1933 - 1945: Frauen im Faschismus - Widerstand, Opfer und Täterinnen

In dieser Rubrik finden Sie Informationen zur Machtübernahme der Nazis in Bremen, über die Verfolgung der jüdischen Bürger Bremens,der Sinti und Romas sowie über ZwangsarbeiterInnen und Bestrafungen von Frauen, die sich kritisch über das Regime äußerten aber auch über Frauen, die sich durch aktive Unterstützung des NS-Regimes und Denunziationen schuldig machten. den Widerstand der politischen Parteien und Gruppen sowie Widerstand in kirchlichen Kreisen.


Hier können Sie einen Film zur Machtergreifung Hitler in Bremen ansehen

Verfolgung und Ermordung der jüdischen Bürger

Mit der Machtübernahme der Nazis wurden die Juden durch immer neue Verordnungen aus dem öffentlichen Leben verdrängt, ihre Existenzmöglichkeiten mehr und mehr eingeschränkt und durch zahlreiche Verordnungen nicht nur sämtlicher bürgerlicher Rechte sondern auch des Vermögens beraubt.
Eine ausführliche Zeitleiste über die verschiedenen Maßnahmen finden sie hier 1933 lebten in Bremen 1.314 Juden - das war ein Anteil von 0,41 Prozent. Mit der Machübernahme der NDAP setzte die Drangsalierung der jüdischen Bevölkerung Deutschlandweit und auch in Bremen ein. In der Reichspogromnacht am 9.November 1938 wurden in Bremen fünf Bremer ermordet, darunter Selma Zwienicki und Martha Goldberg und ihr Ehemann. Mit zahlreichen Maßnahmen wurden sie aus dem wirtschaftlichen und öffentlichen Leben verdrängt, sie mussten ihre Geschäfte aufgeben, wurden aus dem öffentlichen Dienst entlassen und erhielten für zahlreiche Berufe Betätigungsverbote.
Ihr Lebensraum immer weiter eingeschränkt. Sie wurden aus ihren Wohnungen und Häusern verjagt, man stahl ihnen ihren Besitz, verbot ihnen die Teilnahme am öffentlichen Leben und schließlich wurden sie ermordet.
Wegen angeblicher "Rassenschande" wurde Ida Steinhardt von der Gestapo verhaftet und am 24.2.1939 in das Konzentrationslager Ravensbrück gebracht, wo sie ermordet wurde. 440 Juden Bremens wurden im November 1941 zu den Ghettos in Minsk und Riga deportiert - darunter die Schwestern Dora und Henny Bromberger. Im Jahr 1942 wurden 114 Bremer Juden in die Konzentrationslager Auschwitz und Theresienstadt gebracht und ermordet, unter ihnen Johanna Rosa Leuwer. am 28.5.1942 wurden 1400 Frauen aus dem KZ Ravensbrück mit Gas ermordet.

Auf den Seiten des Projektes Stolpersteine Bremen finden sie die Biografien ermordeter Juden und Jüdinnen aus Bremen.

