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Anna Marie Sophie Adelheid Goetze
3.8.1859 Schloen - 17.4.1943 Bad Pyrmont
 

Nach einer Ausbildung am Lehrerinnenseminar in Schwerin ging sie 1878 nach dem Tod ihres Vaters für mehrere Jahre in die Schweiz und nach England. Nach Deutschland zurückgekehrt, bezog sie 1887 in München mit ihrer Cousine Sophie Dorothee Gallwitz eine gemeinsame Wohnung in Schwabing. Sie begann zu schreiben und veröffentlichte 1890 ihre ersten Bücher "Märchen und Träume" in dem die abgeschiedene Kindheit an den mecklenburgischen Seen im Mittelpunkt steht und Am Waldesrand: Traum einer Wasserrose. Rädon. Warum?
Als ihre Cousine 1897 ein Engagement am Stadttheater Coburg erhielt folgte sie ihr, ging dann aber 1900 nach Bremen. Sophie Dorothee kam 1907 nach Bremen und teilte mit Anna Goetze die geräumige Wohnung. Jedoch schon nach zwei Jahren wechselt sie in die Wohnung ihrer Freundin Käte Wolff. Anna Goetze mietete in eine neue Wohnung an der Obernstraße, die sie mit Elisabeth und Felicitas von Bazcko teilte. 1913 entschied sich Elisabeth von Bazcko mit ihrer Mutter in der Frühlingstraße zu leben. Anna Goetze und Felicitas von Baczko wechselten in eine Wohnung an den Wall 139, direkt neben den Ausstellungsräumen der Vereinigten Werkstätten.
Ihren Lebensunterhalt verdiente Ana Goetze durch schriftstellerische und journalistische Arbeit. 1910 verfasste sie ein Märchenspiel für Kinder in fünf Bildern, Schneeweiss und Rosenrot, in welchem Rosenrot durch einen heimtückischen Zwerg in eine Katze verwandelt, am Ende jedoch aus diesem Zauber befreit wird. Für das Buch fertigte Heinrich Vogeler die Vignetten an.



Sie schrieb Artikel in Zeitschriften wie der Güldenkammer, die von Dorothee Gallwitz mitgegründet worden war, in der Zeitschrift Niedersachsen, im Bremer Tageblatt und den Bremer Nachrichten Opernkritiken, Artikel über Architektur und die Arbeit des Werkbundes. Sie war begeistert von den Möbeln, die in den Werkstätten ausgestellt wurden. Den altem bürgerlichen Wohnstil lehnte sie ab: "Sehen wir unsere Wohnungen doch einmal näher an, da fallen uns als erste die Unnatur und Geschmacklosigkeit der abscheulichen Überladungen der Stuckverzierungen an der Decke auf. Herunter mit ihnen! Sie drücken und beengen das Zimmer in den meisten Fällen, während eine einfache weiße Decke mit feinen Linienornamenten es frei und um viele Zentimeter höher erscheinen lassen würde. Alle Kunst muß im Hause anfangen."2
Als in Oldenburg ein erstes Haus nach den Reformvorstellungen gebaut wurde, hob sie diese lobend hervor, ebenso den Delmenhorster Rathausbau durch den Architekten Stoffregen, der auch den angrenzenden Platz in die Neugestaltung mit einbezogen hatte.3 Anlässlich der Kunstgewerbeausstellung der Vereinigten Werkstätten für Kunst und Handwerk in Bremen lobte sie die Abkehr von den Schnörkeln des Jugendstils und die Hinwendung zur Qualität der Arbeiten, der Echtheit des Materials und der Arbeitstechnik. Eine erfreuliche Entwicklung sah sie auch auf der Weihnachtsausstellung, auf der der Einfluss der Wiener Werkstätten sichtbar geworden sei, deren Ziel war, nur Gegenstände außerordentlicher Eigenständigkeit und Schönheit herzustellen. Erreicht werden sollte dies durch exquisite handwerkliche Verarbeitung. Die Wiener Werkstätten lehnten die wuchernde Jugendstilornamentik ab, in ihren Arbeiten dominierten geometrisch-abstrakte Formen, die das Kunsthandwerk des gesamten 20. Jahrhunderts beeinflussten. In einem Beitrag anlässlich der Ausstellung äußerte sie sich über die Gestaltung von Bühnenbildern, deren Veränderung ihrer Meinung angesichts schwindender Zuschauerzahlen notwendig seien. Sie nahm dabei Bezug auf Gordon Craig und Max Reinhard, die mit interessanten Experimenten die Diskussion angeregt hätten. Sie vertrat die Ansicht, dass die Veränderungen jedoch nicht nur rein äußerliches Ausstattungswerk sein dürften, sondern das Verhältnis der Proportionalität zwischen Schauspieler und der ihn umgebenden Szenerie eingehalten müsse.
Obwohl Anna Goetze von ihrer Lebensführung und künstlerischen Auffassung durchaus modern war, identifizierte sie sich überwiegend mit den Idealen des aufgeklärten Bürgertums -zur sich entwickelnden Frauenbewegung in Bremen hatte sie trotz ihrer Freundschaft mit Dorothee Gallwitz keine Beziehung. "Selbst dem verhaltenen Feminismus ihrer Cousine…blieb Anna Goetze fern. Vielzu sehr konnte sie sich mit den aufgeklärten bürgerlichen Idealen identifizieren."4

