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Scherer, Marie Luise
24.06.1903 Bremen - 16.04.1980 Straubing


 

Marie Luise Scherer war die Tochter des Rechtsanwalts Dr. jur. Karl August Scherer (28.3.1866-20.3.1945) und seiner Frau Charlotte, geb. Bechtel (16.11.81-11.6.70) Marie Luise Scherer ging zielstrebig ihren Weg. Gegen den Willen ihrer Eltern studierte sie von 1921 bis 1924 an der Kunstgewerbeschule in Bremen, bevor sie zur Kunstgewerbeakademie in Dresden wechselte. Als Mitarbeiterin des Insel-Verlages siedelte sie 1924 nach Leipzig über. Dort widmete sie sich bis 1934 mit Unterbrechungen weiter ihrem Studium des Buchgewerbes, der freien Malerei und der freien und angewandten Grafik an der Kunstgewerbeschule. Sie war Meisterschülerin bei den Professoren Tiemann, Schulze und Müller, weiterhin besuchte sie Vorträge von Moholy-Nagy. An der Universität Leipzig war sie Gasthörerin für Kunstgeschichte bei Pinder und für Anatomie bei Held. Während dieser Zeit verdiente sie ihren Lebensunterhalt durch medizinische Zeichnungen bei Operationen in Krankenhäusern, Illustrationen für Kinderbücher und Zeitschriften.
1941 heiratete sie ihren Cousin zweiten Grades, Willibald Scherer aus Passau, geboren 1892 und zog nach Straubing. 1942 kam ihr Sohn Stephan zur Welt. In Straubing malte und zeichnete Luise Scherer zahlreiche niederbayerische Landschaften, Blumenstilleben und Portraits in allen möglichen Techniken: Öl, Mischtechnik, Aquarell, Zeichnungen, Radierungen, Kohle, Bleistift, Buntstift, Filzstift, Kugelschreiber, Tinte und Tusche, etc.
Zahlreiche niederbayrische Landschaften, Blumenstilleben und Porträts bilden das Werk Marie Luise Scherers; Bilder innerer Welten entstanden nach einer schweren Augenoperation des grauen Stars Ende der 60er Jahre. Diese oft mit Kugelschreiber oder Filzstift gezeichneten Bilder führen in eine surreale, symbolträchtige, verästelte Welt. Sie sind Fortsetzung eines Weges, der schon 1925 begann, als Marie Luise Scherer die in ihr aufsteigenden Bilder malte, die beim Hören von Musik mit geschlossenen Augen entstanden.
Ihre große Begabung und Vorliebe äußerten sich in Porträts, vor allem von Kindern. Sie wollte mit dem "inneren Auge sehen", zeichnete daher nach der ersten Sitzung das Porträt aus dem Kopf, um nachzuspüren, ob sie den ganzen Menschen in Psyche und Geist erfasste. Ein Beispiel ihres zeichnerischen den Menschen erfassenden Könnens, ein "Männerporträt" von 1932 (Bleistiftzeichnung), befindet sich in der Kunsthalle Bremen. Diese starke Forderung, den Menschen ganz zu erfassen, spricht ebenso aus ihren Selbstporträts. In einem 1955 entstandenen Bild stellte sie sich als selbstbewusste Malerin vor, die als Frau und Künstlerin ihren Raum füllt. Offenen Blickes wendet sie sich dem Betrachter zu, umrahmt von Leinwand, Palette, eigenen Bildern und einigen Gegenständen, sich mit der linken Hand fast auf den Pinsel stützend, gab sie eine klare eindeutige Aussage über ihre Arbeit und ihr Bewusstsein als Künstlerin.



