Verfolgungen in Faschismus
 
 
 
  1933 - 45 | Widerstand | Verfolgung | Aktuelles
 
 

Täterinnen und Täter

Antisemitische Aktionen in der Weimarer Zeit

Nicht erst mit der Machtübernahme der Nazis tobte sich der Antisemitismus aus.Schon früh wurden antisemitische Flugblätter verteilt, in denen den Juden die Kriegsschuld zugeschoben wurde. "Man dichtete ihnen politisch gesehen die Rolle der Drahtzieher hinter den Kulissen an, und menschlich gesehen schürte man obendrein die Abscheu gegen sie als angeblich gierig-unersättliche Männer mit übergroßer sexueller Potenz, vor denen keine deutsche Frau sicher sei -so mit dem Flugblatt "Ende des Militarismus - Anfang der Juden-herrschaft" auch warnte man mit Aufrufen die Frauen: "Deutsche Frauen! Deutsche Mädchen! Haltet Euch fern von Juden, Negern,Russen, Mongolen."
Im Herbst 1923 zogen nach einer Versammlung spätabends völkisch gesinnte Trupps durch die Straßen mit dem Ruf "schlagt alle Juden tot", stießen auf einen ehemaligen jüdischen Frontsoldaten, fielen über ihn her und verletzten ihn erheblich an Kopf und Hand. Die Tat wurde gerichtlich verfolgt und geringfügig geahndet.


1928 kame es zu einem höchst peinlichen Zwischenfall: ein Trupp von alkoholisierten Jugendlichen der NSDAP, sich gegenseitig mit Hetz-parolen animierend, war ausgeschwärmt und hatte auf seinem Wege von ihrem Versammlungslokal in der östlichen Vorstadt in Richtung Bahnhof die Gegend unsicher gemacht. Etliche Juden wurden ihre Opfer, so auch nichtbremische jüdische Geschäftsreisende und zu ihrem Pech eine Persönlichkeit des politischen Lebens: Nichtsahnend war der brasi-lianische Konsul mit einem südamerikanischen Bekannten die Straße Am Wall entlanggegangen, als sich ihre Wege mit denen der Rowdys kreuzten. Im Glauben, Juden vor sich zu haben, fielen diese über den Konsul her, der dabei zu Boden geworfen und mißhandelt wurde - er trug etliche Wunden und Blutergüsse davon. die Täter wurden wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung zu Gefängnisstrafen zwischen drei und zwölf Monaten verurteilt.1

1:Bruss, Regina,Die Bremer Juden unter dem Nationalsozialismus, Bremer Staats- und Universitätsbibliothek 1985, S.13


Störungen der IFFF-Veranstaltungen



Auch in den Veranstaltungen der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit (IFFF) kam es schon seit 1920 zu Auseinandersetzungen mit völkisch nationalen Kräften, die die Veranstaltungen störten.
Für den 25.2.1920 hatte die IFFF gemeinsam mit der Deutschen Friedensgesellschaft zu einer Veranstaltung in der Union zum Thema "Republik oder Monarchie" eingeladen. "Schon vor Beginn der Veranstaltung flatterten farbige antisemitische Handzettel von der Galerie. Daß von dort aus während des Vortrags auf den Tisch der Pressevertreter gespuckt wurde, wurden verdient zur Charakterisierung dieser Radaubrüder besonders hervorgehoben zu werden. Es kam zu tumultartigen Szenen während der Veranstaltung und zur Verhaftung des Rädelsführers, ein Handlungsgehilfe aus Verden, hatte Gesinnungs-genossen mobilisiert hatte, um auf der Veranstaltung "schlagkräftige Argumente" vortragen zu können. In der Vernehmung durch die Polizei begründete er die Motive seines Handelns: "Die Welt am Montag ist ein ausgesprochen jüdisches Blatt und deutsch-völkischen Bestrebungen feindlich gesinnt und zieht alles, was uns heilig ist, in den Dreck. Aus Berliner Meldungen hatten wir ersehen, dass bei einem dortigen Auftreten Herrn von Gerlachs deutschblütige Zwischenrufe durch Gewalttätigkeiten der Juden verhindert wurden.

