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Amalie Henriette Sophie Murtfeldt

22.3.1828 Bremen - 28.6.1888 in Bremen

Amalie Murtfeldt, am 22.03.1828 in Bremen geboren, besaß aufgrund ihrer Begabung beste Voraussetzungen für eine Malerinnenkarriere. Ihre Eltern Carl Friedrich Murtfeldt und Friederike, geb. Schneidel, die dem verarmten Bildungsbürgertum angehörten, ermöglichten ihr und ihrer drei Jahre älteren Schwester Ida, die Klavierlehrerin wurde, eine sorgfältige, außergewöhnlich intensive "akademische" Ausbildung. Dies geschah bei beiden Töchtern auch im Hinblick darauf, daß sie keine Mitgift zu erwarten hatten und später als möglicherweise ledige Frauen ihre Talente in berufliche Aktivitäten umsetzen mußten. Damit genossen die Töchter ein Privileg, das in der Mitte des 19. Jahrhunderts erst wenigen Frauen vergönnt war.

Die Ausbildung Amalies begann mit einem zweijährigen Praktikum bei dem Bremer Porträtmaler Karl Kirchner, das sie 1849 mit einer Auszeichnung beendete: "Dem Fräulein Amalie Murtfeldt ertheile ich mit Vergnügen das Zeugniß, daß dieselbe sich während 2 1/2 Jahren unter meiner Leitung dem Studium der Malerei mit dem günstigsten Erfolge widmete, wie die erfreulichen Leistungen derselben beweisen. Demnach hege ich die feste Überzeugung, daß Fräulein Murtfeldt bei ihrem entscheidenden Talente durch fortgesetztes, fleißiges Studium im Fache der Bildnismalerei zu etwas Bedeutendem gelangen werde."1

Mit diesem Zeugnis bewarb sie sich in ihrer Geburtsstadt um ein dreijähriges Senatsstipendium und erhielt dieses auch als erste bremische Malerin. Noch im gleichen Jahr wurde Amalie Murtfeldt Privatschülerin an der Düsseldorfer Kunstakademie bei Carl Ferdinand Sohn. 1852 wechselte sie nach Berlin, um in Museen Meisterwerke zu kopieren. Diese anregenden Jahre standen im Zeichen engster Kontakte zum Kugler-Kreis, dem neben der Bremer Malerin Louise Kugler der Münchner Dichter und Novellist Paul Heyse (Literaturnobelpreis 1910) und der Kunstkritiker Friedrich Eggers angehörten. Die Jahre 1855-1857 führten sie nach Paris in das renommierte Atelier des Historienmalers Thomas Coutures und zu intensiven Studien in den Louvre. Nachdem Amalie Murtfeldt 1857 nach Bremen zurückgekehrt war, unterrichtete sie fast zehn Jahre lang als Zeichenlehrerin an der Höheren Töchterschule von Meta Albers. Die begeisterten Schülerinnen brachten ihr viele Sympathien entgegen und blieben ihr auch treu, nachdem sie ihr erstes Atelier als selbständige Malerin in Bremen eröffnet hatte.2 Doch zuvor, in den Jahren 1868/ 69, zog es sie noch einmal für weitere Studien in die Feme nach Italien, besonders nach Rom.

Die sich anschließende bremische Ateliersgründung erfolgte mit Unterstützung mehrerer Kaufmannsfamilien wie Gildemeister, Nielsen und Treviranus, die allgemein als Mäzene und Förderer auftraten und Amalie Murtfeldt im besonderen viel Wohlwollen entgegenbrachten. Obwohl die Ateliersgründung einer jungen Frau eine Sensation in jener Zeit bedeutete, setzte die ihr entgegengebrachte Hilfe auch Kompromissbereitschaft ihrerseits voraus. , damit jedoch war Amalie Murtfeldt weitgehend von Auftragsarbeiten des bremischen Großbürgertums abhängig, das mit seinem nichtentwickelten Kunstverständnis dem des ausgehenden 19.Jahrhundert verhaftet blieb. Dieses war gekennzeichnet durch das Pathetische und Repräsentative des Klassizismus und Historismus mit seinen Bezügen zur Mythologie der Antike und des Mittelalters und wurde vor allem durch Athur Fitger repräsentiert. Andererseits orientierte sich das hanseatische Handelspatriziat auch am vergangenen niederländischen Kunstsinn. Helga Clauss zitiert dazu: ,'der Materialismus der Stadtrepublik - im Sinne von Gewinnstreben - sah Kunst nicht, wie es in den Residenzen geschah, als Mittel der Repräsentation und Bestätigung eines kulturellen Erfolges an. Bremische Bürger bekannten sich zu niederländischen Kulturtraditionen." Diese Traditionen standen der luxuriösen, zweckfreien Kunst fern und fanden vor allem ihren Ausdruck in der Porträtkunst. "Weder die Repräsentationsfähigkeit von Hof und Residenz noch das kaufmännische Mäzenatentum mediceischer Art galten als Vorbild für bremischen Kunstsinn. Eigentliche Großzügigkeit zeigte sich nicht in finanzieller Förderung von Kunst, sondern in einer Bereitschaft zum Gemeinschaftssinn, als Wohltätigkeit. Sie resultierte aus einem Verständnis von Anstand und Sitte, das durch calvinistische Glaubensinhalte geprägt war."3 Deshalb umgaben sich die bremischen Bürger auch nur mit dem Wohlstand, der ihnen notwendig erschien und der in der Porträtkunst seinen Ausdruck fand.

