Dr. Marie Quincke
1.10.1889 Bremen - 2.1.1976 Bremen

Marie Quincke wuchs in einem ländlichen Pfarrhaus in Westfalen. Sie hatte
vier ältere Geschwister. Sie war ein fröhliches Kind, das gern spielte und
in dem kleinen Ort als "Pastors Mariechen" sehr bekannt war.
Nachdem sie in Westerkappeln die Grundschule absolviert hatte, besuchte sie
die dortige Rektoratsschule. Von dieser Zeit an erhielt sie
Geigenunterricht und war bald aktives Mitglied bei der Hausmusik im
Familienkreis. Sie wechselte zur höheren Mädchenschule in Osnabrück. Dort
konnte sie eine Klasse überspringen. Sie wurde Mitglied des
Naturwissenschaftlichen Vereins und sang im Philharmonischen Chor. Nach dem
Schulabschluss musste sie, da sie noch zu jung war, ein Jahr auf de Eintritt
in das Lehrerinnenseminar warten. Da Mädchen zu Beginn des Jahrhunderts
noch keinen Zugang zu Gymnasien hatten, bereitete sie sich privat auf das
Abitur vor, ihr Vater unterrichtete sie in Latein und Griechisch, ein
ehemaliger Schulkamerad in Mathematik, Physik und Chemie. 1909 bestand sie
die externe Prüfung mit einer sehr guten Beurteilung.
In Bonn und München studierte sie Mathematik, Physik und Biologie und
promovierte zum Dr. phil. in Physik mit der Benotung "magna cum laude" (Der Titel ihrer Doktorarbeit lautete: Das Bogenspektrum von
Gold, gemessen nach den internationalen Normalen).
Neben dem Studium engagierte sie sich für die Belange der Frauen, war auch
lebhaft an dem politischen Geschehen interessiert und war musikalisch aktiv. In München wurde ihre Liebe zu Hochgebirgswanderungen geweckt.
Solange es ihre körperlichen Kräfte zuließen, verbrachte sie auch später die Sommerferien im Hochgebirge und wanderte von Hütte zu Hütte und
studierte dabei die Flora und Fauna.
1915 bestand sie das Staatsexamen für das Höhere Lehramt in den Fächern Mathematik, Biologie und Physik mit Auszeichnung. Vom 1. April 1915 bis zum
31. März 1916 absolvierte sie ein Probejahr am Lyzeum in Barmen. Im April 1916 begann sie eine Tätigkeit als kommissarische Oberlehrerin an der neu
gegründeten Studienanstalt für Mädchen an der Kleinen Helle in Bremen, 1917
wurde sie Oberlehrerin und unterrichte dort bis zum 15.10.1929 an. Sie
wurde Mitglied der Prüfungskommission, vor der die jungen Mädchen nach dem Ersten
Weltkrieg die abgeschlossene Bildung eines Lyzeums nachweisen mussten.
1929 wurde ihr die Aufgabe übertragen, das Städtische Lyzeum im Westen
aufzubauen, an dem sie zur Direktorin ernannt wurde. Sie hat als Direktorin
an dieser Schule bis 1933 gewirkt, bis der Senat sie auf Grund ihres
hervorragenden fachlichen und persönlichen Wirkens zur Direktorin der
Deutschen Oberschule für Mädchen an der Karlstrasse ernannte. Das Amt trat sie an,
als die Nationalsozialisten schon an der Macht waren.
Sie fühlte sich ihnen politisch in keiner Weise verbunden, sondern gehörte
der Demokratischen Partei (DP) an. Der politische Druck auf die
Lehrerschaft wuchs immer mehr und so trat sie 1935 der NS-Frauenschaft bei
und 1937 in die NSDAP ein. Ihre Leitungstätigkeit änderte sich dadurch
jedoch nicht.
1943 entschloss die Schulbehörde Bremer Schulkinder in
weniger gefährdete Gegenden zu evakuieren. Marie Quincke und ein Großteil
der Lehrer fuhren mit nach Meißen, wo die 500 Schüler an der
Fichte-Oberschule unterrichtet wurden. "Hier setzte sie sich dafür ein, dass
sie nicht den dortigen BDM-Organisationen unterstellt wurden. Sie selbst
war mit ihrer Schwester unter spartanischen Bedingungen in einer Dachkammer
untergebracht . Als die Ostfront immer näher rückte, bemühte sie sich
darum, die Schüler wieder zurückzubringen. Um dies zu erreichen, musste sie
in Dresden einen Antrag stellen: "Da die Bahnlinie durch Bomben
zerstört und die Dienststelle telefonisch nicht zu erreichen war, entschloß
sich Frau Dr. Quincke, den weiten, bedrohlichen und unbekannten Weg zu Fuß
bei Winterwetter (Februar 1945) zurückzulegen, um ihr Ziel zu erreichen.