Der Bremer Kriegsverbrecher Többens

Einer der Profiteure des Überfalls auf Polen und der Errichtung zahlreicher Konzentrationslager und Ghettos, war Walter Többens, der in Vegesack ein Textilgeschäft betrieb.Er hatte Kontakte zum Geschäftsführer der Wirtschaftsgruppe Groß- und Einzelhandel in Berlin, der im Kreis Tomaschow jüdische Zwangsarbeiter beschäftigte. Többens wurde von ihm in das Warschauer Ghetto geholt. Wo er mit dem Danziger Fritz Emil Schultz Fabriken einrichtete. Dort gab es eine Schneiderei, eine Schuhmacherei und Kürschnerei sowie Produktionsstätten für Mützen- und eine Gummifabrik.
1942 wurden in der Stickerei-Abteilung, die Schultz in der Nowolipie Straße leitete, in der 3000 Zwangsarbeiter beschäftig waren, Pullover, Socken. Schuhe, und Lederprodukte für die Wehrmacht gefertigt.
Unter welchen Bedingungen die Arbeit stattfand, berichtete Vladka Meed, Zwangsarbeiterin in der Fabrik Többens: "Halbtot und vor Unterernährung und Schmerzen und in ständiger Hetze schafften manche Arbeiterinnen ihre Stückzahl nicht mehr und brachen über den Maschinen zusammen. Das passierte mehrmals täglich. Die anderen mussten ihre Arbeit mit übernehmen. Unaufhörlich ratterten die Nähmaschinen. Mit schwerem Kopf, ausgedörrter Zunge, brennenden Augen sahen wir nichts als die grünen Soldatenhosen, die Nadel - 10 Zentimeter rauf, 10 Zentimeter runter, wir nähten und nähten, Quadrat reihte sich an Quadrat(...) unser Universum bestand aus Quadraten, Quadraten bis an den Horizont. Ungeduldig warteten wir darauf, dass es Nacht wurde, dass wir, nachdem wir den Teller Suppe, der unsere tägliche Ration war, hinuntergeschlungen hatten, endlich ins Bett fallen und die Augen schließen konnten. Wenn wir nur am nächsten Tag nicht mehr aufwachen müßten und zurück in dieses Chaos! Aber die unersättliche Gier der Deutschen nach immer noch mehr Produktion zwang uns manchmal, bis zu 30 Stunden am Stück durchzuarbeiten.Der Aufseher ging mit einer Peitsche bewaffnet durch die Arbeitsräume; sah er, dass eine der Frauen über ihrer Maschine eingenickt war, schlug er auf sie ein. Die Arbeiterinnen fanden ein Versteck in einem der Lagerräume, wo sie sich in Halbstundenschichten zum schlafen hinlegten, doch auch diese Zuflucht wurde entdeckt. 'Mit einem teuflischen 'Aha' stürzte er sich auf seine wehrlosen Opfer und schlug gnadenlos auf sie ein, die Schläge seiner Peitsche übertönten das Stöhnen seines Opfers... Das war unser Leben in den "ruhigen" Perioden zwischen den Selektionen." Meed. Auch Többens selbst ging durch die Hallen. "Erregten Arbeitskräfte dabei sein Missfallen, schrie er ihnen entgegen: "Ich schieße euch nieder wie die Hunde." Dass es sich hierbei nicht nur um eine dahergesagte Floskel handelte, erlebten sie, als er im Juli 1942 die 24-jährige Schneiderin Regina Finkel mit drei Schüssen ermordet und dies mit den Worten kommentiert: "Weg mit dem Dreck."2
Bis zu 25.000 jüdische Zwangsarbeiter mussten in diesen Produktionsstätten unter inhumanen Lebens- und Arbeitsbedingungen Zwangsarbeit verrichten. Auch wurden regelmäßig Selektionen vorgenommen und Arbeiterinnen in das Vernichtungslager Treblinka deportiert.
Während des Aufstandes im Warschauer Ghetto im April und Mai 1943 kam es zu Kämpfen zwischen den Widerstandsgruppen im nordlichen Ghetto zu heftigen Auseinandersetzungen: 9 Bunker wurden gesprengt und und 505 Juden festgenommen.1 und mit der Verlagerung der Produktionsstätten der Többenswerke nach Poniatowa gebracht wie auch 10.000 weitere Zwangsarbeiter samt Familienangehörigen "Im Rahmen der "Aktion Erntefest" Am 4. November 1943 wurden etwa 15.000 Juden des Arbeitslagers erschossen.
Die Fabrik von Fritz Schultz wurde in das nahegelegene Konzentrationslager Trawniki verlegt und 6.000 Arbeiterinnen und Arbeitern sowie 400 Kindern dorthin gebracht. Többens kaufte mit dem Erlös aus dieser Fabriken 1944 in Bremen das Haus von Julius Bamberger, der noch rechtzeitig vor den Nazis fliehen konnte. Kriegsbedingt verlagerte Többens seine Produktion nach Delmenhorst, wo er nach dem Krieg auch das zweitgrößte Textilgeschäft hatte. Am 11. September 1945 wurde Többens durch Angehörige des Counter Intelligence Corps in Bremen verhaftet und interniert. Im Januar 1946 gelang ihm die Flucht aus der Internierung und nach seiner Wiederergreifung im Juni 1946 konnte er am 22. November erneut aus der Internierung in Darmstadt entkommen. Die Bremer Spruchkammer verurteilte ihn in Abwesenheit zum hauptschuldigen Kriegsverbrecher zu zehn Jahren Arbeitslager, Einziehung des Vermögens, Verlust aller bürgerlichen Rechte und jedes Anspruchs auf Rente und Unterstützung. Nach dem Ende der Entnazifizierung stellte sich Többens im April 1951 freiwillig den Behörden und wurde, auch aufgrund entlastender Aussagen ehemaliger Mitarbeiter, Ende Mai 1952 nur noch als "Mitläufer" eingestuft.Sein Vermögen wurde nicht eingezogen. Er wurde Mitglied der CDU und eröffnete Geschäfte in Delmenhorst und Vegesack. 1954 verunglückte er mit seiner Geliebten im Auto.

