.2013 in Bremen


Erika Nessenius kam mit ihrer Familie 1920 nach Bremen. Sie besuchte das Gymnasium an der Karlstraße. Im Krieg wurde sie im Arbeitsdienst eingesetzt. Ein halbes Jahr war sie Lehrling in der Landwirtschaft. Ein Jahr nach dem Abitur 1938 heiratete sie Dr. Heinrich Bernhard Hermann Stoevesandt (5.1.1909-21.7.1941) und bekam zwei Kinder. Ihr Mann wurde zum Kriegsdienst eingezogen.
Sie arbeitete bis zur Geburt des ersten Kindes als Reserveschwester. 1939 zog sie mit den beiden Kindern nach Marburg und begann ein Lehramtsstudium der Fächer Mathematik, Physik, Biologie und Theologie. Zusätzlich zu naturwissenschaftlichen Vorlesungen und Praktika besucht sie Veranstaltungen und Gottesdienste bei Friedrich Heiler, dessen Auffassung von Ökumene sie prägte, und weitere theologische Vorlesungen bei Bultmann und bei Tillich, Gastprofessor vom Union Theological Seminary, New York. Ihr Staatsexamen legte sie in den Hauptfächern Biologie und Religion und in den beiden Nebenfächern Mathematik und Physik ab. 1941 fiel ihr Mann.
1950 kehrte sie nach Bremen zurück und absolvierte zunächst ihr Referendariat. 1961 heiratete sie Rudolph Opelt, einen Witwer mit vier Kindern. Sie blieb jedoch im Schuldienst zunächst im Gymnasium am Leibnizplatz, wo sie bis 1964 stellvertretende Rektorin war. Die gleiche Funktion übernahm sie dann 1964 am Gymnasium an der Kleinen Helle. Dieses Gymnasium, jahrelang von den engagierten Lehrerinnen Mathilde Plate und Elisabeth Forck geleitet, wurde 1958 Modellschule der UNESCO. Beide Pädagoginnen hatten starke Akzente gesetzt, und ihre Nachfolgerin setzte die ambitionierte pädagogische Arbeit fort. Am Gymnasium Kleine Helle wurde ein Aufbauzug eingeführt, der es Realschülern ermöglichte, in drei oder vier Jahren das Abitur zu erreichen. Auch setzte sie sich dafür ein, diese Schule behindertengerecht auszustatten. Ein weiteres Aufgabenfeld war die Instandsetzung des Schulgebäudes, das durch die Kriegseinwirkungen noch immer in einem miserablen Zustand war. Sie ließ den Altbau sanieren und das Gebäude durch einen Anbau erweitern. Sie war zielstrebig und für Junglehrer offenbar auch furchteinflößend: "Mir schlotterten immer die Knie, wenn sie ins Lehrerzimmer kam", sagt die damalige Referendarin Cordula Fitsch-Saucke anlässlich ihres 90.Geburtstages.1
Die Tätigkeit im öffentlichen Schulbereich entsprach auf Dauer nicht den Erwartungen und Ansprüchen der Direktorin, vor allem die fehlende Berücksichtigung christlicher Erziehung und die mangelnde Integration von behinderten Kindern in die Gymnasien kritisierte sie. Schon 1974 veröffentlichte sie die erste Fassung der "Überlegungen zur Einrichtung eines ökumenischen Gymnasiums in freier Trägerschaft und zur Integration körperbehinderter Schüler."
Jedoch auch die in den 70er Jahren entstandene Politisierung der Lehrer und teilweise des Unterrichts störte sie. In einem Interview mit Schülern sagte sie: "Also ein Grund war eben die Politisierung der Schule, die einherging mit einem Niveau-Verlust und einer Einbuße an Substanz und rapide sinkenden Leistungsanforderungen. Hierzu gehörte auch das Fehlen des Religionsunterrichtes, den ich für wichtig halte. Das Christentum ist nun einmal eine Säule der abendländischen Kultur!"2 Die mangelnde Berücksichtigung der Religion beklagte sie später auch in einem Leserbrief, als die Forderung nach stärkerer Einbeziehung des islamischen Glaubens in der Schule gestellt wurde: "Wo bleibt die Förderung unserer deutschen, christlichen-abendländischen Kultur?"3
In dem Fehlen der religiösen Erziehung sah sie die Ursache der Sprachlosigkeit gegenüber Muslimen. Sie trat für einen Dialog ein, für den aber die Menschen qualifiziert werden müssten.
Sie setzte sich ab 1972 mit für die Errichtung eines privaten Gymnasiums mit ökumenischer Ausrichtung ein. Diese Gründungsabsicht war eine Reaktion auf die damalige Schulpolitik, die einen Schwerpunkt auf Stufenschulen, gegliederte Schulzentren oder Gesamtschulen legte, was ihrer Meinung nach die Abschaffung des Gymnasiums als Ziel hatte. Es kam zu heftigen politischen Auseinandersetzungen um die Errichtung dieses Privatgymnasiums, das allen schulpolitischen Vorstellungen der SPD entgegensprach. Erst 1988 erreichte das Ökumenische Gymnasium nach einem langwierigen und komplizierten Genehmigungsverfahren die staatliche Anerkennung des Abiturs. 1978 veröffentlichte sie ihre "Überlegungen zur Einrichtung eines ökumenischen Gymnasiums in freier Trägerschaft" in einer Schrift, die als "Blaue Erika" bekannt wurde."4
1981 schied sie aus dem öffentlichen Dienst aus und widmete sich der Gründung des Ökumenischen Gymnasiums (ÖG), dessen Schulbetrieb im Jahre 17.8.1981 mit zunächst nur vier Klassen aufgenommen wurde und deren Gründungsdirektorin sie wurde. Sie war überzeugt, dass "Ökumene einen Bildungshorizont von integrierender Tiefe schafft, denn Bildung ist mehr als Wissen und Fertigkeiten."5
Sechs Jahre später, am 24.10.1987, wurde sie vom ÖG verabschiedet. Eine Lehrerkollegin der ersten Stunde, Gabriele Rogge, sagt über sie: "Ohne die Initiative von Erika O.-S. wäre es nie zu dieser Schulgründung gekommen. Sie hat Pioniergeist entwickelt: Ihre Fähigkeit, andere Menschen zu begeistern und zur Mithilfe zu bewegen, ihre detaillierten Kenntnisse der Rechtslage in Schulfragen, ihre Furchtlosigkeit im Umgang mit staatlichen Institutionen, ihre Beharrlichkeit, trotz zahlreicher Rückschläge, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren, ihr ehrliches Interesse an ihren Mitmenschen und ihre Fähigkeit zur Empathie haben die Gründungsjahre dieser Schule geprägt."6
Ihr Abschied vom Ökumenischen Gymnasium bedeutete für sie aber keineswegs die Hände in den Schoß zu legen: Sie half tatkräftig beim Aufbau des ökumenischen Domgymnasiums in Magdeburg.
Am 8.10.1996 erhielt sie in Bonn aus der Hand des Bundespräsidenten Roman Herzog das Bundesverdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland mit folgender Begründung: "Sie erhält die Auszeichnung für ihr herausragendes persönliches Engagement für die Integration körperbehinderter Kinder in den gymnasialen Schulunterricht. Sie hat durch die Gründung privater ökumenischer Gymnasien die Voraussetzungen für die erfolgreiche Teilnahme dieser Kinder am Schulunterricht geschaffen."7
Im Jahre 1999 verlieh ihr der Bremer Senat die "Senatsmedaille für Kunst und Wissenschaft" zur "Würdigung ihrer Verdienste um das bremische Privatschulwesen und die Integration von behinderten Kindern und Jugendlichen im Bildungswesen."8 In einem Interview anlässlich der Feierlichkeiten zu ihrem 90.Geburtstag sagte sie, dass vor allem ihre glückliche Kindheit und ihre Mutter, die für sie ein Vorbild gewesen sei, sie motiviert hätten. Anlässlich des 25jährigen Bestehens des Ökumenischen Gymnasiums im Jahr 2006 wurde ihr zu Ehren die Erika Opelt-Stoevesandt Stiftung gegründet, deren Ziel es ist, zehn Prozent Vollstipendien für das Ökumenische Gymnasium bereitzustellen, die zur Bildungsgerechtigkeit beitragen sollen.
Sie wurde auf dem Riensberger Friedhof beigesetzt.