Ihr Ziel war es jedoch, frei zu arbeiten. Bilder, die während eines viermonatigen Aufenthaltes 1939 in Costa Rica bei ihrem Bruder entstanden, verhalfen ihr zum Durchbruch in der öffentlichen Anerkennung. In Bremen, Hamburg und Leipzig fanden Ausstellungen statt, in denen sie ihr "Tropenbuch" (Aquarelle), Skizzen von Landschaften, Tieren und Menschen, Blumenstilleben in Öl, zahlreiche Porträts und Landschaftsaquarelle zeigte und gut verkaufte. In den 30er Jahren nahm sie in Bremen an zahlreichen Ausstellungen im Graphischen Kabinett als Mitglied der GEDOK teil.
Ende 1944 bis 1946 wurde sie nach Gunting evakuiert. Als Alleinstehende auf einem Bauernhof mit Flüchtlingen, polnischen Fremdarbeitern und dienstverpflichteten Franzosen mit ihren zum Teil sehr rauhen Umgangsformen zu leben, war ungewohnt.. Sie musste für sich und ihren Sohn kochen, die nötigsten Lebensmittel bekam sie wohl vom Bauernhof und sie versuchte mit Tauschgeschäften ihre Versorgung etwas zu verbessern: Bilder gegen Lebensmittel. Luise Scherer hatte eine große Truhe mit Bildern mitgebracht und malte auch weiterhin eifrig. Sie half auch bei der Ernte auf dem Haslbeckhof in Gunting mit, so gut sie konnte. Sie erlebte aber auch die Schrecken des Krieges, wenn gegen Kriegsende die amerikanischen Jagdflieger Zivilisten angriffen und die sich in den Straßengräben verstecken mussten. ach der Evakuierung in Gunting kehrte sie mit ihrem Mann in eine Wohnung in Straubing zurück. Sie arbeitete bis ins hohe Alter und fand Anerkennung für ihre große Begabung und technische Überlegenheit.
In Straubing regte sie mit anderen eine Gemeinschaft Straubinger Künstler und Kunstfreunde an und wurde 1949 zusammen mit Prof. K. Tyroller, F. Lankes und Dr. Kratzer Mitbegründerin der "Gemeinschaft Bildender Künstler Straubing".
Ausstellungen in Bremen, Dresden, Hamburg, Leipzig, München, Passau, Regensburg, Straubing, in mehreren Orten des Bayerischen Waldes, aber auch in Köln, Frankfurt und Florenz waren große Erfolge, auch in finanzieller Hinsicht.
1973 zeigte sie in Straubing zusammen mit ihrem Sohn Stephan, der einen eigenen Ausstellungsteil hatte, eine Übersicht über ihr gesamtes Lebenswerk, angefangen mit einer Bleistiftzeichnung aus dem Jahre 1922. Neu waren für den Betrachter auch die großen Schwarz-Weiß-Arbeiten und Schwarz-Weiß-Grafiken. Alle Werke zusammen zeigen "die Vielfältigkeit und Wandlungsfähigkeit von Marie Luise Scherer" (Hielscher).
1982 organisierte von ihr Sohn in Passau eine Gedächtnisausstellung. Das Werk Marie Luise Scherers befindet sich weit verstreut in der Welt, vor allem in Privatbesitz. Ein Teil wird von ihrem Sohn für Ausstellungen und Veröffentlichungen aufgearbeitet. Ankäufe fanden vom Kunstverein und der Stadt Leipzig, der Staatsbibliothek München, der Kunsthalle Bremen und der Stadt Straubing statt. Marie Luise Scherer hatte zeitlebens enge Verbindung zu ihrer Familie nach Bremen,. ihre Schwester Agnes Scherer, betreute 40 Jahre lang die Kunstschau in der Böttcherstraße in Bremen.

Literatur und Quellen:
Bremer Nachrichten 13.1.1940
Evers, Ulrike: Deutsche Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts, Hamburg 1983, S.306
Katalog zur Gedächtnisausstellung, Passau 1982
Hielscher, Bernd: Freude schenken - Wirklichkeit erweitern" Straubinger Tageblatt 21./22.6.1973
Passauer Neue Presse 5.3.1982
WK 14.6.56
Autorin: Inge Jacob - ergänzt von Edith Laudowicz
Fotos zur Verfügung gestellt von: Stephan J. M. Scherer, Sohn der Künstlerin hier viele Bilder von ihr