1.Stroop Bericht, 20.4.43
Schwarberg, Günther, Das Getto - Spaziergang in der Hölle,Frankfurt/Main 1991, verschiedene Seiten

Emigration

Durch die wirtschaftlichen und persönlichen Einschränkungen stellte sich für Viele bald die Frage der Emigration. "Beratung und Hilfe konnte man bei der Auswandererberatungsstelle Bremen und ab 1936 zusätzlich bei der Bremer Zweigstelle des „Hilfsvereins der Juden in Deutschland für Auswanderungsangelegenheiten" finden.
Für diejenigen, die 1933 dem Reich den Rücken kehren wollten, stand Palästina, über das man recht gut unterrichtet war, oft durch bereits dort lebende Verwandte, als außereuropäisches Zielland an erster Stelle, zumindest was die Beratung anbelangte. Wer keine Beziehungen zu und in diesem Land hatte, nahm die Vereinigung deutscher Einwanderer in Tel Aviv oder das Palästina-Amt in Berlin in Anspruch. Unter den europäischen Ländern waren es die Niederlande, für die sich die meisten Interessenten fanden."(Bruss,S.25)
Aus einem Vorstandsbericht der jüdischen Gemeinde geht hervor, dass 1933 insgesamt 50 Männer, 28 Frauen und 19 Kinder, also 97 Personen, auswanderten, und zwar 15 Personen nach Palästina und 41 in die Niederlande. Das restliche Drittel ver¬ teilte sich gleichmäßig auf Nord- und Südamerika und einige europäische Länder. Während es in den ersten Jahren des Regimes noch einfacher möglich war (wenn man entsprechende Visa erhielt) wurde es ab 1936 immer schwieriger und es war nur in geringem Umfang möglich, Besitztümer oder Geld mitzunehmen.


Emigration nach Land und Personen:
Niederlande 143,England 99, Palästina 61, Argentinien 30, Südafrika 25, Österreich 24, Paraguay 24, Ecuador 21, Uruguay 21, China 19, Chile 15, Kolumbien 15, Frankreich 14,15. Kuba 14, Panama 13, Paraguay 24 Peru 7, Philippinen 1, Schweden 8, Schweiz 7, Sowjetunion 1, Spanien 2, Südafrika 25, Südamerika 3, Tschechoslowakei 2, Ungarn 5, Uruguay 21, USA 272, Venezuela 5, Zypern 1,
Anzahl der Auswanderer nach Jahren
1933:721932:65,1935:35,1936:90 1937:72, 1938:278,1939:273,1940:19,1941:18
= 922

Eine Anzahl von mindestens 930 ausgewanderten Personen kann zugrunde gelegt werden. Nicht enthalten sind die nach Polen abgeschobenen Juden
Diejenigen, die in andere europäische Länder ausgewandert waren, wurden teilweise im Verlauf des Krieges durch die Eroberung von Gebieten gefasst und in die Konzentrationslager geschickt, andere mussten sich verstecken oder erneut fliehen


politisch Verfolgte
Als Staatsfeinde in der NS-Diktatur galt "jeder, der dem Volk, der Partei und dem Staat, ihren weltanschaulichen Grundlagen und ihren politischen Aktionen bewusst entgegenwirkt."

