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, Bertha Frieda Maria Thiersch - Bremer Presse

2.7.1889 München - 10.7.1947 München




Ausbildungsjahre

Frieda Thiersch war die Tochter des Münchener Architekten und Malers Friedrich von Thiersch und seiner Frau Auguste, geb. Eibler. Das Ehepaar hatte acht Kinder, Frieda wurde 1888 geboren. Schon als Kind wurde sie ermutigt, zu zeichen. "In einem Gartenhaus auf dem elterlichen Grundstück, dem Russischen Pavillon, befand sich bis 1905 die Malschule von Anton Ažbe, in der Künstler-Persönlichkeiten wie Fanny Gräfin zu Reventlow und Wassily Kandinsky studierten."1 Nach Abschluss ihrer Schulzeit studierte Frieda Thiersch von 1907 bis 1910 an der Königlichen Kunstgewerbeschule München. Sie erhielt auch Klavierunterricht bei dem bekannten Tenor und Komponisten Ludwig Hess mit dem sie eine Liebesbeziehung hatte und schwanger wurde. Die Familie war entsetzt und Frieda durfte Ludwig nicht mehr sehen. Um ein Gerede über die Schwangerschaft zu vermeiden, wurde sie nach Frankreich geschickt und brachte dort ihren Sohn Ernst Thomas am 17. August 1910 im französischen Étrembières nahe Genf zur Welt. Im Anschluss übergab sie das Kind Verwandten in der Schweiz und reiste im November 1910 nach London. In der Buchbinderei des schottischen Buchbinders Charles McLeish machte bis 1912 eine Buchbinderausbildung.
Mc Leish bestätigte ihre hervorragende Fähigkeiten sowohl in der Buchbinderei wie auch im Design. "Während ihrer Zeit bei uns arbeitete Fräulein Thiersch den gesamten Arbeitstag und wurde eine sehr zu bestätigen, dass Fräulein Thiersch eine sehr fähige Kraft sowohl im Buchbinden wie auch im Design war. Ich zögere nicht zu sagen, dass sie die begabteste Schülerin ist, die wir je hatten und wir können sagen, dass sie wenn sie uns verlässt eine professionelle Kraft ist. Ihre Buchbindearbeiten wurden schon in London gezeigt und wurden dort sehr bewundert.2

Beginn der Arbeit für die Bremer Presse

Im November 1912 kehrte Frieda Thiersch nach Deutschland zurück. Um ihre Kenntnisse zu erweitern, nahm sie eine Tätigkeit bei dem Leipziger Kunstbuchbinder Carl Sonntag jun. an. Im Oktober 1913 zog sie nach Berlin und eröffnete in der Kurfürstenstraße 50 ihre erste eigene Werkstatt. Sie lernte hier die Gründer der Bremer Presse Willy Wiegand, den technische und Ludwig Wolde den literarischen Leiter kennen. Sie baten sie, die Leitung der bis dahin von P. A. Demeter geführten Buchbinderei der Presse zu übernehmen. Mitarbeiter der Bremer Presse waren Rudolf Alexander Schröder, Hugo von Hofmannsthal und Rudolf Borchardt.

Der Erste Weltkrieg

Am 15. Januar 1914 starb ihre jüngere Schwester Marie. Zu Kriegsbeginn meldete sie sich für den Einsatz an der Westfront, wo sie als Rotkreuzschwester während des gesamten Ersten Weltkrieges in Lazaretten an verschiedenen Fronten tätig war. Im selben Jahr fiel ihr Bruder Heinrich am 22. Oktober an der Westfront.3


Das eigene Atelier

Nach Kriesende konnte sie ihre Buchbinderei zunächst in der elterlichen Villa aufnehmen, dann in der ersten Etage des Russischen Pavillons in der Georgenstraße 16a, den Willy Wiegand 1921 erwarb und dort im Erdgeschoss die Bremer Presse eröffnete. Hier finden sie die Ziele der Presse
Die Bremer Presse brachte ausschließlich Werke in literaturwissenschaftlich relevanten Neubearbeitungen heraus. Sämtliche Druckschriften wurden von Willy Wiegand gezeichnet, Louis Hoell war der Stempelschneider, Titel und Initialen wurden von Anna Simons, einer Schülerin Edward Johnstons von Hand gezeichnet und von dem Drucker Josef Lehnacker ebenfalls von Hand in Buchsbaumholz geschnitten. Gedruckt wurde auf eigens für die Presse handgeschöpften Papieren auf einer Handpresse.
Die schlichten, fast strengen Einbände der Werkstatt Thiersch gaben den Publikationen der Presse eine würdige äußere Hülle. Ein Teil der Bücher wurde in Leder, ein weiterer Teil in Ganzpergament sowie einige verbliebene Stücke in schlichte Pappbände gebunden, die es den künftigen Besitzern ermöglichten, ihr Exemplar von einem Buchbinder ihrer Wahl individuell binden zu lassen. Frieda Thiersch wandte in ihre Arbeit eine Anzahl wiederkehrender Techniken an, die der gesamten Reihe ein einzigartiges, wiedererkennbares Erscheinungsbild verliehen. Ihre hochwertigen Einbände hatten ihr internationale Anerkennung verschafft. 1930 erhielt sie den Auftrag, in anderthalb Tagen ein Exemplar des Missale Romanum für den persönlichen Gebrauch von Papst Pius XI. zu binden, dieser bedankte sich mit einem persönlichen Schreiben.
Frieda Thiersch arbeitete nicht nur für die Bremer Presse, sondern auch für andere Verleger. Die hohe Qualität der Bremer Presse hatte ihren Preis: die fünfbändigen Bibelausgabe von 1927 je nach Einbandvariante und Art der Vergoldung zwischen 85 RM und 425 RM pro Band, für noch heute antiquarisch zu erwerbende Bücher wird immer noch ein sehr hoher Preis gefordert.
Ihre Bücher waren auf vielbeachteten Ausstellungen vertreten, so im Londoner First Edition Club (1929), auf der Weltausstellung in Barcelona (1929) und auf der Mailänder Triennale (1930, 1933, Goldmedaille 1936). 1937 erhielt sie die begehrte Goldmedaille bei der Pariser Weltausstellung.
Die sich verschlechternden wirtschaftliche Lage in den 20 Jahren führte dazu, dass die die Bremer Presse 1934 ihre Arbeit einstellte und sie einen Großteil ihrer Mitarbeiter entlassen musste. Sie gründete eine Schule für Buchbinderinnen, in der sie einige Jahre lang Töchter aus wohlhabenden Familien ausbildete. Willy Wiegand stellte bis 1939 noch einige Auftragsarbeiten anderer Verlage fertig, dann beendete der Zweite Weltkrieg die Tätigkeit der Presse vollständig.