Beißende Kritik und Spott erntete sie für ihre Ausführungen anlässlich des sogenannten "Kampf um die Kunst" 1911, ausgelöst durch den Ankauf eines van Goghs durch den Kunsthallendirektor Gustav Pauli. Es erschien eine Protest-Broschüre von Karl Vinnen und Fritz Erler, der sich gegen diese Anschaffung und den "franzosenfreundlichen" Kunsthandel richtete. Anna Goetze unterzeichnete diesen Protest mit und schrieb in der Weser-Zeitung einen polemischen Artikel gegen den Kunstkritiker Meier-Graefe, den sie als zu oberflächlich charakterisierte.5
1914 fand in Köln die Werkbundausstellung statt. Hier zeigten Künstler aus Bremen - darunter Elisabeth von Baczko - in einem eigens errichteten großbürgerlichen Landsitz ihre Werke. "Treten wir in das Wohnhaus ein, so nimmt uns die wohltuende Würde der Empfangshalle mit angrenzendem Musiksalon von Rudolf Alexander Schröder sofort gefangen," schrieb Anna Goetze."6
Im Ersten Weltkrieg äußerte sie sich kritisch über die Eindrücke angesichts der Meldungen der Schlacht an der Somme - sie jubelte nicht, sondern Verwies auf die ungeheuren Zerstörungen: "Was es bedeutet, dass nun schon Jahre hindurch hunderte von Quadratmeilen fruchtbarer schöner Landschaften mit Wäldern und Feldern, behaglichen Wohnstätten und Anlagen gewerblichen Fleißes, ganze Städte und Dörfer mit ehrwürdigen Denkmälern und alten Domen von den Geschossen der kämpfenden Heere vernichtet werden."7

1920 eröffnete der Berliner Kunsthändler Neumann in Bremen die Dependance seines Berliner Graphischen Kabinetts. Es wurde zunächst von ihr und Karl Weidemeyer ab 1922 von Lina Voigt geleitet.
1933 verließen Anna Goetze und Felicitas von Baczko Bremen und gingern nach mecklenburg.Von 1933 bis 1936 lebte Felicitas in Berlin, wo sie 1935 unter dem Namen Baskiewicz in der Nassauischen Straße wie ihre Schwester auch angemeldet war. Ab Oktober 1936 hielt sie vermutlich bei ihrer Gefährtin Anna Goetze in Wismar und später in Bad Pyrmont auf, wo Anna Goetze 1943 starb. Ab Oktober 1950 bis Oktober 1954 lebte Felicitas wieder in Berlin, zog dann aber nach Traunstein, wo sie ihre letzen drei Lebensjahre im Evangelischen Altersheim verbrachte.


Anmerkungen:
1.Aschenbeck, Nils, Anna Goetze, Schriftstellerin und Kunstkritikerin, Zeit für alles Schöne, Weser-Kurier 17.3.1993, Sonderseite S.19
2.Ebda.
3.Drei Deutsche Frauen 4.12.1918, Güldenkammer
4.Profanbau, S.1.
5.Die Universität Heidelberg hat die Antwort der Künstler auf die Kritik hier veröffentlicht.
6.Aschebeck
7.Aschenbeck
8.Roselius-Briefe,S.190
Publikationen
Am Waldesrand. - Traum einer Wasserrose. Rädon. Warum? Wismar,1890
Die Pflege der Blume als künstlerisches Erziehungsmittel, Bremer Tageblatt 14.4.1901
Architektur und öffentliche Kritik, Bremer Tageblatt, 26.1.1902
Architekt und Künstler, Vortrag von Prof. Behrens im Kunstsalon Leuwer, Bremer Tageblatt 12.1.1906
Schneeweiss und Rosenrot - ein Märchenspiel für Kinder in fünf Bildern- Buchschmuck und Vignetten von Heinrich Vogeler,, Bremen 1910
Das Wunderbare, 1912
Architektur und Innendekoration,in: Die Frau 8/1900/1901 S. 593-599
Die neue künstlerische Bewegung, in: Die Frau 8 1900/1901S. 302 ff.
Schneeweiss und Rosenrot. Ein Märchenspiel in 5 Bildern, Bremen 1910
Das Ergebnis des Preisausschreibens für ein Ausstellungsgebäude des Werkbundes (Ortsgruppe Bremen Oldenburg, Niedersachsen, Jg. 1912/13 S. 475
Das Bremen-Oldenburger Haus im Rahmen der Werkbundausstellung zu Köln, Niedersachsen 1913/14 S. 460 f.
Wohnhaus-Arbeiten von H. Stoffregen, Architekt B.D.A. in:Der Profanbau Jg.1914, S. 1-24
Aus der Kunsthalle. Ausstellung Bremer und Worpsweder Künstler. I., in: Weser-Zeitung , 14. 12. 1915
Das Kunstgewerbe in Bremen, Güldenkammer, Heft 1.1 Jg. 1910 S., 166-167
Reform des Bühnenbildes, Zu den Ausstellungen der Vereinigten Werkstätten, Güldenkammer
Frauen im Dienste der Werbekunst, in: Das Plakat Bd. 10, Nr. 2: 93-108 Bremen 1919
Literatur und Quellen:
Aschenbeck, Nils, Anna Goetze, Schriftstellerin und Kunstkritikerin, Zeit für alles Schöne in: Weser-Kurier 17.3.1993, Sonderseite S.19
Lexikon deutscher Frauen der Feder: Vollständiger Neusatz beider Bände in einem Buch, S.206
Roselius, Ludwig: Briefe, Bremen 1919
Fotografie: F. Baczko
Autorin Edith Laudowicz