Die systematische Ausschaltung der politischen Opposition durch Massenverhaftungen begann nach dem Reichstagsbrand am 27./28. Februar 1933 und zog sich bis zu Kriegsbeginn 1939 hin. Später gab es noch eine große Massenverhaftung nach dem Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944, die sog. "Aktion Gewitter". Unabhängig davon kam es immer wieder zu Einzelverhaftungen. Bis 1939 wurden mehr als 400 WiderstandskämpferInnen aus Bremen verurteilt, davon waren mehr als zwei Drittel Kommunisten. 150 Mitglieder der SPD und des Reichsbanners standen vor Gericht. Viele der Verurteilten kamen nach der Verbüßung ihrer Zuchthausstrafe in ein Konzentrationslager, so Anna Stiegler und Käthe PopallundAlma Gross..

Verfolgung der Sinti und Roma

Am 10.8.1933 wurde ein "Gesetz zum Schutze der Bevölkerung vor Belästigung durch Zigeuner, Landfahrer und Arbeitscheue erlassen, das in dem die Vergabe von Wohnwagenplätzen und die Einweisung von sog. Arbeitsscheuen in Arbeitslager regelte.
Im Juni 1938 wurden 200 Personen (sog. Asoziale, Zigeuner, Zuhälter und Landstreicher in das KKZ Buchenwald gebracht. Am 17. Oktober 1939 wurde angeordnet, dass alle "Zigeuner und Zigeunermischlinge" in Lager gebracht werdenn müssen. Die erste Deportation aus Bremen in das Generalgouvernement fand am 15.5.1940, bei der eine einjährige Tochter der Familie aus Wesermünde von einem SS-Mann erschlagen 1942 wurden die Sinti nach Auschwitz-Birkenau gebracht.
1944 wurde angeordnet, dass alle mit Ariern verheirateten Sinti sich sterilisieren lassen müssen, anderfalls würden sie nach Auschwitz gebracht.

Quelle: Marßolek S.335 ff.
Die Bremer Lehrerin Karin Magnussen forschte während der Nazizeit zu Augenfarben und erhielt aus dem KZ Augen von getöteten Sinti.
Die Familie Hollmann:

Heinrich Hollmann war ein wohlhabender Wein- und Spirituosenhändler, der über eine eigene Brennerei und über umfangreichen Haus- und Grundbesitz verfügte. Er und seine Ehefrau Eleonore gehörten seit 1929 der KPD und auch der Roten Hilfe an. Im Jahre 1942 kaufte er ein Telefunken-Superradio, mit dem er die ausländischen Sender gut empfangen konnte. Eine Mieterin fühlte sich durch die Lautstärke des Radios gestört und zeigte sie an. Sie kamen wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" Untersuchungshaft und Heinrich Hollmann wurde zu vier, seine Frau Eleonore zu dreiviertel Jahren Zuchthaus verurteilt, blieben aber bis Ende des Dritten Reich in Haft. Die Firma wurde von der jungen Kontoristin Inge Majer weitergeführt, die Tochter Orlenka, die freigesprochen worden war, brach ihr Studium ab und übernahm den Betrieb. Sie hatte Beziehungen zu Georg Gumpert, Mitglied der kommunistischen Widerstandsgruppe auf der AG Weser. Gegen sie lagen aber keine Anklagepunkte vor, wurde dennoch verhaftet. Sie wurde zweimal freigesprochen, aber dennoch in das KZ Ravensbrück gebracht, wo sie bis Kriegsende bleiben musste.
Inge Majer wurde 1944 unter dem Vorwand verhaftet, sie habe gegen das Weingesetz verstoßen. Dieses sei an falsch etikettierten Weinflaschen festgestellt worden. Inge Majer erklärte, dass es sich um eine versehentliche Etikettierung aufgrund eines Wasserschadens infolge eines Bombenangriffs handele. Sie wurde zu acht Monaten Haft verurteilt und als sie sich nach der Haft den Schlüssel für ihre Wohnung abholen wollte, erneut festgenommen, offenbar hatte man die jüdische Abstammung väterlicherseits entdeckt - auch sie blieb bis Kriegsende im KZ Ravensbrück.
Nach Ende des Faschismus hatte die Familie große Schwierigkeiten, eine angemessene Wiedergutmachung durchzusetzen.


