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Bertha Wiegandt
8.2.1889 Bremen - 29.12.1977 Bremen

(Porträt gemalt von ihrer Schwester Else)


"Bereits als Kind erhielt ich mit meiner Schwester Zeichenunterricht bei meinem Vater" schrieb Else Wiegandt in ihrem Tagebuch. ). Ihr Vater Bernhard Wiegandt Friedrich Wilhelm (1851-1918), ein in Bremen angesehener Maler des ausgehenden 19. Jahrhunderts, war auch der erste Zeichenlehrer von Paula Becker-Modersohn gewesen. Ihre Mutter war Bertha Gertrude, geb. zur Nieden (1857-197). Die Eltern ließen die zielstrebige Tochter Else schon mit 15 Jahren allein nach Berlin zur Ausbildung bei Bruno Paul und Emil Orlik ziehen. Sie lernte dort Illustrationen, Radierungen und Holzschnitte in japanischer Manie. 1914 wurde ihr bei der internationalen Ausstellung für Graphik und Buchgewerbe (BURGA) in Leipzig die Silbermedaille verliehen. Durch die Verleihung des Preises gehörte sie bald dem Kreis Berliner Künstler an. Else Wiegandt stellte in Berlin aus und konnte dort nach ihren eigenen Angaben kleine Bilder verkaufen. Ende der 20er Jahre kehrte sie nach Bremen zurück, wurde 1929 Beirätin in der GEDOK, war Mitglied im Bremer Malerinnen Verein, dem Künstlerbund und auch im Werkbund.
Obgleich Else Wiegandt zeit ihres Lebens viel gearbeitet, ausgestellt und verkauft hat, war sie dennoch auf die Unterstützung ihrer Schwester Bertha Wiegandt, mit der sie in einem Haus zusammenlebte, angewiesen. In dem Haus richteten die beiden Frauen auch Atelier- und Ausstellungsräume ein. Else Wiegandt malte viele Tiere aus der Erinnerung, wie sie sie im Berliner Zoo erlebt und gesehen hatte und arbeite mit immer neuen Techniken und Materialien, wie Monotypien, Glas und Metall.
Der interessante Teil ihres Werkes liegt gerade in diesen expressiven, nicht durch präzise Abbildungsabsichten geprägten, exotischen Tierdarstellungen. Was uns an Tigern, Löwen oder Panthern, Affen und Krokodilen entgegenkommt, ist eher der Phantasie entsprungen und äußerst spannend, experimentierfreudig und dynamisch. Diese Tiere, aus dem Gedächtnis gemalt, sprechen das Unbewußte im Menschen an. Ihre in naturalistischer Weise dargestellten Rehe, Katzen und Pferde sind dagegen eher ausdrucksschwach. Im Porträt z.B. des Neffen (1942, Öl, Privatbesitz) zeigt sich die Nähe zur Schwester und ein Können auch auf dem Gebiet der Porträtkunst.
Else Wiegandt war eine sehr phantasievolle und vielseitig begabte Künstlerin; sie illustrierte Tierfabeln, entwarf Holzschnitzereien, machte Glasbilder neben ihren anderen Arbeiten. Aber sie hatte es wohl auch recht schwer - so hatte sie nach eigenen Aussagen viel Mühe bei der Beschaffung von Aufträgen. Während und nach dem Kriege tauschte sie Bilder von Hühnern, Pferden und auch Porträts gegen Lebensmittel ein. Über Jahre hinweg pflegte sie die erkrankte und später erblindete Mutter in ihrem Haus in Sandhatten, in dem sie auch starb. Die dörfliche Idylle dieses Ortes inspirierte sie zu vielen Landschafts- und Tierbildern.
Ihre Arbeiten wurden nach eigenen Angaben in Oldenburg, Hannover, Mannheim, Bremen und Berlin ausgestellt. Ihre letzte große Ausstellung, zusammen mit den Werken ihres Vaters und ihrer Schwester Bertha Wiegandt in der Sparkasse erlebte sie noch mit. Posthum ehrte sie die Galerie Fischerhuder Maler 1985 in einer Kollektivausstellung, 1990 ihr Sterbeort Sandhatten Das Focke-Museum besitzt eine Arbeit. Eine Reihe von Bildern sind in Privatbesitz und einige ihrer Bilder wurden auf Auktionen verkauft.
Ausstellungen:
Kunsthalle Bremen 1905
Kunsthalle Bremen 1913, S. 22, Kat. Nr. 318-320
BURGA in Leipzig 1914
Kunsthalle Bremen 1916
Bremer Kunstschau 1928
Verein Berlinder Künstlerinnen Berlin 1932
Ausstellungen der GEDOK 1929,1941,1943
Bremer Kunstschau 1928
GEDOK, Von Halemsche Buchhandlung, Bremen 1929
Verein der Berliner Künstlerinnen, Berlin 1932, 1942, 1992
Kunsthalle Bremen 1935, S. 98, Kat.Nr. 82
GEDOK, Graphisches Kabinett Bremen, 1936, 1941, 1943
Große Deutsche Kunstausstellung, Kat. Ausst. Haus der Kunst, München 1937
Künstlerhaus an der Weide 1938
Galerie Khoury, Bremen 1968
Kaufmann Reinhard: Wiegandt. Erinnerungsausstellung, Kat. Ausst. Sparkasse Bremen 1984
Fischerhuder Galerie 1985
Sandhatten 1990
Literatur und Quellen:
Cyrus, Hannelore, Zwischen Tradition und Moderne, siehe Literaturliste, Nicht "Malertöchter sondern Malerinen,
Krahé, Frauke: Allein ich will. 20 Malerinnen aus Bremen, Worpswede und Fischerhude, Lilienthal 1990, S. 166?169
Thieme-Becker Bd. 35, S. 529 Vollmer Hans (Hg.): Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler des 20. Jahrhunderts 6 Bde., Leipzig 1953-1962, Bd. 5, S. 128
Waldmann, Emil: Bremer Künstler, in: Niedersachsen 25, 1920, S. 272-274, hier S. 273f.
Else Wiegandt - eine deutsche Künstlerin, in: Die deutsche Frau 27, Heft 13, 1934, S. 388
Stock, Wolf-Dietmar/Wischnowski, Werner: Fischerhude. Künstler in der Stille, Bremen 1988, S. 118
von der Dollen, Ingrid: Malerinnen im 20. Jahrhundert. Bildkunst der "verschollenen Generation". Geburtsjahrgänge 1890 - 1910 , München 2000, S. 53, 372
Schwarzwälder, Herbert: Das große Bremen-Lexikon , Bremen 2002, S. 810


Autorin: Inge Jacob