Literatur und Quellen:

Opelt-Stoevesandt, Erika, Das Ökumenische Gymnasium in Bremen. Hrsg.: Verein der Freunde und Förderer des ökumenischen Gymnasiums
Opelt-Stoevesandt, Erika: Schule, Schulpolitik und Pädagogik, (Eigenverlag) Stoevesandt, Getrud, Lehrerin mit Leib und Seele, Eine Frau bewegt das Bremer Schulwesen, http://archiv.frauenseiten.bremen.de/frauenseiten_gesellschaft_und_politik/ um_zu_bewegen/bewegen_portraets/eine-frau-bewegt-das-bremer-schulwesen-3860331http, Zugriff 19.5.2015
de.wikipedia.org/wiki/Erika_Opelt-Stoevesandt
http://www.eos-stiftung.de/die-stiftung/frau-erika-opelt-stoevesandt/index.html http://www.senatspressestelle.bremen.de/detail.php?id=7311, 16.11.99) Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, Interview von Schülern mit Erika Opelt-Stoevesandt
http://earthlingsoft.net/ssp/misc/heureka/heureka5/opelt.html, Zugriff: 10.3.2013
Weser-Kurier vom: 21.11.66, 2.9.67, 17-3-68, 2.11.96

Autorin:Edith Laudowicz