Ermordung Lilly Karmann

Nicht nur politischer oder kirchlicher Widerstand führt zu Verhaftung und Tod. Je mehr das Regime aufgrund der militärische Niederlagen in Bedrängnis kam, je drastischer wurden die Verfolgungen. Das zeigt z.B. folgendes Schicksal:
Im Herbst 1943 fragte eine junge Frau die Verkäuferin Lilly Karmann, eine Halbjüdin, ob sie ihr bei der Suche einer Wohnung behilflich sein könnte, sie wolle nämlich heiraten. Frau Karmann meinte dazu, es sei doch sehr gewagt, in dieser Situation zu heiraten. Befragt, wie sie sich die Zukunft denke, meinte Lilly Karmann, wahrscheinlich würde Stalin verlangen, dass die deutschen Männer erst wieder die Sowjetunion aufbauten. 'An aufbau bei uns wird nicht zu denken sein. Und wir hier werden nichts kaufen können und wenig zu essen haben...Strafe muss ja auch sein. Die Nazis müssen erst das ausfressen, was sie sich eingebrockt haben.' Sie wurde angezeigt und vor dem Freisler Gericht zum Tode verurteilt."Mag sie auch bisher nicht politisch Aufgefallen sein, solche defätistischen Reden im vierten Kriegsjahr ist doch ein Zeichen dafür, dass sie völlig ehrlos ist... Sie wurde am 27. Januar 1944 hingerichtet."


Frauen in der Hindenburgkaserne und dem Außenlager Obernheide

Von September 1943 bis zum April 1944 diente die Hindenburgkaserne in der Bossdorfstraße in Bremen Huckelriedeals KZ-Außenlager der II. SS-Baubrigade Neuengamme. In den Pferdeställen wurden ukrainische Zwangsarbeiter untergebracht. Am 2.August 1944 traf am Neustadtsbahnhof ein Häftlingstransport mit Ungarinnen ein, die in der Hindenburgkaserne untergebracht werden, ein weiterer Transport kam mit 300 polnischen Jüdinnen aus Auschwitz 28.August 1944 in Bremen an. Die Frauen wurden zur Trümmerbeseitigung in der Bremer Innenstadt eingesetzt, eine gefährliche und anstrengende Arbeit. Fast täglich wurde Bremen aus der Luft angegriffen. Die Frauen durften bei Fliegerangriffen keine Schutzbunker oder Splittergräben aufsuchen.
Die Hindenburgkaserne wurde am 26. September 1944 bei einem alliierten Bombenangriff zerstört.
Noch am gleichen Abend transportierte man die Frauen in das Lager Obernheide in der heutigen Gemeinde Stuhr. Die 800 Häftlinge wurden in zwei Holzbaracken untergebracht, die eigentlich nur Platz für 260 Personen hatten. In schmalen Doppelbetten- jeweils drei übereinander, mußten Frauen auf Strohsäcken schlafen, jede von ihnen hatte nur etwa einen Meter Platz, so war es zwar nachts warm, aber bedrückend eng. Das Essen war spärlich: Kaffee, nach dem Abendappell, Kohlsuppe,selten gab etwas Fleisch und eine Scheibe Brot. Die Kleidung war schlecht und es gab nur Holzschuhe.
Um vier Uhr morgens wurden die Frauen geweckt und marschierten in langen Reihen im Dunkeln zum Bahnhof in Stuhr und kehrten im Dunkeln wieder zurück. In. Von dort fuhren sie mit der Thedinghauser Kleinbahn in die Bremer Neustadt, wo sie entweder zu Fuß zum Einsatzort gingen oder mit offenen Lastwagen gefahren wurden.. Ab dem 13. Dezember 1944 mussten sie noch früher aufstehen, um die sechzehn Kilometer nach Bremen zu marschieren, da wegen der Zerstörung keine Züge mehr zur Verfügung standen.
Hunger, Erschöpfung, Arbeitsunfälle und die schlechten hygienischen Zustände im Lager führen häufig zum Tod. Sechs der umgekommenen Frauen werden auf dem Riensberger Friedhof in Bremen begraben. Auch Kinder wurden im Lager geboren. Als sich im April 1945britische Truppen Bremen näherten, räumte die SS das Lager Obernheide und verschleppte ihre Opfer in das Konzentrationslager Bergen-Belsen.
Sie wurden in eine Baracke des völlig überfüllten Großen Frauenlagers gepresst. Weitere Transporte trafen in den folgenden Tagen aus anderen Außenlagern der Konzentrationslager Neuengamme und Mittelbau-Dora ein. Die SS ließ seit dem Beginn des Massensterbens im Februar und März 1945 immer mehr Leichen auf dem Lagergelände und in den Baracken liegen, da es in Bergen-Belsen keine großen Krematorien gab. Allein im März 1945 starben in Bergen-Belsen 18.168 Häftlinge. Kurz vor der Übergabe des Lagers an die Engländer, befahl die SS zwischen dem 11. und 14. April ca. 2.000 völlig entkräfteten Häftlingen, die Leichen zu Massengräbern zu schleppen.
Häftlinge dieses Lagers errichteten den Bunker Valentin, der als riesige bombensichere U-Boot-Fabrik vorgesehen war, allerdings bis zum Kriegsende nicht mehr fertiggestellt wurde.Wie viele Menschen bei seiner Errichtung umgekommen sind — an Hunger und Entkräftung, bei Fluchtversuchen oder durch die Willkür der Bewacher — wird im Dunkeln bleiben. Nur einige Leichen wurden — in der näheren Umgebung des Bunkers verscharrt — gefunden.
In den Gräbern der Gedenkstätte für die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft auf dem Osterholzer Friedhof sind heute 577 namentlich bekannte Arbeite- Arbeiterinnen und Arbeiter aus fast allen Ländern Europas sowie über 800 namenlose KZ-Häftlinge beigesetzt.