Völlig erschöpft kam sie nach einem etwa 30 km langen Marsch zurück. Man
hatte sie nicht nur sehr ablehnend behandelt, sondern ihr auch gedroht,
falls sie auf dem Rücktransport bestehen sollte, der den sächsischen
Dienststellen nicht ins Konzept passte. Jedenfalls erreichte sie in
Verbindung mit der Bremer Schulbehörde das unmöglich erscheinende: Es wurde
ein Zug eingesetzt, der 'die Karlstraße' nach Bremen zurückbringen sollte.
Fünf Stunden mußte Frau Dr. Quincke mit Kollegium und Schülerinnen mit Sack
und Pack in Ungewißheit und Sorge vor Luftangriffen auf dem Bahnhof warten,
bis spät abends endlich der Zug einrollte. 52 Stunden dauerte die Fahrt
durch die winterliche Landschaft, immer wieder unterbrochen' und gefährdet
durch Fliegeralarm. Einige Abteile hatten zerbrochene Fensterscheiben,
durch die Wind und Kälte eindringen konnten. In einem dieser Abteile saß
Frau Dr. Quincke, selbst nur wenig geschützt, bei ihren Schülerinnen und
hielt mit ihnen die Strapazen der Fahrt aus, durch gemeinsames Singen die sorgenvolle Stimmung überbrückend. Sie überließ anderen die heilen Abteile.
Sie selbst kam schwer krank durch die Unterkühlung in Bremen an und mußte
mit ihrer Schwester in einem Hotelzimmer wohnen, weil ihr Haus inzwischen
durch Bomben zerstört war. Auch das Schulgebäude war in ihrer Abwesenheit
durch Bomben schwer getroffen.1
Auf Geheiß der Militärbehörden musste sie aufgrund ihrer Mitgliedschaft in
der NSDAP ihr Amt an Marie Therese Cabisius abgeben und sich einem
Entnazifizierungsverfahren stellen. In einem Schreiben vom 12.10.5.
begründete sie Ihren Eintritt in die NSDAP damit, sie habe verhindern
wollen, dass die Leitung der Schule in die Hände eines Nazis gelegt werden
könne. Um die Schülerinnen davor zu schützen habe sie sich wider ihrer
Überzeugung zu diesem Schritt entschieden. In diesem Verfahren wurde sie
von ihren ehemaligen Kolleginnen und Kollegen entlastet, die ein Schreiben
an Bürgermeister Kaisen richteten, indem sie sich für ihre Integrität
verbürgten und ihre Wiedereinstellung forderten. Auch wiesen sie auf einen
Brief der ehemaligen Kreisreferentin Fachschaft Höhere Schulen hin, die
ebenfalls bezeugte, dass sie niemals im Sinne nationalsozialistischer Ideologie
gehandelt habe. Der Entnazifizierungsausschuss stufte sie am 30.4.1948 als
Mitläuferin ein und verurteilte sie zu 9.800 Mark Strafe.2
 M.Q.In den 50er Jahren
1949 wurde sie wieder in den Schuldienst, zunächst am Kippenberg-Gymnasium,
eingestellt und 1950 zur Oberschulrätin ernannt. Der damalige
Bildungssenator Moritz Thape bescheinigte ihr, dass sie "sich dank
ihrer Selbstlosigkeit, ihrer ausgeprägten sozialen Haltung und ihres
Gerechtigkeitsempfindens die Wertschätzung der Mitarbeiter in Schule und
Verwaltung" erworben habe.3
Sie starb am 10. Mai 1968 und wurde in Bonn begraben.
Literatur und Quellen:
1. Der Kreisel 48; Okt: 1968,aus der Geschichte unser Schule, Dr. Maie, Schulzeitung des Gymnasiums an der
Kurt-Schumacher-Allee, S. 5-6
http://www.barnstedt-net.de/Der_Kreisel_48_Okt_1968.pdf
Bildquellen: Kreisel 48
Autorin: Edith Laudowicz
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