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Wienholt,Johanne, geb. Misler1
1.1.1761 Hamburg - 3.5.1818 Bremen


Johanne Wienholt geb. Misler war die Tochter des Juristen Johann Gottfried Misler (1720 -1789) und seiner Frau Maria, geb. Schramm (1734-1777)2. Sie hatte zehn Geschwister, darunter den Theologen Johann Gottfried Misler (1679–1748)1. Das Ehepaar bekam zwei Töchter: Maria Anne Catherine (26.1.1786 - 5.9.1856)1 und Christina Elisabeth (1789) und und drei Söhne: Johann (1781- 1785), Johann Gottfried (1783 -1835), Daniel (1792-1817).3 Die Eheleute wohnten Unser Lieben Frauenkirchhof 6.

Eheschließung

In der nach dem Tod Wienholts veröffentlichten Schrift "Arnold Wienholts Bildungsgeschichte als Mensch, Arzt und Christ"4 wird das Kennenlernen des Paares im Jahr 1799 geschildert: "Anlässlich eines Reitausfluges von Arnold Wienholt mit Pastor Lappenberg nach Lesum besuchten sie Johann Gottfried Misler in Meienburg und gleich bei der Ankunft traf er auf diese "Eine, die gleich bei ihrem Eintritt ins Zimmer, mit starkem mächtigen Eindruck auf mich wirkte, und auf die, wie sie mir später gestanden hat, auch ich den nemlichen Eindruck machte."5 Nach einigen Stunden verabschiedeten sie sich, "....tiefer in meiner Seele blieb es zurück, das Bild des lieben Mädchens, ich stand damit auf, ging damit zu Bette, und allenthalben begleitete es mich."6 Es dauerte jedoch noch mehr als ein Jahr und die Werbung eines anderen um Johanne, bis er sich entschloss um sie zu werben. Sie heiraten in der St.Stephani-Kirche in Bremen und nach "einiger Zeit war ich glücklich in meiner Anwerbung, und besitze nun eine liebe, verständige, durch und durch rechtschaffene, thätige, teilnehmende und ganz mit mir sympathisierende Frau, die ganz Gattin und Mutter ist, mir zwei liebe süße Kinder geschenkt hat, sie treflich bildet, und durch Liebe, Zuvorkommen und Theilnahme mein Glück vollkommen zu machen sucht."7 Die Ehe war anfänglich von "Familienklatschereien und Verläumdungen, mehr durch Einfalt als Bosheit"8 belastet, die ihr Mann ihr verheimlichen wollte, bis sie Aufzeichnungen fand und sie sich darüber verständigen konnten.

Berufliche und gesellschaftliche Aktivitäten

Arnold Wienholt hatte in Bremen seit 1773 eine eigene Praxis, außerdem war ab er ab 1777 Stadtphysicus, ein von der Stadt bestallter Arzt, der die Aufgaben eines heutigen Gesundheitsamtes wahrnahm. So war er u.a. verantwortlich für die Gesundheitsvorsorge der Bevölkerung und die hygienischen Bedingungen in der Stadt. Wienhold war Mitgründer der Gesellschaft zur Förderung der Bildung des gehobenen Bürgertums. "Schnell wurde der Lesegesellschaft eine Physikalische Gesellschaft angegliedert, die außer der entsprechenden Fachliteratur auch eine Sammlung von Naturalien und physikalischen Werkzeugen anlegen sollte, dazu kamen eine Kunstsammlung und eine Physikalisch-ökonomischen Lesegesellschaft....Den Bremer Initiatoren ging es ... um viel mehr als um ein gehobenes Unterhaltungsprogramm, sie verfolgten die zentralen Forderungen der Aufklärung nach Bildung, Bekämpfung des Aberglaubens und den Abbau von Vorurteilen. Innerhalb weniger Jahre avancierte die berufsübergreifende aber sozial homogene Gemeinschaft dann zum "Centralpunkt bremischer Cultur"7 Während anfänglich nur Männer die Vorträge der Gesellschaft besuchen durften, wurde 1811 die Satzung geändert, so dass auch Gattinen, unverheiratete Töchter der Mitglieder sowie verstorbener und außerordentlicher Mitglieder daran teilnehmen konnten. Wienholts hatten regen Kontakt zu vielen bedeutenden Bremer Familien - u.a. mit der Familie Fritz Gildemeister (dessen Bruder ihre Tochter Marianne heiratete)9 und sie nahmen am kulturellen Leben wie Konzerten und Lesegesellschaften teil und wurden auch zu privaten abendlichen Veranstaltungen eingeladen.