Am 12.4.1025 hielt Pfarrer Ernst Klein auf Einladung der IFFF einen Vortrag im Casino mit dem Thema: Monarchie oder Republik? Friedliche Verständigung oder Katastrophenpolitik
In der Veranstaltung ging es um die Rolle Hindenburgs, für den die zahlreich erschienen deutschnationalen Männer gegen den Vorwurf verteidigten, dass er möglicherweise nicht für "die Wahrung und Mehrung des Reiches eintrete" mit dem Argument, das Hindenburg noch nie sein Wort gebrochen habe und den Willen des Volkes umsetzen werde. Es kaum zu tumultartigen Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen politischen Gruppierungen und einem hämischen Artikel in der Bremer Rundschau, in dem es zum Abschluss hieß: "Das innerlich unwahre, demagogische Auftreten des Herrn Klein und die gewalttätige Art, mit der die Pazifistengarde die durchaus sachlich gehaltenen Ausführungen der Diskussionsredner zu überbrüllen suchte, dürfte der "Deutschen Friedensgesellschaft wohl wenig neue Freunde in Bremen gewonnen haben."
Anmerkung zu Hindenburg: Am 30. Januar 1933 berief Hindenburg Adolf Hitler zum Reichskanzler. Trotz seiner anfänglichen persönlichen Abneigung gegen Hitler, den er abschätzig den "böhmischen Gefreiten" nannte, geriet Hindenburg immer stärker in dessen Einflussbereich.] Am 1. Februar 1933 löste er den Reichstag auf. Die Verordnung zur Auflösung des Reichstages ist unterschrieben von Hindenburg, Hitler und Frick.

Täterinnen

Ohne Zweifel war das NS-Regime ein strikt patriarchalisches, das Frauen keine Gleichheit zubilligte, sondern innerhalb der Volksgemeinschaft eine funktionale Rolle zumaß. Doch reduzierte sich diese Funktion keineswegs auf die gehorsame Erfüllung von Mütterlichkeit und der Rolle als Ehefrau. Männlichkeit wie Weiblichkeit bildeten im Nationalsozialismus soziale Konstruktionsprinzipien, die innerhalb der volksgemeinschaftlichen Ordnung auch Frauen, wenn sie den definierten rassistischen Kriterien entsprachen, durchaus Handlungsoptionen und Aufstiegschancen boten - so zum Beispiel in den zahlreichen NS-Organisationen, insbesondere im Bund deutscher Mädel (BDM), in der Nationalsozialistischen Frauenschaft oder der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV). Nicht weniger als zwölf Millionen Frauen waren Mitglieder der Massenorganisationen des NS-Regimes in den Massenorganisationen wurden sie auf die nationalsozialistischen Ziele eingeschworen, darunter das Hauptziel der Vernichtung der Juden. 500.000 Frauen waren im Heer als Wehrmachtshelferinnen eingestellt , 200.00 wurden in die eroberten Gebiete abkommandiert. Mit Beginn des Massenmordes an den Juden und politischer Gegner wurden auch zahlreiche Frauen in den Gefängnissen und Konzentrationslagern beschäftigt. Aus Bremen bewarb sich Johanna Gode als Aufseherin für das KZ Ravensbrück.
"Als Hitlers Truppen im Sommer 1941 weit Gebiete im Osten eroberten, wurde die Arbeitspflicht ausgeweitet und immer mehr Frauen wurden in kriegswichtigen Industriezweigen, Ämtern und Krankenhäusern eingesetzt. Mit der Eroberung der Ostgebiete wurde das Ziel verfolgt, in einem Zeitraum von zwanzig Jahre 30 bis 50 Millionen slawische "Untermenschen" umzubringen. Um dieses Vorhaben realisieren zu können, wurde eine Kampagne unter dem Motto "Der Osten braucht dich" gestartet, die sich an Frauen richtete. 1943 gingen mehr als 3000 junge Frauen nach Polen, ihr Anteil erhöhte sich auf 19000.1 Als Ansiedlungsbetreuerinnen und "Rasseprüferinnen" waren sie am Kinderaub der SS, die arisch aussehende Kinder raubte und diese dann in Heime zwecks Assimilierung unterbrachte um sie danach zur Adoption in Deutschland freizugeben, direkt beteiligt. Auch die zahlreichen Lehrerinnen waren in die Aussonderungs- und Tötungsmaschinerie einbezogen: aufgrund des Gesetzes zur Verhinderung erbkranken Nachwuchses hatten sie die Verpflichtung in den Schulen, Kinder mit Behinderungen zu melden.
In besonders starkem Umfang wurden Krankenschwestern zu Mörderinnen. "Von allen weiblichen Berufen war dieser der tödlichste. Von zentraler Stelle geplanten Massentötungen begannen weder in den Gaskammern von Birkenau noch mit den Massenerschießungen in der Ukraine, sondern in den Krankenhäusern des Reichs. Die ersten Methoden waren Schlaftabletten, die Injektionsnadel und das Verhungernlassen. Die ersten Opfer waren Kinder. Während des Krieges verabreichten Krankenschwestern Tausenden von missgebildeten Kleinkindern Barbiturate, setzten tödliche Morphiumspritzen oder verweigerten ihnen Essen und trinken."2 Die Vernichtung der Juden und die Errichtung von KZ's und Ghettos erforderte zahlreiches Verwaltungspersonal. Viele junge Frauen bewarben sich auf die ausgeschriebenen Stellen, weil diese besser bezahlt wurden und ein höheres Prestige hatten, teilweise sahen die jungen Frauen die Entsendung ins Ausland auch als Abenteuer an. Die jungen Frauen, die im Gestapo Hauptquartier arbeiteten, hatten u.a.die Aufgabe, die Listen für den Abtransport der Juden zusammen zu stellen, das enteignete Vermögen zu erfassen, Vernehmungen zu protokollieren und wurden auch Zeuginnen von Folter und Misshandlungen. Mittäterinnen wurden auch Denunziantinnen, ermuntert durch die offizielle Politik sahen einige Frauen darin die Möglichkeit, Konflikte mit Nachbarn oder Bekannten vorteilhaft für sich zu entscheiden. Die Bremerhavenerin Johanne Eilers sprach mit dem Kommunisten Georg Meyer über den Kriegsverlauf. Meyer drückte seine Sorge aus, dass sein Enkel bald in den Krieg nach Russland eingezogen würde und angesichts des Eintretens der Amerikaner in den Krieg ""dass es uns wieder so gehen würde wie damals - gemeint war die Niederlage im Ersten Weltkrieg." Johanne Eilers zeigte ihn an und Johann Meyer wurde für diese Äußerung hingerichtet. 1Entazi S.145