Aufträge der faschistischen Machthaber

Ihr Ruhm brachte ihr in der Zeit des Nationalsozialismus zahlreiche staatliche Aufträge ein, diese ohne jegliche Bedenken mit den verbliebenen Mitarbeitern ausführte - es wurden Urkundenmappen, Gästebücher, Fotoalben, Kassetten und repräsentative Geschenkeinbände für die Mächtigen des NS-Regimes produziert. Viele ihrer Aufträge entstanden für Hitlers privaten Bedarf. Zweifelhafte Prominenz erlangte sie durch die unter der Leitung von Gerdy Troost2 entstandenen Verleihungsurkunden und Mappen zum Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes. Sie sicherte sich den lukrativen Exklusivvertrag und ließ Urkunden und Einbandarbeiten von der Werkstatt Thiersch durchführen."3 Die Urkunden schrieb die Anna-Simons-Schülerin Franziska Kobell von Hand auf Pergament, die Einbände wurden von Frieda Thiersch entworfen und ausgeführt, und für die reichhaltige Vergoldung der von Frieda Thiersch gezeichneten Muster (in der Regel mäanderartig ineinander verschlungene Hakenkreuz-Variationen) zeichnete der Münchener Juwelier Franz Wandinger verantwortlich.
1944 wurde der Russische Pavillon in der Georgenstraße 16a von einer Fliegerbombe getroffen. Ein Großteil der Büchersammlungen Willy Wiegands und Frieda Thierschs sowie fast alle Belege, Einbandmaterialien und Werkzeuge wurden ein Raub der Flammen. Frieda Thiersch, mittlerweile bereits an Lungenkrebs erkrankt, richtete sich mit den verbliebenen Mitteln eine kleine Werkstatt in Grassau im Chiemgau ein, wo sie Muster für Spitzendecken und Teppiche sowie kleine Lederarbeiten wie Geldbörsen und geflochtene Gürtel fertigte. Kurz nach Kriegsende siedelte sie erneut in eine Münchener Wohnung um, wo sie noch ein weiteres Jahr allein arbeitete. Am 11. Juni 1947 erlag sie der Krebserkrankung.
Anmerkungen:


1.http://www.linkfang.de/wiki/Frieda_Thiersch
2.Gerhardine Troost geb. Andresen (* 3. März 1904 in Stuttgart; (gest. 30. Januar 2003 in Bad Reichenhall) war die Tochter des Bremer Kunstgewerbehändlers Andresen, der mehrere Holzkunstwerkstätten betrieb. Nach ihrer Schulzeit (1910 bis 1920) arbeitete sie in den väterlichen Betrieben, wo sie 1923 den Architekten Paul Ludwig Troost, der den Monumentalstil des Nationalsozialismus entwickelt hatte, kennenlernte. Beide zogen 1924 nach München und heirateten 1925. Über ihren Mann lernte sie 1930 Adolf Hitler kennen und trat 1932 der NSDAP bei.
Quellen:
Veröffentlichung der Abteilung Gesellschaftswissenschaften un der Spezialabteilung 26:Die Bremer Presse, Eine Gemeinschaftsausstellung der Universitätsbibliothek Bremen und der Stadtbibliothek Hannover 7. Dezember 1979 bis 5.Januar 1980, https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_von_Thiersch
https://de.wikipedia.org/wiki/Willy_Wiegand
https://de.wikipedia.org/wiki/Frieda_Thiersch
http://www.wortwelle.com/der-pergamentband-der-frieda-thiersch-von-paul-kersten
https://de.wikipedia.org/wiki/Gerdy_Troost
Wortwelle-Blog: Frieda Thiersch, Auchbuchbinderi
. boingboing.net: Hitler's Bookbinder, von Michael O'Shaughnessy
Literatur von und über Frieda Thiersch im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
Am Klingspor-Museum sind ca. 40 Titel aus der Zeit von 1919 bis 1932 vorhanden, außerdem ein Papierumschlag mit verschiedenen Schriftproben der Presse: darunter zwei Antiqua-Schriften sowie eine breite Fraktur mit viel Körper, die für die fünfbändige Ausgabe der Bibel (1926- 1928) Verwendung finden sollte. Darüber hinaus erhielt das Klingspor-Museum 1980 überraschenderweise von Erben Willy Wiegands Originalstempel und Kupfermatrizen zweier Pressenschriften (Bibelschrift und Griechische Type).
Autorin: Edith Laudowicz