entnommen: Bremer Arbeiterbewegung 1918-1945 - Trotz alledem, Katalog zur gleichnamigen Ausstellung im Bremer Rathaus, Berlin 1983
Jüdische Zwangsarbeiterinnen in der Bremer Innenstadt, 1944.
Quelle: Staatsarchiv Bremen 10, B 1944-03/137.
Anmerkung
1.Jedoch nicht nur aus Polen Verschleppte wurden dieser Behandlung ausgesetzt. Einige Verwandte aus meiner Familie, die schon mehr als 40 Jahre in Bremen lebten, aber keine deutsche Staatsangehörigkeit hatten, wurden ebenfalls inhaftiert und mussten das P tragen.

Zwangsarbeiter in Bremen
Häftling der 2.SS Baubrigade bei Aufräumarbeiten nach einem Bombenangriff 1945

Während des Zweiten Weltkrieges wurden in Bremen sehr viele Ausländer verschiedenster Nationalität vor allem in der Rüstungsproduktion, beim Bunkerbau und bei der Trümmerbeseitigung eingesetzt. Fast alle waren in Lagern untergebracht, über die die Gestapo genau Buch führte, da die »Fremdvölkischen« als Sicherheitsrisiko gal- ten.
Im Sommer 1944 gab es in Bremen über 200 solcher Lager, in denen zwischen weniger als 10 bis zu mehr als 1400 Männer und Frauen zusammengepfercht waren. Die Behandlung der Ausländer war sehr unterschiedlich und richtete sich vor allem danach, aus welchem der während des Krieges von den Deutschen besetzten Gebiete sie jeweils stammten. Am schlechtesten wurden die Russen behandelt — und zwar nicht nur die Kriegsgefangenen, sondern auch die sogenannten »Ost-Arbeiter«, die als »freiwillige« Arbeitskräfte nur geringfügig besser gestellt waren. Sie und auch die polnischen Arbeiter mußten ein diskriminierendes Zeichen an der Brust tragen:1 die Rus- sen ein weiß-blaues Stoffabzeichen mit dem Aufdruck »Ost«, die Polen ein gelb-lila Zeichen mit dem Aufdruck »P«. Freiwillig waren im übrigen nur die wenigsten dieser Menschen gekommen. Die meisten hatte man bei regelrechten Menschenjagden für den Arbeitseinsatz im Großdeutschen Reich angeworben; Kino- und Theatersäle, Wochenmärkte, ja ganze Dörfer wurden damals umstellt, um die Arbeitsfähigen auszusortieren und nach Deutschland abzutransportieren.
Die aus westeuropäischen Ländern als sogenannte Zivilarbeiter nach Deutschland gekommenen Arbeitskräfte genossen demgegenüber gewisse Vergünstigungen. Sie waren besser untergebracht, erhielten bessere Verpflegung, konnten mit ihren Angehörigen korrespondieren, Pakete empfangen und Lohnersparnisse in ihre Heimat, siehe auch hier unter Casino" überweisen. Auch sie unterlagen allerdings den Lager- und Arbeitsordnungen sowie der strengen Überwachung durch die Sicherheitsbehörden. In den vor allem mit Russen und Polen belegten Bremer