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Anna Charlotte Thiessen (Tiessen, Thießen), Pseudonyme Caroline Still o. Stille


13.6.1782 Bremen - 30.5.1834 Eutin
 

Anna Charlotte wurde als Tochter des Kanzleirats Anton Thiesen und seiner Ehefrau Gebetha, geb. Gondela in "Schwartau bei Lübeck geboren. "Mit zwei älteren Brüdern und einer sechs Jahre jüngeren Schwester wuchs Charlotte in der ländlichen Umgebung auf. Das Elternpaar führte ein geselliges Leben. "In dieser Umgebung ward Charlotte früh auf alles Wissenswürdige aufmerksam und ihre schnelle Fassungskraft begünstigte es, alles, was ins Gebiet der Frauenbilddung zu sichern war, sich anzueignen."1

Schon früh jedoch machte sich eine Rückgratverkrümmung bemerkbar - eine Erkrankung, die in dieser Zeit bei vielen jungen Mädchen auftrat, aber deren ursache noch nicht erkannt wurde. Nach heutigen Erkenntnissen, waren die Ursache dafür die mangelnde Bewegung wie auch das dauerhafte stille Sitzen in gebeugter Haltung über Handarbeiten2 und zu enge Korsetts. Durch diese Rückgratverkrümmung trat auch eine Wachstumshemmung ein und nach einigen Jahren litt sie am sog. "nervösen Fieber", eine Bezeichnung die häufig auf psychisch bedingte Krankheitserscheinungen aber auch auf eine schleichende Tuberkulose zurückzuführen ist. Durch die Bibliothek ihres Vaters lernte sie schon früh bedeutende Dichter kennen und sie entwickelte auch ein besonderes Talent im Erlernen von Sprachen.

1794 starb ihr Vater und die Mutter zog 1795 mit ihren Kindern nach Bremen. Hier hatten sie Kontakt zur Familie des Domkantors Wilhelm Christian Müller und seiner Tochter Elise und Wahrscheinlich lernte sie in einem der zahlreichen in Lesezirkeln die es in Bremen gab die Dichterin Hedwig Hülle kennen, die von ihr Erzählungen veröffentlichte. 1805 zog Gebetha Thiesen mit ihren beiden Töchtern nach Dresden, um ihrer Tochter Henriette eine künstlerische Ausbildung zu ermöglichen, die an 1819 an der Dresdner Akademie auch für Frauen zugelassen war. "Charlotte setzte in ihrer Dresdner Zeit die Literatur- und Sprachstudien wie auch ihre schriftstellerischen Versuche fort."3 Allerdings war sie weiter gesundheitlich stark beeinträchtigt und 1808 kehrte sie mit ihrer Mutter nach Bremen zurück und lebte gänzlich zurückgezogen "beinahe zwölf Jahre, indeß geistig thätig, bereitete sie sich gewissermaßen vor auf die schriftstellerische Laufbahn, die sie am Ende dieser Periode in Celle betrat."4 Zur Zeit der französischen Besatzung "vertauschte die Familie den städtischen Aufenthalt mit einem ländlichen, zwei Meilen von Bremen entfernt, was auf Charlotte wohltätig wirkte"5.

In Celle hatte ihre Schwester 1817 eine Anstellung als Zeichenlehrerin erhalten und auch Charlotte und ihre Mutter zogen nach Celle. 1818 veröffentlichte sie unter dem Pseudonym Caroline Stille ihre erste Erzählung "Kindliches Vertrauen" im "Morgenblatt". "Charlottes literarisches Schaffen war...in erster Linie eine Auseinandersetzung mit ihrem Schicksal. die Verarbeitung ihrer Gefühle, die Suche nach einem Sinn in ihrem Dasein, in ihrem Leiden, war aber auch immer wieder Ausdruck des Vertrauens auf göttliche Hilfe."6 1821 starb ihre Mutter und nun auf sich allein gestellt "wurden Kräfte in ihr Wach, die bisher geschlummert , oder deren sie sich wenigstens nicht bewusst geworden war; und so gab sie durch ihr Beispiel den Beweis, dass fester Wille und Geisteskraft über Nervenübel zu siegen imstande ist."7

1821 zog sie nach Bremen zurück und im gleichen Jahr erschien in der "Zeitung für die elegante Welt"8 ihre Erzählung "Der Weg zur Klarheit". Ihren Lebensunterhalt bestritt sie jedoch nicht allein durch ihre schriftstellerische Arbeit, sondern sie erteilte Französischunterricht und übersetzte französische und englische Literatur (u.a. Wordsworth, Coleridge, Campbell, Hermanns Moore). Sie wohnte in der Obernstraße, zeitweilig lebte ihre Schwester bei ihr, die psychisch erkrankt war und in Berne in einer psychiatrischen Anstalt untergebracht wurde, wo sie 1828 starb. Regen Kontakt hatte sie zu ihrem Bremer Bekanntenkreis u.a. Elise Müller und Hedwig Hülle. 1827 reiste sie nach Heidelberg, wo sie ein Jahr bei ihren Verwandten, Simon Heinrich und Rahel Gondela wohnte. Hier nahm sie Kontakt zu dort ansässigen Verlegern auf. In "Schreibers Damen-Bibliothek" veröffentlichte einig ihrer Gedichte sowie Übersetzungen von Aufsätzen über geschichtliche Themen aus dem Englischen und Französischen." 9 Die Schriftstellerin Therese Huber10 hatte über Gondela von ihren Lebensumständen erfahren und förderte sie stark.

In Bremen hatte sie rege Kontakte zu Hedwig Hülle, die im von ihr von 1933 - 1837 herausgegebenen "Bremer Jugendfreund" Gedichte, Erzählungen und Übersetzungen von ihr veröffentlichte. Als 1834 Charlotte Thiesen nach einem schweren Unfall während einer Reise nach Eutin dort verstarb, schrieb Hedwig Hülle einen Nachruf, der im "Jugendfreund" erschien.11

Quellen:

1. Neuer Nekrolog der Deutschen, Jg. 1829 Bd. 1, S.431
2. vergl. hierzu: Ehrmann-Köpke, Bärbel; "Demonstrativer Müßiggang" oder "rastlose Tätigkeit"?, Handarbeitende Frauen im hansestädtischen Bürgertum des 19. Jahrhundert, Münster- New York 2010, Kapitel 5, S. 313 - 362
3. Klatte Elisabeth: die Bremer Schriftstellerin Charlotte Thiesen, Ein Porträt nach Briefen von Simon H. Gondela und Therese Huber aus den Jahren 1819 bis 1827, S. 31 Bremen 2000;
dieser Band enthält zahlreiche Gedichte der Dichterin S. 148 - 165
4. Nekrolog S. 434
5. ebda.
6. Klatte, S. 34
7. Nekrolog S. 435
8. die Zeitung für die elegante Welt war eine literarisch-kulturelle Zeitschrift, die von 1801 bis 1859 erschien, in der neben Aufsätzen zur Literatur, Kunst und Theater auch Themen wie Kleidung, Zimmerverzierung und Gartengestaltung aufgegriffen wurden.
9. Klatte: S.47
10. Therese Huber, Autorin und von 1817 - 1823 verantwortliche Redakteurin des Morgenblatt für gebildete Stände, (Sie zog im August 1816 wieder nach Stuttgart
11. siehe Klatte, S. 166

Autorin: Edith Laudowicz