Begeisterung für Literatur und Wissenschaft


1783 starb ihr zweiter Sohn. 1789 erkrankte ihr Mann schwer, sie fanden aber dennoch Gelegenheit, sich "in dieser so neuen genussvollen Lage über die interessantesten Gegenstände zu unterhalten."10 Während seiner langen Krankheit war "sein Krankenzimmer ein Aufenthalt des reinsten - grössesten Erdengenusses", weil das Ehepaar begann, "gemeinschaftlich miteinander zu lesen". Sie schrieb über ihren Austausch: "Er klärte meine Begriffe in vielen Stücken auf, wovon ich vorher keine Idee hatte; so ungestöhrt hatte ich ihn in der ganzen Zeit unserer Ehe nicht genossen. Des Abends war täglich eine kleine Gesellschaft von Freunden vor seinem Bette versammelt, man sprach von den interessantesten Gegenständen, Geister und Herzen näherten sich, wie es sonst in unsrer Lage durch Geistesdruck meines Freundes nicht möglich war, und auch für mich fiel so mancher Brosamen ab."11 Als 1786 Johann Lavater Bremen besuchte, begeisterte sich Wienholt für dessen Theorie des "animalischen Magnetismus", eine der Hypnose verwandte Behandlungsweise, mit der er "einige an schweren convulsivischen Nervenzufällen leidenden junge Frauenzimmern" so wirkungsvoll behandelte, dass der Arzt und Astronom Heinrich Wilhelm Olbers mit ihm weitere Krankenprotokolle führte und auch andere führende Ärzte in Bremen von seinen Heilkräften überzeugen konnte.In seiner Frau fand Arnold Wienholt eine Unterstützerin seiner Anschauungen.
1802 publizierte Wienholt in zwei Bänden sein Hauptwerk "Die Heilkraft des thierischen Magnetismus nach eigenen Erfahrungen anhand von 50 Krankengeschichten." Es entwickelte sich eine heftige Diskussion um diese Heilmethoden, in der es im Kern auch um die Rolle der Wissenschaft und der Religion ging. In den Sog der Kontroverse "die mehr von den Kanzeln herab als mit literarischen Mitteln geführt wurde, gerieten breite Volksschichten und in großem Ausmaß auch Frauen aus der bürgerlichen Oberschicht. Sie neigten in ihrer Mehrheit Lavaters Idee eines auf subjektive Erfahrung des Transzendenten abzielenden Christentums zu und standen im Bannkreis seiner…behaupteten Heilkraft seiner magnetisierenden Experimente…Frauen aus dem gehobenen Bürgertum wie Sophie Kulenkamp…oder die Ratsherrentöchter Meinerzhagen und Margaretha (Meta) Post standen im Zentrum des schwärmerischen Lavater-Kreises."12