Großlagern, die meistens in der Nähe der Rüstungsbetriebe lagen, in denen die Lagerinsassen arbeiten mußten, herrschten zum Teil unmenschliche Bedingungen: Hunger, Schmutz, ständige Seuchengefahr und häufig die Willkür der zur Bewachung der »Untermenschen« einge- setzten Mannschaften bestimmten den Lageralltag. Am schlimmsten war es in den Bremer Außenstellen des Konzentrationslagers Neuengamme und im sogenannten »Arbeitserziehungslager Farge«. Hierhin konnten die Insassen anderer Lager bei geringsten Verstößen gegen die Arbeitsdisziplin oder unter dem Vorwurf schlechter Arbeitoder der Bummelei« zur sechswöchigen Arbeitserziehung abtransportiert werden.


Autorin Edith Laudowicz

Literatur und Quellen:
Balz, Hanno: die Arisierung von jüdischem Haus- und Grundbesitz in Bremen,
Bruss, Regina:Die Bremer Juden unter dem Nationalsozialismus,Veröffentlichungen aus dem Staatsarchiv der Freien Hansestadt Bremen, herausgegeben von Wilhelm Lührs,Band 49 Bremen, 1983
Am Roland hing ein Hakenkreuz - Bremer Kinder und Jugendliche in der Nazizeit, Hrs. Schulgeschichtliche Sammlung Bremen 2002
Jüdisches Leben in der Bremer Neustadt während der NS Zeit, Arbeitsgemeinschaft Stadtteil Geschichte Bremen
Lührs Wilhelm:„Reichskristallnacht“ in Bremen – Vorgeschichte, Hergang und gerichtliche Bewältigung des Pogroms vom 9./10. November 1938. (Herausgegeben vom Senator für Justiz und Verfassung der Freien Hansestadt Bremen in Verbindung mit der Israelitischen Gemeinde Bremen
Marßolek,Inge/Ott, René: Bremen im 3. Reich Anpassung-'Widerstand Verfolgung, Bremen 1986
Markreich Max, Geschichte der Juden in Bremen und Umgegegend, Bremen 2003
https://www.stuhr.de/daten/Spurensuche-Obernheide/bergen-belsen.htm



Nach 1945 entstand in Bremen die "Kampfgemeinschaft gegen den Faschismus (KGF)", initiiert von KPD Mitgliedern, in der viele Mitglieder die schon im Faschismus Widertand geleistet hatte, organisiert ware. Sie ga ab dem 6. Mai 1945 ein eigenes Informationblatt heraus. emens, Gewerkschaftspolitik, forderte die Auflösung der NSDAP und aler ihrer Gliederungen, die Rückgabe gstohlenen Eigentums , die restlose Entfernung aller Nationalsozialisten aus dem Staats- und Verwaltungsapparat und die sofortige Wiederherstellung der demokratischen Grundrechte. Die KGF hatte zwei Wochen nach der Gründung in Bremen 14 Ortsgruppen mit 4265 Mitgliedern und 14 Ortsgruppen aus Stadtrand- und Umlandgemeinden. Nach eigenen Angaben hatte die KGF im Mai 1945 knapp 6500 Mitglieder. Sie existierte bis Juni 1945. Sie richtete auch einen Aufruf an die Frauen.
AUFRUF AN DIE FRAUEN ZUR MITARBEIT