Hier mehr:Zwischen-Mutterkreuz-und-Gaskammer

Nach dem Krieg

Aus den Entnazifizierungsverfahren ist zu entnehmen, dass die angeklagten Frauen sich häufig auf Unwissenheit über die tatsächlichen Vorgänge beriefen z.B. Johanna Gode, die angab nicht gewusst zu haben, was im "Arbeitserziehungslager" Ravensbrück wirklich geschieht. Manche aktive Nationalsozialistinnen beriefen sich darauf, sie hätten nur helfen wollen. So die Kreisfrauenschaftsleiterin der Nationalsozialistischen Frauenschaft /NSF) für den Kreis Wesermünde."In der Kreisfrauenschaft habe ich nur das Helfen gesehen, wir haben ungeheuerlich viel geholfen und nicht danach gefragt, ob einer der Partei angehörte."3 Auch gaben sie an, sie hätten derartige Anordnungen als Beamtinnen nicht verweigern können. In den Verhören von Täterinnen wurde deutlich, dass "eine treibende Kraft hinter der Radikalisierung der Gewalt im Reich ein tiefsitzender Antisemitismus war, für den selbst das Leben von Kindern nichts zählte. "Studien zu Tätermotiven erklären, diejenigen, die zu von Hass geleiteten Taten anstiften, wollen sich selbst und die Welt um sie herum von beunruhigenden, chaotischen Ambivalenzen und Komplexitäten befreien. Die Tätermentalität ist demnach ein "gespaltenes Denken" in den Kategorien von alles oder nichts, von schwarz oder weiß, Freund oder Feind. Sich selbst betrachtet der Täter-die Täterin -oft als aufgeklärt, als im Besitz einer großen Wahrheit, ihren Feinden überlegen, über jeden Vorwurf und jede Rechtschaffenheit erhaben, darum bemüht, sich aus einer Welt der Dichotomien zu befreien."4 Aussagen, die leider auch für verschiedene Kräfte der Gegenwart immer wieder zutreffen.

Anmerkungen: 1. Lower, Wendy, S.55
2. ebda: S.157
3. Franke, Christia: Wir sehen in der Betroffenen eine wirklich gute Frau, in Schöck-Quinteros, S. 87
4. Lower, S. 209
Eva Schöck-Quinteros(Hg.) Was verstehen wir Frauen schon von Politik, Entnazifizierung ganz normaler Frauen in Bremen (1945-1952)
Aus den Akten auf die Bühne Bd. 4, Bremen 2011, S.402
Herkommer, Christina: Frauen im Nationalsozialismus - Opfer oder Täterinnen? München 2005
Lower, Wendy: Hitlers Helferinnen -Deutsche Frauen im Holocaust, München 2004
Benz Ute, Frauen im Nationalsozialismus,Dokumente und ‚Zeugnisse, 2. Auflage München 1997
Literatur zum Thema Frauen und Faschismus:
Zorm Gerda, Freuen gegen Hitker, Berichte aus dem Widerstand 1933 - 1945, Frankfurt 1974
Frauen unterm Hakenkreuz, Berlin 1983
Tidl, Georg: Die Frau im Nationalsozialismus, Wien, München, Zürich 1984
Elling, Hanna: Frauen im deutschen Widerstand 1933 - 45 , Frankfurt 1978