Das Ehepaar las gemeinsam religiöse Bücher, Klopstocks Messias und Lavaters Messiade, "überhaupt solche Bücher, die seinem ästhetischen Sinn, seinem Dichtergefühl Nahrung gaben". Seine Frau nannte er im Scherz Schwärmerin, "aber auf eine Art, die es genugsam zeigte, dass es im Ernst - alle meine Ueberzeugungen hatte. Oh wie gern sah ich in diesem Blick seines dann lächelnd tadelnden Gesichts unsere innigste Vereinigung."13 Dass bei diesem Austausch weit mehr als nur Brosamen abfielen, davon zeugen ihre Ausführungen in seiner "Bildungsgeschichte". Der 2.Teil der "bei weitem größeren Hälfte, die mehr als das eigentliche Denkmal ausmacht [enthält]...einen Aufsatz der Witwe des Seligen, worin sie bald nach seinem Tode für sich und ihre Kinder, einige der merkwürdigsten späteren Begebenheiten seines Lebens, seine vorzüglichen Charakterzüge, die Geschichte seiner letzten Krankheit und seines Todes, der Vergessenheit entreissen, und aufbewahren wollte."14" Im selben Jahr noch reiste sie mit den Kindern nach Hamburg, da ihr Vater schwer erkrankt war. Kurz vor dem Tod ihres Ehemanns machten sie eine längere Reise, um Freunde zu besuchen. Nur wenig später nach Hause zurückgekehrt, erkrankte ihr Mann schwer. Sie schildert ausführlich seine Krankengeschichte. "Nur einmal schien es - als wolle er mir einen flüchtigen Abschiedsblick geben, der mich freilich sehr traf" starb,17 ihr Mann: es war den Donnerstag Morgen, als er den Sonnabend darauf starb. Über ihre Ehe schrieb sie: "aber dieser unauflösliche Bund, das heilige Versprechen des H a l t e n s, dieses Bundes vor Gott im Himmel - er ist auch izt für mich nicht a u f g e h o b e n er galt nicht blos für die Zeit, die wir hier beisammen waren, weit heiliger muß er noch gehalten werden, nachdem der eine Theil von dem Anderen gegangen ist, denn nun ist das zu haltende weit schwerer! Als du noch bei mir warst, ja da wars leicht, Alles für dich und in Bezug auf Dich zu thun, wenn ich ein Merkmal Deiner Liebe sah, und auch ohne dies, bei dem Bewusstsein dass dir wohl dadurch geschah, aber nun ohne diese Merkmale, ohne diesen Sporn der S i c h t b a r k e i t - o wer gibt mir die Kraft. Und doch muß alles so treu ausgeführt werden bei meinen Kindern, in meinem weiblichen Beruf, wenn ich dir einmal recht frei unter die Augen treten will."18 In weiteren Abschnitten der Schrift, die sie vor allem an ihre Kinder richtet, erläutert sie ihre christliche Grundhaltung und ihre gesellschaftlichen Moralvorstellungen und ihr Verhältnis zu ihrem Ehemann.Nach dem Tod ihres Mannes zog sie zum Ansgarikirchhof 2.


Anmerkungen und Quellen

1.Schröder, Lexikon der hamburgischen Schriftsteller bis zur Gegenwart, 5. Band, Maack-Pauli, Hamburg 1870, S. 298.
2.Ortsfamilienbuch Bremen und Vegesack, WIENHOLT, Arnold, hier wird ihr Vorname Johanna aufgeführt, auch der Name Wienholt wird häufig am Ende mit d geschrieben.und der Name iher Tochter Marie Anne, in Quellen des Focke-Museums, die aus der Familie stammen, ist ihr Vorname Marianne. Sie heiratete Johann Gustav Gildemeister.
2.Henrich Nicolaus Achelis (Hrsg.): Arnold Wienholts Bildungsgeschichte als Mensch, Arzt und Christ, Bremen 1805 S. 90 ff.
3-7 ebda.
8.vergl: Klatte, Elisabeth, Hrsg: 'Du bist in jedem Brief mir neu!' - Braut und Ehebriefe aus der bremischen Familie Gildemeister 1815 - 1839, Bremen 2004
9.Schulz, Andreas: Vormundschaft und Protektion, Eliten und Bürger in Bremen 1750 - 1880, München 2002,S.181
10. 225 Jahre - Der Club zu Bremen, Magazin 13, 2008, Clubleben von 1783-1945, S.30, darin: Arnold Wienholt: Geschichte des Museums in Bremen. In: Hanseatisches Magazin 1799, S. 177 ff
11-17 Bildungsgeschichte a.a,O.
Trostrede für Johanna Wienholt geb. Misler beim Tode ihres Sohnes Johann Wienholt geb. 15. 4. 1781, gest. 30. 5. 1785 Dorothea Misler, Als meine geliebte Schwester Jungfer Johanna Misler Herrn Dr. Arnold Wienholt heyrathete, 1780 Nicolaus Henrich Achelis (Hrsg.): Arnold Wienholts Bildungsgeschichte als Mensch, Arzt und Christ, Bremen 1805 Weser Kurier 4.5.1959,21.10.64,5.11.66, 16.6.70

Autorin Edith Laudowicz