Obwohl Amalie Murtfeldt nicht der erwachenden Vorliebe für Historienmalerei nachkam, konnte sie doch eine notgedrungene Anpassung an die "konservative" bremische Kunstszene mit ihrer Vorliebe für Porträtmalerei nicht vermeiden. ."4 Die Zeit und die Kraft, die sie den Auftragsarbeiten und dem Malunterricht widmen musste, schmälerten ihre künstlerischen Ambitionen. Amalie Murtfeldt blieb Malerin im Zweitberuf.5

Amalie Murtfeldt muß sich dessen in reiferen Jahren bewusst geworden sein. So ist ihre Karriere, die einst so hoffnungsvoll begann, in ihrer letzten Lebens- und Schaffensperiode vielleicht sogar mit einer gewissen Tragik verbunden, da sie sich mehr und mehr aus der Öffentlichkeit zurückzog. "Dem großen Publikum - war Amalie Murtfeldt in den letzten Jahren fremd und fremder geworden; denn ihre sensible Natur scheute sich immer mehr davor, ihre Kunstwerke dem allgemeinen Urtheil preiszugeben; aber die wenigen, die das Glück hatten, ihr Atelier betreten zu dürfen, vollends die Auserwählten, die ein Werk ihrer Hand zu täglich wiederholtem Genuß ihr eigen nennen, die wissen, zu welcher Vollendung sie sich, rastlos strebend, mit der Zeit emporgearbeitet hatte."6

Bremens "größte Künstlerin des 19. Jahrhunderts"(Arthur Fitger), die körperlich immer hinfälliger geworden war, starb am 28. Juni 1888 im Alter von 60 Jahren. Das inzwischen aufgelöste Grab lag in unmittelbarer Nähe des Familiengrabes von Lissy Susemihl-Gildemeister.

Heute werden Amalie Murtfeldts Porträts und Zeichnungen nach dem Urteil Dr.Löhr vom Focke-Museum als "handwerklich ordentlich, aber nicht überragend" eingeschätzt. Seit der letzten großen Ausstellung von 1889 befinden sich ihre Werke in den Archiven der Kunsthalle und des Focke-Museums. Anmerkungen: 1. Clauss, Helga: Aspekte zur Malerei in Bremen vom Vormärz bis zur Gründerzeit, S. 172-224, in: Beiträge zur Sozialgeschichte Bremens, Heft 10, Schöne Künste... und ihr Publikum im 18. und 19. Jahrhundert, Kunst und Literatur, Teil l, Bremen o.J., S. 206
1. Asendorf, Kurt: Profile aus Bremen und Umgebung, S. 25
2.itger, Arthur: "Amalie Murtfeld", Mittagsausgabe Weser Zeitung v. 4.7.1888
3. Clauss,Helga, S. 176
4. ebda., S. 206
5.ebda
6. Fitger,Arthur s.o.
Literatur und Quellen: Asendorf, Kurt: Erinnerung an Amalie Murtfeldt, S. 24-26, in: Profile aus Bremen und Umgebung - Beiträge zur Heimatgeschichte, Verden 1979, S. 24

Muysers, Carola: "In der Hand der Künstlerinnen fast allein liegt es fortan...", Zur Geschichte und Rezeption des Berufsbildes bildender Künstlerinnen von der Gründerzeit bis zur Weimarer Republik, S. 50-65, in: Feministische Studien, 14. Jahrgang, Mai 1996, Nr. l, S. 50
Autorin: Ute Domdey, entnommen der Broschüre: Riensberger Gräber erzählen, Aus dem Leben Bremer Frauen, Bremer Frauenmuseum e.V. (Hrsg.) 1987